Читать книгу Geheimdienste, Agenten, Spione - Christoph Franceschini - Страница 18
Die Abschaltung
ОглавлениеDer ursprüngliche Plan, dass man nach der Klärung in der ČSR so weiterarbeitet, als wäre nichts passiert, geht am Ende nicht auf. Für Hans Morandell sind die zwei Wochen Zwangsaufenthalt in Böhmen und die Behandlung ein schwerer Schock. Am 25. Juni 1953 schreibt „Korsičan“ seinem StB-Führungsoffizier „Jaroslaw Hrazky“ einen langen verbitterten Brief. Darin heißt es:
Ich bin sehr erbittert und enttäuscht von Ihnen: Ich habe immer bei großem Risiko Ihre Aufträge erfüllt: Jetzt sehe ich, dass sie kein Vertrauen mehr in mir haben und ich keines zu ihnen mehr haben kann. Scheinbar will Primo [Das ist der Deckname, den Uffreduzzi sich gegeben hat – Anm. d. Autors] trotz der Behandlung, die sie ihm gaben, noch für sie arbeiten: Das kann er tun, aber ich will nicht mehr sein Kurier sein. […] Ich will Primo nicht gleich sagen, dass ich nichts mehr tue, weil ich trotz allem die Arbeit nicht schädigen will: Ich werde ihm sagen, dass mich eventuell mein Vetter vertreten kann: mein bratraneo [slowakisch für „Cousin“, Morandell meint damit Edgar Meininger – Anm. d. Autors] ist nicht so schlecht behandelt worden wie ich und würde vielleicht weitermachen. Deshalb werde ich ihm schreiben und dies in die Wege leiten – falls wir das ausständige Geld bekommen.
Das ist das Letzte, was ich für Sie tun werde. Wahrscheinlich bekomme ich bald eine Arbeit in Schweden für den Sommer.
Indem ich mich von Ihnen verabschiede, kann ich mich wirklich nicht bedanken für diese verlorenen 4 Jahre und für die vielen nicht eingehaltenen Versprechungen. Ich verachte Leute, die ihr Wort nicht halten!96
Damit endet die StB-Karriere des StB-Agenten „Korsičan“. In seinem Personalakt findet sich noch eine Anmerkung:
Die Zusammenarbeit mit der Vertrauensperson wurde unterbrochen und er wurde am 19. Oktober 1953 aus dem Register der bezahlten Agenten gestrichen.97
Auch Massimo Uffreduzzi kehrt nicht mehr in die ČSR zurück. In seinem Akt findet sich noch ein Brief vom 4. September 1953, danach wird auch „Hrabec“ vom StB abgeschaltet. Edgar Meininger alias „Pedel“ versucht eine Weile den Kontakt aufrechtzuerhalten. Er schreibt mehrere Briefe an seinen StB-Führungsoffizier, die aber allesamt unbeantwortet bleiben. Anfang 1954 endet auch seine Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit.
Aber auch für alle anderen Südtiroler Agenten des Netzwerks ändert sich im späten Frühjahr 1953 die Zusammenarbeit mit dem StB grundlegend. Zur selben Zeit, als man in Pohořelice „Korsičan“ und in Mikulov „Hrabec“ in die Mangel nimmt, wird Erich Bertol vom StB in Znojmo verhört. Auch Agent „Sizunk“ schreibt und unterzeichnet in ungelenkem Deutsch am 21. Mai 1953 eine handschriftliche Erklärung.
Ich Unterfertigter Erich Bertol erkläre hiermit, dass ich in der weiteren Mitarbeit mit dem tschechoslowakischen Nachrichtendienst nur ehrlich weiterarbeiten werde und nie Betrügereien auszuführen versuchen werde. Ich bin bewusst darüber welche Folgen ich haben werde im Falle, dass ich Betrügereien aufführen werde.
In der weiteren Zusammenarbeit werde ich mich nach den Instruktionen richten, die ich von meinen Vorgesetzten erhalten werde. Ich weiß welche Gefahren mir drohen würden von Seiten der Westmächte im Falle, dass ich von dieser Arbeit mit jemand sprechen würde und deshalb werde ich vermeiden meine alten Kameraden und Mitarbeiter aufzusuchen und über die Arbeit sich zu interessieren.
Mit der Belohnung, die ich von dieser Arbeit bekomme, werde ich vorsichtig wirtschaften damit keine Verdachte auf mich fallen werden.98
Friedrich Stefaner korrespondiert 1953/54 noch unter seinem Aliasnamen „Franz Trenker“ mit dem StB über die Deckadresse „Martha Sottolar, Tabor 30, Brno, ČSR.“ Er liefert dabei immer wieder auch Berichte. Aber auch ihm misstraut der StB längst. Im Sommer 1954 kündigt der Agent seine Reise nach Brünn für den 14. September 1954 an und bereits am nächsten Tag unterschreibt auch Friedrich Stefaner eine Erklärung, mit der er die Zusammenarbeit mit dem StB unfreiwillig beenden muss:
Ich Stefaner Fritz erkläre, dass ich nicht mehr in die C. S. R. kommen darf. Ich bin mir bewusst, dass, falls ich ohne Einladung komme, [ich] nach dem Gesetz bestraft werden kann.99
Ein besonderes Auge wirft der StB auf Heinrich Berger. Es gibt deutliche Hinweise, dass Agent „Tryska“ nicht mit offenen Karten spielt. Bereits im Sommer 1952 schreibt Hans Morandell in einem Brief an seinen StB-Führungsoffizier, dass „Berger ein Doppelspiel betreibe“ und seine beiden Mitstreiter Alfredo Macchia und Hermann Larcher „für die italienische Polizei“ arbeiten.100 Im Februar 1953 kommt Heinrich Berger zu seinem letzten Treffen mit dem StB nach Brünn. Weil er zu weiteren Treffen nicht mehr erscheint, bricht der Nachrichtendienst die Zusammenarbeit auch mit ihm ab. Im Oktober 1953 schlägt der Führungsoffizier die Streichung „Tryskas“ aus dem Informantenregister und seine Abschaltung vor. Doch Anfang 1954 meldet sich Heinrich Berger plötzlich wieder beim StB – mit einer besonderen Überraschung. Das Schreiben Bergers an seine Verbindungsadresse „Anton Zigmund, Krenova 42, Brno“, das er mit seinem Decknamen „Günther Dalmonte“ unterzeichnet, ist auf dem offiziellen Briefpapier der italienischen Botschaft in Wien verfasst. „Ambasciata d’Italia in Austria, Wien, III, Rennweg 27“ steht auf dem Kuvert. Am 11. Februar 1954 kündigt „Tryska“ dann per Telegramm an, dass er nach Brünn kommt. Der Text: „Dalmonte Günthers – Ankunft bestimmt am 19. Feber 1954 – Dringend.“101 In einer handschriftlichen Notiz, die sich in seinem Akt findet, warnt der StB vor einer „Provokation“ des italienischen Nachrichtendienstes. Deshalb ist man diesmal besonders vorsichtig. Als Heinrich Berger in der Nacht des 19. Februar bei Šatov illegal die grüne Grenze überquert, wird er nicht von seinem StB-Führungsoffizier erwartet, sondern von den tschechoslowakischen Grenzbeamten verhaftet und in das Bezirksgefängnis nach Znojmo gebracht. Die gesamte Aktion ist bewusst inszeniert, um „Tryska“ zu verunsichern. Erst nach einem Tag im Gefängnis wird er vom StB abgeholt und in eine sichere Wohnung nach Klentnice gebracht. Im Verhör mit seinem StB-Führungsoffizier erklärt Heinrich Berger, dass er 1953 keine Gelegenheit mehr gehabt hätte, Dokumente und Informationen zu besorgen und er sich deshalb nicht mehr gemeldet hätte. Im Protokoll heißt es weiter:
Hans Morandell alias „Korsičan“: Handschriftliche Erklärung mit Fingerabdruck und Foto.
Der Vertraute erklärte dann, dass seine Frau krank sei und dass sie sich in großer finanzieller Not befinden. Er beschloss deshalb in die Tschechoslowakei zu gehen, wo er vermutet, dass er für seine vergangene gute Arbeit Hilfe bekommen wird.102
Dann tischt „Tryska“ eine sensationelle Geschichte auf. Heinrich Berger erklärt, dass er am 12. Januar 1954 seinen Dienst als Angestellter der italienischen Botschaft in Wien aufgenommen habe. Sein Arbeitsplatz sei am Empfang, wo er den Telefondienst mache und Besuche ankündige. Sein monatliches Gehalt betrage 1.200 Schilling sowie Essen und Wohnung. Er lebe und wohne im Gebäude der italienischen Botschaft am Rennweg. Daher biete er dem StB seine Dienste an. Seinem Führungsoffizier erklärt Berger, dass vor allem am Sonntag die Botschaft sehr oft unbeaufsichtigt bleibe und es für ihn nicht sehr schwierig sein würde, einen Schlüssel für den Tresor zu beschaffen. Er würde dann Fotos von Dokumenten liefern können. Zudem würde er Mitte März eine Dienstreise in die Türkei mitmachen. Auch dabei wolle er für den tschechoslowakischen Nachrichtendienst tätig werden. Doch der StB ist längst vorgewarnt. Hans Morandell hatte mehrmals darauf hingewiesenen, dass „Tryska“ ein Doppelspiel treibt.
Man fragt Berger über die Vorgänge in der Botschaft und die Namen des Personals aus, und als er nicht einmal den Namen des Botschafters nennen kann, ist für die Nachrichtendienstler klar, dass es sich hier um eine Aktion des italienischen Nachrichtendienstes handelt. Berger dürfte über seine Kontakte zum SIFAR Kontakte zum Briefpapier der Botschaft gekommen sein. Ob es die zeitweilige Anstellung in Wien wirklich gab, konnte der Autor nicht nachprüfen. „Der Fall scheint eine Provokation zu sein“, schreibt der StB-Führungsoffizier in seinem Dienstbericht. Und weiter: „Ich reagierte passiv auf seine Angebote und erklärte ihm, dass wir uns melden werden, falls wir interessiert sind.“ Man überlegt ernsthaft, Heinrich Berger in der ČSR zu verhaften, doch weil man kaum Beweise in der Hand hat, bringt man Agent „Tryska“ am Abend des 21. September an die Grenze, wo er zurück nach Österreich geht.103 Zwei Monate später wird der Akt „Tryska“ geschlossen. In einem „Endbericht zum Fall Heinz Berger“ kommt die StB-Zentrale in Prag dabei zu einem vernichtenden Resümee:
Berger ist der Fall eines nicht ordnungsgemäß verwalteten Agenten. In dem Bestreben, sein Netzwerk zu erweitern, erlaubte die Führung die Bildung eines SubNetzwerks. Der Informant wurde nicht konsequent und systematisch überprüft, man unternahm keine Schritte, um gewisse Zweifel vollständig zu klären und die Zusammenarbeit rechtzeitig auszusetzen, um ernsthafte Bedrohungen des gesamten italienischen Netzes zu verhindern.
Dieser Fall zeigt, dass die sogenannten Hauptagenten des italienischen Netzes höchstwahrscheinlich von feindlichen Geheimdiensten kontrolliert werden. Weniger wahrscheinlich ist es, dass es sich nur um Geheimdienstbetrüger handelt, die überwacht werden, um sie dann nach Abklärung ihrer Kontakte zu verhaften.104
Der Bericht bringt ein interessantes Detail am Rande ans Licht: Geheimdiensten ist voll bewusst, dass sich ihnen auch Betrüger andienen, die kaum verwertbare oder falsche Informationen liefern. Doch lässt man diese gewähren und überwacht sie, um ihre Kontaktpersonen zu erfahren. Zu einer Verhaftung kommt es erst dann, wenn sie diesen Zweck erfüllt haben und für den Dienst nutzlos werden.