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I Was ist die »Scharia«?

Vor wenigen Jahren hätten die meisten Menschen in Deutschland wohl noch ein Lexikon bemühen müssen, um den Begriff »Scharia« nachzuschlagen. Seit Kurzem jedoch, insbesondere seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001, taucht der Begriff in Presse- und Medienberichten immer stärker auf – aber ist er inhaltlich auch klarer geworden?

Häufig wird er als Schlagwort benutzt, um den Einfluss des Islam in Deutschland zu beschreiben. Nicht alles, was mit dem Islam zusammenhängt, hat aber auch mit dem Thema Scharia zu tun. Manches gehört eher in den Bereich gesellschaftlicher Entwicklungen, die durch die Gastarbeitermigration ab den 1960er-Jahren lange unbemerkt und auch bewusst ignoriert vor sich gingen, bis sich heute endlich in aller Klarheit abgezeichnet hat, dass eine Zahl von rund 3,2 bis 3,4 Mio. Muslimen (mit steigender Tendenz) dauerhaft in Deutschland und etwa 16 bis 20 Mio. Muslime in ganz Westeuropa leben werden. Damit betrifft das Thema der Scharia nicht mehr nur Nahostexperten und Islamwissenschaftler, sondern eigentlich jeden, der in Europa und in Deutschland lebt.

Insbesondere für den juristischen Bereich ist die Thematik von Belang. So hat sich die Rechtsprechung in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur mit Urteilen zum lautsprecherverstärkten Gebetsruf, zum Moschee- und Minarettbau und zum Kopftuch beamteter Lehrerinnen beschäftigt, sondern auch mit der Erlaubnis zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Tieren, mit Ehrenmorden, Zwangsheiraten und Befreiungen von Klassenfahrten, Schulsport und Biologieunterricht. In arabischen Ländern erben Frauen häufig nur die Hälfte, ihr Zeugnis in Strafrechtsprozessen ist vor Gericht nur eingeschränkt oder gar nicht rechtsgültig, sie werden bei Anklage wegen Ehebruchs härter bestraft und können in vielen Ländern nichts gegen eine Zweit- oder Drittheirat ihres Ehemannes oder ihre Verstoßung und den Entzug ihrer Kinder nach der Scheidung unternehmen.

Das alles hat mit der Scharia zu tun, ohne dass wir einen Rechtstext oder ein Gesetzbuch der Scharia aufschlagen und diese Vorschriften darin finden würden. Die Scharia ist kein in Rechtstexte gegossenes Buch von Vorschriften, aber auf der anderen Seite auch keine unbestimmbare, verschwommene Größe, die nur in der Theorie existierte. Sie ist einerseits interpretierbar und damit prinzipiell flexibel, andererseits stammen ihre Wurzeln aus der Zeit des 7. bis 10. Jahrhunderts n. Chr.

Manche Frauenrechtlerinnen oder Menschenrechtsaktivisten betonen, dass der Islam gar nichts mit einer Unterdrückung der Frau zu tun habe und die Scharia ihre rechtliche Benachteiligung eigentlich nicht vorsähe, sondern diese einer frauenfeindlichen Interpretation zuzuschreiben sei. Ist die Scharia also in ihrer Reinform ein Werkzeug der Gleichberechtigung und ein Hort der Freiheit, der nur durch Machtmissbrauch und Fehlinterpretation zum Unterdrückungsinstrument in der Hand politischer wie religiöser Eliten wird?

Dieses Buch legt in allgemein verständlicher Weise dar, was die Scharia ist, wie sie sich ursprünglich entwickelte und wie sie heute interpretiert wird, welche Themenbereiche sie abdeckt und wozu sie sich nicht äußert und was das für das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Europa bedeutet.

Die Scharia

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