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2.1.4 Rolle der Lehrenden in CMC-Szenarien

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Lehrenden kommt in Unterrichtszusammenhängen eine zentrale Rolle zu, da sie die Unterrichtspraxis auf verschiedenen Ebenen gestalten, so auch in asynchronen Online-Kommunikationen. Der Lehrer/die Lehrerin trifft – meist ausgehend von institutionellen und curricularen Vorgaben – Entscheidungen über Unterrichtsinhalte, plant und leitet unter Berücksichtigung methodisch/didaktischen Wissens und subjektiver Theorien den Unterricht, und unterhält professionelle Beziehungen zu Lernern, Lehrenden und dem Kollegium (vgl. Witten/Harde 2010).

Lehrende besitzen somit verschiedene soziale Rollen, die durch das eigene Rollenverständnis, durch Persönlichkeit, Ausbildung und Erfahrungen und den jeweiligen beruflichen Kontext sowie das jeweilige Gegenüber geprägt werden, wobei sich diese Rollen im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen wandeln und nicht selten normativ sind (vgl. Rösler 2012a, 14). Mit dem Aufkommen interaktionistisch-soziokultureller Perspektiven auf das Lernen, die, wie in Kapitel 2.1.2 gezeigt wurde, theoretischer Hintergrund für den Einsatz von computervermittelter Kommunikation in Bildungszusammenhängen sind, ändert sich auch die Rolle der Lehrenden (vgl. z.B. Lamy/Hampel 2007, 61).

Die Lehrerin/der Lehrer fungiert in diesem Zusammenhang – und dabei spielt es keine Rolle, in welchem Modus der Unterricht stattfindet – nicht mehr als Wissensvermittler, sondern als facilitator (vgl. Rogers 1969, 104), d.h. als Lernbegleiter, der hilft, das „Konstruktionspotenzial des Lernenden […] im Unterricht durch reichhaltige, vielfältige, erfahrungsbezogene und bedeutungsvolle Lern- bzw. Konstruktionsmöglichkeiten“ (Witte/Harden 2010, 1327) zu fördern, u.a. durch eine entsprechende Aufgabenstellung (vgl. Kapitel 2.1.3) und das Herstellen einer lernförderlichen Atmosphäre.1

Jedoch ist die Tatsache, dass eine Lehrerin/ein Lehrer ein neues eigenes Rollenverständnis entwickelt hat und dementsprechend den Unterricht planen und umsetzen will, noch kein Garant dafür, dass diese/-r auch als facilitator agieren kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass soziale Rollen nicht nur selbst gewählt werden, sondern in gleichem Maße auch interpersonal konstituiert werden.2 Wright weist darauf hin, dass Faktoren wie Status, Position, Persönlichkeit sowie Annahmen über die jeweils andere Gruppe ausschlaggebend dafür sind, in welcher Rolle man sich befindet (vgl. Wright 1987, 21). Erwartungen und Rollenzuschreibungen seitens der Lernenden können dazu führen, dass es z.B. einem Lehrer/einer Lehrerin nicht gelingt, sich im Sinne eines facilitators auf Augenhöhe der Lernenden zu positionieren. Selbst wenn er/sie anstrebt,

ihre sozial-institutionelle Rolle als Lehrkraft zugunsten ihrer didaktischen Lehrerrolle im Interesse eines emanzipatorischen Unterrichts zurückzunehmen, so kann sie dennoch nicht mit [den Lernenden] auf wirklich gleicher Ebene interagieren, da die Lehrkraft immer zugleich als Bewertungs- und Kontrollinstanz fungiert; zumindest aus Lernerperspektive […]. (Witten/Harden 2010, 1332)

Dieses Zitat weist darauf hin, dass die Rolle des Lehrers abhängig ist von den Annahmen, den subjektiven Theorien und dem Wissen, das Lernende von Lehrern haben, und dass traditionell hierarchische Verhältnisse3 nicht ohne weiteres überwunden werden können. Dies ist auch für landeskundliches Lernen wichtig, da davon ausgegangen werden kann, dass Lehrende, als (vermeintliche) Experten für das Zielsprachenland, in der Regel auch eine Deutungshoheit im Hinblick auf landeskundliche Gegenstände haben, und beispielsweise als eine Art gatekeeper auch die Macht darüber besitzen, ob persönliche Erfahrungen mit der Zielsprachenkultur, die im Rahmen von Landeskundeunterricht von den Lernern geäußert werden, als gültig anerkannt werden.

Im Hinblick auf die Frage, was der Einsatz von digitalen Medien im Kontext des Fremdsprachenlernens und -lehrens von den Lehrenden abverlangt, wurde in den Anfangsjahren von computergestütztem Fremdsprachenunterricht zunächst nur darauf hingewiesen, dass zu den fachdidaktischen Kompetenzen auch Computerkenntnisse gehörten (vgl. Hampel/Stickler 2005, 316). Inzwischen herrscht weitgehend das Bewusstsein vor, dass fachspezifische mediendidaktische Kompetenzen vonnöten sind, um durch den Einsatz von digitalen Medien Fremdsprachenlehr- und -lernprozesse zu unterstützen. In der bildungspolitischen Debatte um Kompetenzen von Lehrenden wird es demnach als sinnvoll erachtet, diese nicht global sondern domänenspezifisch zu beschreiben (vgl. Rösler/Würffel 2010b, 27f).

Von Rösler und Würffel (2010b) liegen Überlegungen4 vor, welche Kompetenzen Online-Tutoren besitzen sollten, wobei zwischen Sozialkompetenz und personaler Kompetenz auf der einen Seite und Fach-, Methoden-, Organisations- und Administrationskompetenz auf der anderen Seite unterschieden wird. Zugleich zeigt sich in der Arbeit von Rösler und Würffel, die auf Online-Tutoren fokussieren, dass es stark vom Kontext abhängt, welche Kompetenzen benötigt werden. Online-Tutoren, d.h. die Personen, die die Arbeit von Lernern während der Online-Phasen (oder in reinen E-Learning-Szenarien) unterstützen,5 sind dabei zu unterscheiden von den Lehrenden, die tutorieren und mit Hilfe methodisch-didaktischen Wissens die Online-Phasen planen.

Dementsprechend haben Rösler und Schneider (2007, 178f) Aufgabenfelder für Lehrende in Blended-Learning-Szenarien formuliert und konkretisiert. Diese leisten aufgrund ihrer Fokussierung auf die computervermittelte Kommunikation für die Beschreibung und Analyse der hier untersuchten Online-Diskussionen einen wertvollen Beitrag und sind Ausgangspunkt für die folgende Darstellung. Es wird deutlich, dass die Aufgabenformulierungen verschiedene fachspezifische, mediendidaktische und soziale Kompetenzen der Lehrenden implizieren, die Voraussetzung für das erfolgreiche Planen und Durchführen sind. Zugleich ist die Vorstellung des Lehrers/der Lehrerin als facilitator prädominant und prägt die Aufgabenbeschreibungen:

Zu den technischen Aufgaben zählt, neben den Aufgaben, die die Bereitstellung von Online-Lehrinhalten mit sich bringt, dass die Lehrenden den Lernern helfen, in virtuellen Lernumgebungen zurechtzukommen, und zwar durch eine entsprechende Einweisung, durch das Bereitstellen von Leitfäden und technischen Hilfestellungen.

Organisatorisch-administrative Aufgaben: Die Aufgabe von Lehrenden ist es zu vermeiden, dass „eine kognitive Überlastung der Lernenden durch den organisatorischen Zusatzaufwand [auftritt], der in Folge der virtuellen Lernumgebung entstehen kann (z.B. dadurch, dass die Lernenden mit den Besonderheiten netzgestützter Kommunikation zurecht kommen [sic] müssen)“ (ebd., 178). Diese gilt es mit Hilfe geeigneter Unterstützungsangebote zu vermeiden. Während Rösler und Schneider das Festlegen von Terminen und Abgabefristen als Strukturierungshilfen sowie die Vorgabe von Regeln für die Online-Kommunikation nennen, sollte zudem die Aufgabenstellung transparent und kleinschrittig formuliert werden. Es ist dabei für den Online-Modus besonders wichtig, dass die Aufgabenstellung gut durchdacht ist, da auf Missverständnisse bzw. Fragen unter Umständen nicht sofort reagiert werden kann. Auch inhaltliche Hilfestellung, z.B. durch die Vorgabe von Beispielantworten oder die Angabe, wie viele Beiträge man schreiben sollte, sind sinnvoll, da z.B. ein Begriff wie „diskutieren“ im Kontext asynchroner computervermittelter Kommunikation ohne entsprechende Erfahrung seitens der Lerner nicht unbedingt verständlich ist.

Neben diesen Aufgaben, die den Lernprozess strukturieren, spielen motivational-emotionale Aufgaben eine wichtige Rolle: Aufgrund der Kanalreduktion in asynchroner computervermittelter Kommunikation ist „die soziale Präsenz eingeschränkt und die Kommunikationssituation anonymer“; zu den Aufgaben der Lehrenden gehört es daher, eine lernförderliche Atmosphäre im Kurs herzustellen, indem eine „angenehme, konstruktive und kommunikationsfreudige Stimmung“ (Rösler/Würffel 2010b, 46) geschaffen wird. In diesem Aufgabenbereich spiegelt sich am deutlichsten die Vorstellung des Lehrenden als facilitator. Konkret kann dies geschehen, indem die Lerngruppe als Ganzes unterstützt wird, Anerkennung ausgesprochen wird, Hinweise und nur gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge gegeben werden (vgl. Meister 2012, 48). Es ließe sich zudem hinzufügen, dass die Lehrenden die Stärken der verschiedenen Unterrichtsmodi kennen und den Präsenzunterricht nutzen, um eine angenehme Stimmung in der Gruppe herzustellen, die in den Online-Phasen beibehalten werden kann.

Methodisch-didaktische Aufgaben: Nach Rösler und Schneider zählt zu diesen das Entwerfen von Lernszenarien, „die den Bedingungen der digitalen Medien gerecht werden und einen didaktischen Mehrwert erbringen“, wobei die Eigenschaften, Bedingungen und Auswirkungen der verschiedenen Modi stets berücksichtigt werden müssen. Dies heben auch Lamy und Hampel (2007, 34) hervor: „[T]eachers and learners cannot simply replicate in CMCL what they have accustomed to doing in the face-to-face-setting“. Dazu gehört, ausgehend von den Lernzielen den geeigneten Modus zu wählen (Online- vs. Präsenz-Modus, Selbstlernen vs. kooperatives Lernen, asynchron vs. synchron) und geeignete Aufgaben zu formulieren sowie dafür zu sorgen, dass eine sinnvolle Verbindung von Online- und Präsenz-Komponenten entsteht.

Zu den fachlich-inhaltlichen Aufgaben gehört abschließend, „dass sie [die Lehrenden, CB] als Experten ihres Faches Kursmaterialen bereitstellen oder selbst Autoren von Online-Materialien sind, die Auseinandersetzung mit den Materialien initiieren und inhaltliche Fragen beantworten. Bei der Online-Kommunikation sollten sie Lernende unterstützen, indem sie den roten Faden herstellen, bei Bedarf Zusammenfassungen anbieten, Beiträge kommentieren, Bezüge herstellen und verschiedene Ansichten in den Diskurs mit einbringen (vgl. Rösler/Schneider 2007, 178f, vgl. auch Salmon 2000, 32f). Dies zeigt, dass die Aufgabengebiete sich oft überschneiden und z.B. in der Tutorierung von asynchronen Online-Diskussionen motivational-emotionale Aufgaben und fachlich-inhaltliche Aufgaben ineinanderfließen.

Die Lehrerrolle in asynchronen computervermittelten Diskussionen ist also, ebenso wie in allen anderen Modi, vielschichtig und wird von den Erwartungen beeinflusst, die Lernende an den Lehrer/die Lehrerin stellen, aber auch von normativen Ansprüchen. Während im Zuge interaktionistisch-soziokultureller Theorien die Lehrerin/der Lehrer als Lernbegleiter oder facilitator gesehen wird, der hilft, ein Lernsetting herzustellen, in dem die Lernenden im Austausch mit anderen gemeinsam Wissen konstruieren, können Erwartungen von Lernenden dafür sorgen, dass Lehrende der Rolle des Lernbegleiters nur begrenzt gerecht werden können. Diese Feststellung wird vor allem in Kapitel 5.9 eine Rolle spielen.

Zugleich hat die knappe Beschreibung der Aufgaben von Lehrenden in Blended-Learning-Szenarien gezeigt, dass gewisse Besonderheiten festzustellen sind. Zwar haben Lehrende sowohl im Online- als auch im Präsenzmodus die Aufgabe, Lernprozesse anzuregen und zu moderieren, Rückmeldungen auf Lernleistungen zu geben und, wenn Lernende zusammenarbeiten, die Kooperation zu stärken (vgl. Meister 2012, 45), doch müssen im Online-Modus zudem technische Hilfestellungen gegeben werden, Aufgabenstellungen müssen besonders durchdacht formuliert werden und im Zuge der Tutorierung muss aufgrund der Kanalreduktion auf andere Mittel zurückgegriffen werden, um eine lernfreundliche Atmosphäre herzustellen.

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation

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