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Bezahlter Standpunkt
ОглавлениеDas UZC finanziert eine Südtiroler Zeitung und mehrere Redakteure arbeiten auch für den SIFAR.
Am 29. August 1947 erscheint erstmals eine neue Zeitung in Südtirol. „Der Standpunkt“ ist eine Wochenzeitschrift, die sich zehn Jahre lang halten wird, bekannte Journalisten, Literaten und Denker vereint und eine Verbreitung im gesamten deutschsprachigen Sprachraum anstrebt. Gegründet wird die Zeitung von Hans Fuchs, Erbe der Besitzerfamilie der Bierbrauerei Forst bei Meran. Der Südtiroler Historiker Philipp Trafojer hat bereits vor über 20 Jahren die Geschichte dieses Medienprojekts detailliert nachgezeichnet.45 Seine Untersuchung trägt den Titel „Der Standpunkt. Politisch-historische Analyse über Funktion, Form und Wirkungsweise eines Propagandamediums“. Denn die Wochenzeitschrift wird in Wirklichkeit vom „Ufficio per le Zone di Confine“ (UZC) finanziert und gefördert. Es ist vor allem Silvio Innocenti, der dieses Projekt vorantreibt. Der ehemalige Präfekt von Taranto wird am 9. Jänner 1946 als neuer Präfekt nach Bozen geschickt. Innocenti erkennt von Anfang an die Bedeutung propagandistischer Maßnahmen in der Auseinandersetzung um Südtirol. Er beginnt bereits in seiner Rolle als Präfekt, durch die Gründung italienfreundlicher Parteien, Organisationen und Medien einen Gegenpol zur SVP und zum Athesia-Verlag zu schaffen. Als erster Leiter des UZC verstärkt er diese Anstrengungen noch deutlich. „Der Standpunkt“ wird in der Druckerei SETA gedruckt, der auch die Bozner Tageszeitung „Alto Adige“ gehört. Über diese Schiene läuft dann auch ein Teil der direkten Geldzuwendungen an die Zeitschrift.
Einer der Köpfe des „Standpunkt“ ist von Beginn an Alfred Boensch. Boensch war vom Deutsch-Akademischen Austauschdienst noch vor dem Krieg als Lektor für deutsche Sprache nach Italien geschickt worden. 1940 ist er als Professor für Deutsch an der Universität Cagliari tätig. Während des Krieges dient er in der deutschen Mittelmeermarine als Übersetzer. Bei Kriegsende befindet er sich am Levico-See im Trentino – dem letzten Hauptquartier der deutschen Marine. Boensch versteckt sich in der darauffolgenden Zeit am Trentiner Landgut Fontanasanta der Neumarkter Familie von Lutterotti.46
Alfred Boensch steigt in der Hierarchie der „Standpunkt“-Redaktion schnell auf. Als verantwortlicher Redakteur ist er am Ende der Chefpropagandist des Blattes. Als die Wochenzeitung 1957 eingestellt wird, übernimmt die Tageszeitung „Dolomiten“ den deutschen Journalisten. Alfred Boensch schreibt Dutzende Bücher über Südtirol, Festschriften für den Alpenverein Bozen und Meran und ist als Übersetzer tätig. Der Mann wird als Journalist bis zu seinem Tod in Südtirol überaus geschätzt.
Meraner Wochenzeitung „Der Standpunkt“: Alfredo Bitti und „Krasnoff “ als Informanten.
Maria von Lutterotti erzählt dem Historiker Philipp Trafojer, dass Boensch sich schon in Fontanasanta immer sehr bedeckt hielt. So trat er ausschließlich unter dem Namen Bitti auf. Auf diesen Namen war auch ein Personalausweis ausgestellt. Auch seine Artikel im „Standpunkt“ zeichnet Alfred Boensch anfänglich als Alfred Bitti. Allgemein ging man davon aus, dass seine nationalsozialistische Vergangenheit der Grund für diese Tarnung sei.47 Dass man damit durchaus richtig liegt, zeigt sich in den Akten des italienischen Nachrichtendienstes SIFAR. Dort heißt es:
Weil er Angst vor einer Inhaftierung durch die Alliierten hat und deshalb nicht mehr nach Deutschland zurückkehren will, nahm er die falschen Personaldaten von Alfredo Bitti an.48
Diesen Aliasnamen entlehnt Alfred Boensch von seiner Frau Maria Domenica Bitti, die er 1947 heiratet. Als Alfredo Bitti arbeitet der deutsche Journalist ab 1948 auch als Zuträger für das SIFAR-Büro Verona. „Eine sehr gebildete Person, die auf sehr breite Bekanntschaften in Rom und in anderen Orten Italiens zählen kann“, beschreibt der SIFAR seinen Zuträger. Boensch ist nicht der einzige SIFAR-Informant in den Reihen der „Standpunkt“-Redaktion. Jahrelang schreibt auch ein Autor unter dem Pseudonym „Krasnoff“ für die Meraner Wochenzeitung. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich Walter W. Krause, ein deutscher Journalist, der 1948 in Triest als Übersetzer für die US-Army arbeitet. 1953 geht er dann in den Fernen Osten, zuerst nach Teheran und dann nach Afghanistan und Pakistan. Walter W. Krause, der auch für die deutschen Magazine „Der Spiegel“ und „Stern“ arbeitet, schreibt mehrere Bücher über Afghanistan und den Iran. Und auch Krause arbeitet als Informant und Zuträger für das SIFAR-Büro Verona.49
Ich kann dir aber versichern, dass nichts unversucht gelassen wird, um wenigstens eine der genannten Personen anzuwerben.50
Dabei ist das UAR beileibe nicht die einzige Behörde, die die SVP in diesen Jahren überwacht.