Читать книгу Verhaltensbiologie - Christoph Randler - Страница 22

2.3.1 | Beobachtungen

Оглавление

Bei Beobachtungen wird das Verhalten von Tieren beschrieben und analysiert. Aus diesen Beschreibungen werden dann Schlussfolgerungen gezogen, wie z.B. Erklärungen und Vorhersagen. Ein Beispiel: Beobachtet man, dass Amseln (Turdus merula) flüchten, sobald sich ihnen eine Hauskatze (Felis catus) nähert, so kann man die Fluchtdistanz von Amseln ermitteln, in dem man bei zahlreichen «Amsel-flieht-vor-Katze»-Beobachtungen misst, wie nahe die Amsel die Katze herankommen lässt, bevor sie davonfliegt. Die anschließend ermittelte durchschnittliche Distanz – die Fluchtdistanz – erlaubt dann Voraussagen über künftiges Verhalten von Amseln. In anderen Worten: Sie erlaubt die Prognose, dass eine Amsel davonfliegen wird, falls sich ihr eine Katze auf eine bestimmte Distanz nähert (Wenn-Dann-Logik). Beobachtungen dieser Art sind fast immer beschreibend. Sie können zwar hilfreich sein, um erste Anhaltspunkte zur Erklärung von Verhalten zu generieren, sind aber oft sehr allgemein und bringen nur beschränkte Erkenntnis.

Verhaltensbiologen testen solche, auf Beobachtung basierende Hypothesen auf verschiedene Weisen (verändert nach Dawkins 2007):

• Vergleiche von Individuen innerhalb einer Art (Variation zwischen Individuen): Dabei werden verschiedene Individuen beobachtet, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen; man würde also jeweils verschiedene Amseln beim Zusammentreffen mit einer Katze beobachten, um zu sehen, ob die Amsel ab einer bestimmten Distanz immer vor der Katze flieht oder nicht. Man kann davon ausgehen, dass zwischen den Individuen Unterschiede in der Fluchtdistanz bestehen, dass also nicht alle Amseln bei der exakt gleichen Entfernung flüchten.

• Vergleiche desselben Individuums in verschiedenen Kontexten: Hierbei werden dieselben Individuen betrachtet, aber in verschiedenen Situationen, um herauszufinden, welchen Einfluss diese haben. Bei derselben Amsel wird also einmal die Fluchtdistanz beobachtet, wenn sie Junge zu versorgen hat, und ein weiteres Mal, wenn diese ausgeflogen sind. So kann man den Einfluss der Jungenaufzucht auf die Fluchtdistanz untersuchen.

• Vergleiche zwischen verschiedenen Arten: Hier werden z.B. verschiedene Vogelarten beobachtet und ihre Reaktion auf Katzen protokolliert, um zu vergleichen, ob baumbewohnende Vogelarten anders auf die Anwesenheit einer Katze reagieren als bodenbewohnende.

Abb. 2-2 | A) Katze (Felis catus), B) Amsel (Turdus merula). Fotos: C. Randler.


| Abb. 2-3

Häufigkeit verschiedener Tiergruppen und Methoden in der Verhaltensbiologie. (Neu gezeichnet nach Owens 2006.)


Lässt sich weiter feststellen, dass Amseln bei einer Katze eine größere Fluchtdistanz haben als bei einem Menschen, so kann aus den Beobachtungen selbst keine Erklärung für dieses Verhalten hergeleitet werden; es bleibt bei der rein deskriptiven Feststellung, dass sich die Amsel so verhält, wie sie es nach den Beobachtungen eben tut. Man könnte aber vermuten, dass Menschen für die Amsel weniger bedrohlich sind. Eine weitere Schwierigkeit von Beobachtungen besteht darin, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterschiedliche Fluchtdistanz bei Katzen und Menschen gar nichts mit dem Typus eines Prädators zu tun hat, sondern die Ursache eine andere ist – beispielsweise, dass Katzen auf die Amsel bedrohlicher wirken als Menschen, weil sie sich anders bewegen (z.B. anschleichen).

Weil solche unbekannten Variablen also stets einen Einfluss haben können, muss bei Beobachtungen klar getrennt werden zwischen Datenauswertung und Interpretation. In unserem Beispiel könnte man also aussagen, dass Amseln vor Katzen früher fliehen als vor Menschen. Dies wäre die korrekte Darstellung. Eine Interpretation wäre dann, dass dies an der unterschiedlichen Gefährdungssituation liegt. Solche Interpretationen sind zulässig, dürfen jedoch nicht mit der reinen Sachaussage vermengt werden. Um die Hypothesen genauer zu untersuchen, könnte man schauen, ob Amseln im Wald eine andere Fluchtdistanz gegenüber Menschen haben als Amseln in der Stadt, und wiederum vermuten, dass ein solcher Unterschied an der Gewöhnung an den Menschen liegt (Habituation, → Kap. 9.1). Man könnte aber genauso gut vermuten, dass im Wald generell ängstlichere Amseln leben und nur die «mutigeren» es geschafft haben, in der Stadt zu leben. Es gibt also stets viele verschiedene Variablen, die bei einer Beobachtung nicht erfasst und kontrolliert werden können. Ungeachtet vieler moderner Methoden und Arbeitsweisen werden in der Verhaltensbiologie vornehmlich Beobachtungen eingesetzt (Owens 2006, → Abb. 2-3).

Verhaltensbiologie

Подняться наверх