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2.3.2 | Erkenntnisgewinn durch Experimente

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Experimente gelten als der Königsweg der naturwissenschaftlichen Forschung, da die Hypothesen, die in Experimenten getestet werden, von den Forschern direkt aus der Theorie (oder aus der Literatur) entwickeln werden. Die Hypothesen werden in einer kontrollierten Umgebung getestet und dabei meist in einer, seltener auch in zwei oder mehreren Faktoren systematisch variieren. In unserem Amsel-Katzen-Beispiel würde man also versuchen, alle Aspekte möglichst gleich zu halten und nur eine Variable – den Prädator – zu ändern. Das beobachtete Verhalten der Amsel (d. h. deren Fluchtdistanz) wird dabei beobachtet und protokolliert. In einem zweiten Experiment (an einem anderen Tag) würde man dann einen Menschen in den Lebensraum der Amsel einbringen und wiederum ihr Verhalten protokollieren. Aus den durch diese beiden Experimente gewonnenen Daten könnte dann die Hypothese getestet werden, dass Amseln vor einem Menschen später fliehen als vor einer Katze. Da dieses Beispiel von einem Freilandexperiment ausgeht, gibt es viele weitere Faktoren, die nicht experimentell konstant gehalten werden können, wie z.B. das Wetter oder andere Kontextfaktoren (wie den Ernährungszustand der Amsel). Deswegen werden Experimente oft im Labor durchgeführt, sodass möglichst viele (am besten alle) Bedingungen konstant gehalten werden können. Unser Experiment muss man auch bei verschiedenen Amselindividuen durchführen (Replikation), damit man eine allgemeine Aussage treffen kann. Führt man es nur bei einer Amsel druch, so kann man lediglich zur Aussage kommen, dass diese spezifische Amsel ein bestimmtes Fluchtverhalten zeigt. Wird das Experiment hingegen bei einer größeren Stichprobe (z.B. 10 oder mehr Amseln) durchgeführt, und zeigen alle Amseln ein ähnliches Verhalten, so kann man das Ergebnis generalisieren (verallgemeinern). Auf diese Weise kann das Experiment kausal betrachtet werden, d.h. die Ursache für eine bestimmte Wirkung (in unserem Beispiel die Flucht der Amsel) kann identifiziert werden.

| Tab. 2-1 Vergleich zwischen experimentellen und beobachtenden Studien.

Beobachtung Experiment
Ursache/Wirkung nur korrelativ kausal
Natürliches Verhalten weitgehend ungestörtes natürliches Verhalten Tiere unter Labor- bzw. experimentellen Bedingungen
Kosten gering für Laborexperimente z.T. hoch (Pflege und Haltung)
Zeit je nach Tierart können Beobachtungen oder Experimente zeitaufwändiger sein
Stichprobe oft größere Stichprobe nötig geringere Stichprobe bei klarer Experimentplanung möglich
Kontrollvariablen möglichst umfassend beachten weniger wichtig, oft hilfreich
Ort meist Freiland Labor und Freiland

Oft wird das Experiment als «höherwertig» als andere Untersuchungsmethoden betrachtet, da mit Experimenten – anders als bei Beobachtungen – Kausalitäten überprüft werden können. Soweit Experimente gut durchgeführt werden, sind sie tatsächlich besser geeignet, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Allerdings können bei Experimenten auch Probleme auftreten. Geht man beispielsweise von einer Stichprobe von 10 Amseln aus, so muss der Hälfte der Amseln zuerst eine Katze präsentiert werden, den anderen fünf hingegen zuerst ein Mensch, um Reihenfolgeneffekte oder Habituation (→ Kap. 9) auszuschließen sowie um festzustellen, ob die Amsel immer bei der ersten Begegnung früher flieht, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Katze oder um einen Menschen handelt. Des Weiteren müssen verschiedene Katzen (z.B. mit einer unterschiedlichen Fellfarbe) und verschiedene Menschen in diesem Experiment teilnehmen, um Pseudo-Replikation zu vermeiden (→ Kap. 2.5). Schließlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise schwarze Katzen ein anderes Verhalten zeigen als graue (weil z.B. das Gen für die Fellfärbung mit dem Gen für Aggression gemeinsam vererbt wird). Diese Vorbehalte zeigen, dass es sehr schwierig ist. Bei der Planung von Experimenten kommt es also sehr darauf an, genau denjenigen Faktor zu identifizieren und zu variieren, der überprüft werden soll. Dazu sind vorab alle möglichen Fehlerquellen sorgfältig zu durchdenken.

Merksatz

Ein Experiment bezeichnet die Isolation und systematische Variation von Variablen.

Abb. 2-4 | Hausmaus (Mus musculus) bei einem Open-Field-Test und mit einer Wand. Beobachtet man lediglich das Wandkontaktverhalten, handelt es sichnoch nicht um ein Experiment. Vergleicht man das Verhalten, wenn die Wand entfernt wird, so haben wir es hingegen mit einem Experiment zu tun, weil nun die Variable Wand systematisch variiert wird. Fotos: C. Randler.


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