Читать книгу Die Scharia - Christine Schirrmacher - Страница 10

Warum sind im Islam Recht und Religion so miteinander verzahnt?

Оглавление

Als Muhammad, der Gründer und Stifter des Islam, um das Jahr 610 n. Chr. in seiner Heimatstadt Mekka den Glauben an den einen Gott, Allah, und die Verantwortung jedes Menschen nach dem Tod predigte, tat er dies vor allem als Warner vor dem Gericht und als Mahner, der die arabischen Stämme dazu aufforderte, ihre Vielgötterverehrung aufzugeben und sich dem einen Gott zu unterwerfen. Von 610 bis 622 blieb Muhammad vor allem ein Verkünder ethischer Werte und Normen, die teilweise echte Neuerungen waren und im Gegensatz zum altarabischen Gewohnheitsrecht standen, teilweise Kompromisse mit angestammtem Recht darstellten.

Aber in diesen ersten zwölf Jahren der Verkündigung des monotheistischen Glaubens traf Muhammad auf viele Widersacher, ja Feinde, sodass seine Lage in seiner Geburtsstadt Mekka immer bedrohlicher wurde. Als er schließlich durch einen Boykott so unter Druck geriet und seine Anhänger und Unterstützer an Zahl weiter gering und wenig einflussreich blieben, wanderte er im Jahr 622 in die Nachbarstadt Medina aus. Dieses Jahr wurde die eigentliche Geburtsstunde des Islam.

In Medina fand Muhammad eine völlig andere Situation vor, er gewann Einfluss nicht nur als religiöser Prediger, sondern auch als Gesetzgeber und Heerführer.1 Er führte mehrere Angriffs- und Verteidigungskriege – gegen die dort ansässigen drei jüdischen Stämme sowie gegen mehrere arabische Stämme – und er schuf zahlreiche gesetzliche Vorgaben zur Ordnung des Gemeindelebens der ersten muslimischen Gemeinde in Mekka.

Aus diesem Grund begegnen uns im Koran vor allem in Medina religiöse wie rechtliche Aspekte, die Gottesverehrung betreffende wie gesellschaftliche Regelungen, die miteinander verzahnt sind. Glaube, Gesellschaft und auch Politik (d. h. vor allem Kriegsführung und Kampf gegen die Feinde der jungen Gemeinde) stellten im frühen Islam eine Einheit dar, die durch die Person Muhammads, des Gesetzgebers, Propheten und Heerführers symbolisiert wurde. Daher vereint das islamische Recht religiöse wie gesellschaftliche Aspekte.

Die Art und Weise der Religionsausübung – vor allem die für jedermann verpflichtende Befolgung der Fünf Säulen des Islam (Bekenntnis, Gebet, Fasten, Almosen, Wallfahrt) – sind keine eigentlichen Privatangelegenheiten, die in das Belieben des Einzelnen gestellt wären, sondern ebenso wie erb- und familienrechtliche Fragen Bestandteil der Scharia, ebenso wie das Strafrecht. Theoretisch müsste dementsprechend zwischen den arabischen Staaten, die sich doch alle ausdrücklich auf die Scharia als wesentliche oder sogar wie der Sudan, Jemen oder Libyen auf die Scharia als einzige Rechtsgrundlage berufen, Übereinstimmung in der Behandlung konkreter Rechtsfragen bestehen. Das ist jedoch gar nicht der Fall.

Die Scharia

Подняться наверх