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SVP-Sitz auf Landeskosten

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Das „Ufficio per le Zone di Confine“ (UZC) wird 1946 von Regierungschef Alcide Degasperi gegründet. Das direkt beim Ministerrat angesiedelte Büro für Grenzzonen kümmert sich vorwiegend um zwei Gebiete: die Regionen Julisch Venetien und Trentino-Südtirol. Erster Leiter des UZC wird Silvio Innocenti, der 1946 Präfekt in Bozen war und somit die Südtiroler Situation bestens kennt. Das UZC ist nicht nur das technische Amt, das maßgeblich an der Ausarbeitung des Ersten Autonomiestatutes für die Region Trentino-Südtirol beteiligt ist, sondern das UZC – später in „Ufficio Regioni“ umbenannt – entwickelt sich bis zu seiner Auflösung im Jahr 1967 zu einer Art Schaltzentrale einer verdeckten Politik in den Regionen mit ethnischen Minderheiten. Vor allem in den 1950er-Jahren pumpt die Regierung über das UZC sehr viel Geld nach Istrien und Südtirol. Verdeckt werden Vereine, Institutionen und Programme gefördert, um die „Italianità“ dieser Gebiete zu stärken. In Südtirol werden nicht nur Dutzende italienische Pfarreien finanziert, es fließen auch Gelder für die Restaurierung des Siegesdenkmals (1948) oder in die Presseförderung – etwa an die italienische Tageszeitung „Alto Adige“ oder die deutschsprachige Wochenzeitung „Der Standpunkt“.51

Ein Blick in das UZC-Archiv, das erst in den vergangenen Jahren durch die Südtiroler Historiker Andrea Di Michele und Giorgio Mezzalira vorbildlich erschlossen wurde, erlaubt auch Rückschlüsse auf den wirklichen Kenntnisstand der italienischen Sicherheitsbehörden in diesen Jahren. Denn im UZC laufen in diesen Jahren alle vertraulichen und geheimen Informationen zu und um Südtirol zusammen.

Wie gut man dabei über Interna aus der Südtiroler Volkspartei informiert ist, wird am Bericht mit dem Titel „Besondere Situation in Südtirol – Kommentar der SVP zur Ernennung des neuen US-Botschafters in Italien“ vom 8. Dezember 1956 klar.52 Zum Jahreswechsel 1956/57 wird nämlich bereits bekannt, dass der US-Botschafter in Rom ausgetauscht wird. Auf die Botschafterin Claire Boothe Luce folgt James David Zellerbach. Obwohl Zellerbach seinen Posten als US-Botschafter in Rom erst Anfang Februar 1957 antritt, ist seine Ernennung bereits Thema auf einer Parteileitungssitzung der SVP. Im Bericht vom Dezember 1956 heißt es dazu:

Eine sehr glaubwürdige Quelle teilt mit, dass im Laufe einer kürzlich in Bozen abgehaltenen Sitzung, die der Parteiführung vorbehalten war, die SVP-Vertreter neben lokalen Fragen auch die Auswirkungen erörtert haben, die die Ernennung des neuen Botschafters der USA auf die Südtirolfrage haben könnte.

Man hat dabei mit Wohlwollen kommentiert, dass die Wahl des neuen Botschafters auf Zellerbach gefallen ist, weil:

er ist deutscher Abstammung, deshalb geht man davon aus, dass er gefühlsmäßig den Problemen der deutschen Volksgruppe in Südtirol positiv gegenübersteht;

er im Mai 1949 als Mitglied der E. C. A.-Mission [Economic Cooperation Administration, ein Teil des sogenannten Marshall-Planes – Anm. d. Autors] Südtirol besucht hat und dabei persönlich einige der aktuellen SVP-Vertreter kennengelernt hat.

Zusatz: Man sagt, dass damals der Regionalratsabgeordnete Dr. Alfons Benedikter über gemeinsame amerikanische Freunde deutscher Herkunft freundschaftliche Kontakte mit Herrn Zellerbach aufgenommen habe, um die Genehmigung eines wirtschaftlichen Wiederaufbauplanes für die Provinz Bozen anzuregen, der diesem auch gleich vorgestellt wurde. Es geht aber nirgends hervor, dass nach diesem Plan die Südtiroler Wirtschaft durch einen direkten amerikanischen Eingriff gestärkt worden ist.

Bisher gibt es keine Nachrichten über konkrete Initiativen vonseiten der SVP-Vertreter, die direkte Bekanntschaft mit Herrn Zellerbach auszunutzen.53

Wie genau das Innenleben der SVP beobachtet wird und man auch auf Informanten aus Österreich zurückgreift, zeigt ein Bericht über eine vertrauliche Versammlung des „Bergisel-Bundes“ (BIB) am 8. Juni 1959 in Salzburg. An der Sitzung nehmen rund 20 Personen teil, unter diesen auch der Landessekretär der SVP Hans Stanek. Ihm gilt die besondere Aufmerksamkeit des Informanten. Im Bericht – der wie die meisten dieser Informationen auch dem italienischen Außenminister Giuseppe Pella zur Kenntnis zugeht – werden die Aussagen wiedergegeben, die der SVP-Landessekretär während der Besprechung macht. Unter anderem stellt Stanek in Salzburg auch die schwierige finanzielle Situation seiner Partei dar.

Als Dr. Stanek auf die finanzielle Situation seiner Partei zu sprechen kam, hat er diese als durchaus kritisch bezeichnet, obwohl man 30.000 Mitglieder habe. Die politische Kampagne, die die Partei gestartet hat, auch auf internationaler Ebene, erfordert große finanzielle Anstrengungen; deshalb müssten auch in Österreich Hilfsgelder dafür gesammelt werden. Die Geldmittel, die aus Deutschland kommen, dürfen nur für kulturelle und nicht für politische Zwecke verwendet werden.54

Die Gelder, die aus dem deutschsprachigen Ausland nach Südtirol fließen, und die Finanzen der SVP sind ein immer wiederkehrendes Thema in den vertraulichen Berichten. So auch, als es um den neuen Parteisitz geht, der auf Kosten des Landes errichtet werden soll. Ende der 1950er-Jahre steht nämlich eines der größten Hotels von Bozen zum Verkauf. Das Hotel Bristol, mitten im Zentrum von Bozen, in der Nähe zum Palais Widmann, dem damaligen Sitz der Quästur (Dienststelle der Staatspolizei) und heutigem Sitz der Landesregierung gelegen, erregt nicht nur die Aufmerksamkeit der Baulöwen. Das Hotel wird 1961 abgerissen. In mehreren geheimen Berichten geht es bereits zwei Jahre zuvor um die geplante Immobilienoperation. Am 29. September 1959 schickt der Generalkommandant der Carabinieri Luigi Lombardi zwei vertrauliche Informantenberichte an den Staatssekretär im Ministerratspräsidium Carlo Russo. In einem dieser Berichte heißt es:


Quästur Bozen (im Palais Widmann): Verdeckter Kanal ins UAR.

Die Südtiroler Landesregierung hat soeben die Verhandlungen zum Kauf des Hotels „Bristol“ in Bozen um die Summe von 100 Millionen Lire abgeschlossen. Das Hotel soll dem deutschen Kulturverein „Kulturheim“ als Sitz zugewiesen werden, dessen Präsident der SVP-Abgeordnete Karl Mitterdorfer ist. Der endgültige Kaufvertrag wird in den nächsten Tagen unterzeichnet werden.

Da die Leitung der SVP aus dem derzeitigen Sitz in der „Villa Brigl“ ausziehen muss, wird es als sicher angenommen, dass das Haus von ihr besetzt wird – auch aufgrund der Abmachungen, die bereits mit dem Verein „Kulturheim“ getroffen wurden. Die neue Ansiedelung der SVP würde damit auf Kosten des Landes gehen, mit vorhersehbaren negativen Reaktionen der öffentlichen Meinung.55

Für das Innenleben der SVP interessiert sich auch der Bozner Quästor, der periodisch Berichte an das Innenministerium nach Rom schickt. Der Polizeichef leitet diese Berichte mit dem Titel „Notizie dell’Alto Adige“ auch an den italienischen Außenminister und das UZC weiter. Die Berichte basieren auf Meldungen der Informanten der Bozner Quästur und drehen sich vor allem im Jubiläumsjahr 1959 um eine Art Radikalisierung der Volkspartei:


Schreiben von Quästor Giuseppe Testa alias „Schatten“: „Natürlich weiß keiner der beiden vom Annäherungsmanöver an den anderen.“

Die Situation in Südtirol wird immer verzwickter […] Die Propaganda wird vor allem unter den Jungen immer stärker und führt bei diesen zu einem aufgepeitschten Geisteszustand. Das merken jetzt auch die Spitzen der SVP. Manche von ihnen fürchten die Folgen ihrer Handlungen, auch weil sie um ihre Stellung und ihr Ansehen zittern und Angst haben, von diesen Jungen überrannt zu werden.

Sicherlich auf Nadeln sitzt deshalb Dr. Silvius Magnago, weil seine Technik – die man am besten mit dem Spruch aus dem Volksmund „Es allen recht machen zu wollen“ [Original: colpo alla botte e quello al cerchio] zusammenfassen kann – seit einiger Zeit von diesen aufbrausenden Jungen durchschaut wurde, die jetzt drohen, ihn als SVP-Obmann zu stürzen und auch als Landeshauptmann, was für ihn noch mehr zählt.56

Dass der Informant mit dieser Einschätzung eindeutig daneben liegt und Silvius Magnago noch drei Jahrzehnte lang Landeshauptmann bleiben wird, kann man zu diesem Zeitpunkt nicht wissen.

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