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2.2 Kulturbezogenes Lernen 2.2.1 Landeskunde: Geschichte, Begriffe und Probleme

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Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Sprache und Kultur untrennbar miteinander verwoben sind und Fremdsprachenlernen daher im Grunde immer mit kulturbezogenem Lernen einhergeht.1 Die Frage, was Kultur in diesem Zusammenhang bedeutet, wird sehr unterschiedlich beantwortet, wie auch ein Blick auf die historische Entwicklung der Zielsetzungen von Landeskundeunterricht zeigt. Im folgenden Kapitel soll daher zunächst einleitend auf dessen Geschichte, (Kultur-)Begriffe und Probleme eingegangen werden, um daran anschließend aktuelle Entwicklungen in der Landeskundedidaktik darzulegen, die die theoretische Grundlage für das Seminar bilden, das im Rahmen dieser Arbeit untersucht wird.

Neben der Verortung von Landeskunde als Teil des Fremdsprachenunterrichts wird gewöhnlich auch von Landeskunde als Forschungsgegenstand und als einer politisch eingeforderten Kompetenz gesprochen.2 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht wird anhand ihres jeweiligen didaktischen Ortes unterschieden, denn zwischen Landeskunde als (explizit und/oder implizit vermitteltem) integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts und Landeskunde als, wie im vorliegenden Fall, eigenständigem Fachseminar im Rahmen von Lehrerausbildung oder Germanistikstudiengängen im nicht-deutschsprachigen Ausland bestehen große Unterschiede hinsichtlich sowohl der Lehr- und Lernziele, der didaktischen Aufbereitung als auch der Erwartungen der Lernenden. Im Rahmen des Germanistik-Studiums an ausländischen Universitäten hat die Landeskunde als eigenständiges Unterrichtsfach beispielsweise eine andere Stellung als ein eher kommunikativ ausgerichteter Unterricht an Sprachschulen in den deutschsprachigen Ländern, an denen die Alltagskommunikation im Mittelpunkt steht.

Landeskunde hatte lange aus verschiedenen Gründen in der deutschsprachigen fachdidaktischen Diskussion einen schwierigen Status. Hackl, Langner und Simon-Pelander beispielsweise fassen in der Landeskundediskussion gefallene Urteile wie „Unfach“, „ominös“ und „Faktenhuberei“ zusammen und weisen darauf hin, dass die Landeskunde sogar als „überflüssig“ bezeichnet wurde (vgl. Hackl/Langner/Simon-Pelander 1998, 5). So wurde und wird kritisiert, dass im Landeskundeunterricht – sei er nun integrativer Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts oder eigenständiges Fachseminar – die Vermittlung von willkürlichen, von subjektiven Präferenzen der Lehrenden abhängigen Inhalten stattfindet.3 Um dem entgegenzuwirken, wurde immer wieder die wissenschaftliche Verankerung in Bezugsdisziplinen wie Politikwissenschaften, Geschichte, Sozialwissenschaften etc. gefordert, die jedoch „letztlich immer ungeklärt und in einzelnen Studien stecken geblieben ist“ (Altmayer/Koreik 2010a, 1378). Hinzu kommt, dass selbst wenn die Landeskunde stärker wissenschaftlich verankert ist, wie es z.B. innerhalb von französischen LEA-Studiengängen4 der Fall ist, auch dort die Unterrichtsinhalte von den Vorlieben der Lehrenden abhängen und es an qualifizierten Lehrkräften fehlt:

Aujourd’hui encore, l’enseignement de la civilisation est dans chaque université davantage le produit de situations et de qualifications locales, des intérêts propres aux enseignants sur place […]. Un observateur soulignait, en 1989, que la civilisation était reconnue comme le troisième pilier de la germanistique française, ‚l’un des problèmes majeur semble rester la qualification des enseignants, car il n’y a que très peu d’enseignants essentiellement civilisationnistes‘. (Martens 2006, 10)

Für den Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht und die sogenannte Auslandsgermanistik stellt Hille Ähnliches fest, da „gerade die Integration sozialwissenschaftlicher Aspekte in Lehre und Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache oft Schwierigkeiten bereitet, was bereits in der größtenteils eher geisteswissenschaftlich orientierten Ausbildung der Lehrenden begründet liegt“ (Hille 2009, 9).

Seitdem der cultural turn in den Geisteswissenschaften auch die Fremdsprachendidaktik erreicht hat und die Landeskunde in der Theorie und teilweise auch in der Praxis von kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen geprägt ist,5 hat sich das Problem auf eine andere Ebene verschoben, nämlich dass es in der Unterrichtspraxis schwerfällt, den fundierten kulturtheoretischen Überlegungen gerecht zu werden (vgl. Altmayer/Koreik 2010a, 1380). In den letzten Jahren hat sich zwar vor allem der Ansatz, mit Erinnerungsorten zu arbeiten, als durchführbar erwiesen, doch ist weiterhin festzustellen, dass auf den Niveaus A1 bis A2/B1 des GER die Umsetzung der Prämissen einer kulturwissenschaftlich orientierten Landeskunde problematisch ist (vgl. Kapitel 2.2.2).

Ein Blick auf die Geschichte des Landeskundeunterrichts zeigt, dass die Auffassung, was sinnvolle Inhalte und Ziele sind, stets im Zusammenhang mit übergreifenden Ansätzen in der Fremdsprachenvermittlung steht und unter Berücksichtigung der jeweiligen übergreifenden Zielvorstellungen von Fremdsprachenunterricht betrachtet werden müssen.6 Folgende landeskundlichen Ansätze lassen sich seit den 1950er Jahren ausmachen: der kognitive, der kommunikative und der interkulturellen Landeskundeansatz.7 In den letzten Jahren spricht man zudem von transkultureller und kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundedidaktik (vgl. z.B. Koreik/Pietzuch 2010, 1449f, Laurien 2010).8

Der kognitiv ausgerichtete Landeskundeansatz wird in der Regel zur Grammatik-Übersetzungs-Methode gezählt, deren übergreifendes Ziel formale Bildung und die Bekanntmachung der Lernenden mit fremden ‚Kulturen‘ ist (vgl. Christ 2010, 17f, Rösler 2012a, 68f). Die Kritik am Zahlen und Daten vermittelnden Landeskundeunterricht richtet sich vor allem gegen eine Unterrichtspraxis, in der Inhalte gelernt werden sollen, die für die Lernenden mitunter keine hohe Relevanz haben und für die Kommunikation in der Fremdsprache keine große Rolle spielen. Hinzu kommt, dass diese scheinbar objektiven Fakten unter Umständen, wie beispielsweise solche, die in Lehrwerken eingeführt werden, veraltet sein können.9 Darüber hinaus handelt es sich oftmals um Wissen, das auch L1-Sprecher nicht besitzen. Zwar könnte man meinen, dass letzteres Argument in Zeiten, in denen die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an muttersprachlichen Kompetenzen als nicht mehr zeitgemäß angesehen wird, an Argumentationskraft verloren hat, doch richtet sich die Kritik vor allem gegen kontextloses Faktenwissen, wie es z.B. in Lehrwerken für Integrationskurse (vgl. z.B. Schote 2011) behandelt wird. Auf die Frage, inwieweit die Vermittlung von Sachwissen im hier untersuchten Seminar sinnvoll ist, wird in Kapitel 6.2 näher eingegangen.

Von der Vermittlung von Fakten- bzw. Sachwissen wird im kommunikativen Ansatz Abstand genommen, der von Piepho (1974) angestoßen wurde. Landeskundliche Inhalte sind bestimmt von ‚Alltagskultur‘ und der Frage, welches landeskundliche Wissen der Lernende benötigt, um in der Alltagskommunikation ‚adäquat‘ kommunizieren zu können. Damit geht auch einher, dass die Thematisierung der sogenannten Hochkultur ersetzt wird durch eine Beschäftigung mit kulturellen Äußerungen, die mit dem sogenannten erweiterten Kulturbegriff beschrieben werden. Kritisiert wird am kommunikativen Ansatz die in der Unterrichtspraxis einseitige Orientierung an der Alltagskommunikation, die das ursprünglich hohe politische Ziel der Diskursfähigkeit, d.h. „die Fähigkeit von Menschen, an mehrsprachigen und komplexen gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben, sie mitbestimmen und mitgestalten zu können“ (Legutke 2010, 73), mit der Zeit ersetzt (vgl. Rösler 2012a, 77).

Im Zuge des interkulturellen Paradigmas des Fremdsprachenunterrichts, dessen Lehr- und Lernziel interkulturelle Kompetenz ist, rückte der Fokus auf die Vermittlung von Strategien im Umgang mit ‚fremden‘ Kulturen; Voraussetzung dafür sei nicht nur die Kenntnis des ‚Fremden‘, sondern zugleich auch die Auseinandersetzung mit dem ‚Eigenen‘. In den letzten Jahren entwickelte transkulturelle und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze können als eine Reaktion auf das Interkulturalitätsparadigma verstanden werden, da sie die primäre Zielvorstellung vertreten, der in Zeiten von Globalisierung und weltweiten Vernetzungen verstärkt erlebten Heterogenität von ‚Kulturen‘ eher gerecht zu werden als der interkulturelle Ansatz. Dieser wird

als eine die Realität verschleiernde Ideologie [betrachtet], die die tatsächlich herrschende Ungleichheit zwischen Minderheiten und Mehrheiten verdecke, faktische Diskriminierung kompensiere und somit rassistische Einwanderungspolitik unterstütze. (Hu 1999, 279)

Interkulturellen Ansätzen wird also in dieser Argumentation vorgeworfen, anstatt für die Überbrückung von ‚kulturellen Unterschieden‘ zu sorgen, diese zu verfestigen.10

Mit neueren, kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen liegen Versuche vor, die im Zuge der Globalisierung veränderten Ziele von Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und die daraus resultierenden Veränderungen im landeskundlichen Unterricht zu berücksichtigen. Den verschiedenen Ansätzen gemein ist, dass sie – meist implizit – von Landeskunde als integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts ausgehen. Landeskunde als eigenständiges, faktenvermittelndes Fach ist mittlerweile „verpönt“ (Koreik 2010a, 28), obwohl es an ausländischen Universitäten oft zum Curriculum gehört und daher eigentlich stärker in der fachdidaktischen Diskussion berücksichtigt werden sollte.

Beide Problembereiche der Landeskundedidaktik – sowohl die Frage nach den Inhalten als auch die nach der Wissenschaftlichkeit – finden ihren Ausdruck auch in dem Ringen um die Bezeichnung des Faches. An dieser Stelle sollen weder die unterschiedlichen Bezeichnungen aufgelistet werden, dies ist schon andernorts oft getan worden (siehe z.B. Maijala 2008, 15f), noch die (manchmal fundamentalen) Unterschiede zwischen den einzelnen Ausrichtungen behandelt werden. Zusammenfassend lässt sich indes feststellen, dass die Frage nach den Inhalten sich z.B. in Begriffen wie Länderkunde (versus Landeskunde – hier also als ein plurinational verstandenes Konzept), Realia oder Kulturkunskap niederschlägt und die nach wissenschaftlichen Ansprüchen in Landesstudien, Kulturstudien oder German studies.

Im Folgenden soll, wenn von dem Unterrichtsfach die Rede ist, mit dem Begriff Landeskunde operiert werden, Lernprozesse werden als ‚landeskundliches Lernen‘ oder synonym als ‚kulturbezogene Lernprozesse‘ bezeichnet. Der Begriff der Landeskunde kann zum einen als neutral betrachtet werden, der sich „obwohl er immer wieder in Frage gestellt wurde und noch wird, durchgesetzt hat“ (Maijala 2008, 16), gleichzeitig kann er als ein Oberbegriff für die verschiedenen Ansätze gelten, wie sich z.B. in dem 2010 erschienen internationalen Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zeigt, das verschiedene Ansätze unter der Überschrift „Landeskunde“ summiert (vgl. Krumm et al. 2010, 1441).

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation

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