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Chiang Mai ist eine geschichtsreiche Stadt

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Als Greta am Morgen aufwacht, geht es ihr gar nicht gut. Sie hat leichtes Fieber, Durchfall und Bauchschmerzen. Ich denke sofort an das berüchtigte Dengue-Fieber. Aber dafür zeigt sie eher atypische Symptome. Obwohl es auf dem Land Unmengen der das Virus übertragenden Tigermücken gab, nehmen wir an, dass sie auf dem Markt etwas Schlechtes gegessen hat. Da wir beide fürs Erste genug von Khon Kaen haben, besteigen wir wie geplant das Flugzeug nach Chiang Mai. Gegen Mittag kreisen wir schon in der Warteschleife über der Stadt. Greta dämmert fiebrig neben mir vor sich hin. Das Wetter auf dieser Seite Thailands ist schlecht. Es regnet in Strömen und die Landung ist extrem ruckelig. Zu ruckelig für die Thailänderin zu meiner anderen Seite. Verzweifelt bittet sie auf Thai um meine leere Jackfruitchips-Tüte, was ich zuerst gar nicht verstehe. Dann reißt sie sie mir aus den Händen und füllt sie augenblicklich mit Erbrochenem. Die Ärmste ist sehr diskret und handhabt ihre Reisekrankheit super professionell. Zum Glück, denn auf Grund des starken Regens müssen wir im Flieger warten, bis die Sintflut verebbt.

Eine Stunde später sammeln wir unser Gepäck ein und bewegen uns auf den Ausgang zu. Unsere Taxifahrerin manövriert ihren SUV durch große Regenpfützen und schmale Altstadtstraßen zu unserer Unterkunft, dem 33 Poshtel. Ich habe uns diesmal nicht in ein Hostel, sondern in ein Poshtel gebucht. “Posh” heißt in der deutschen Übersetzung “vornehm”, was eigentlich nicht so mein Ding ist. Auch den Zusatz “For Adults only”, der gleich neben dem Poshtel-Namen steht, finde ich wenig sympathisch. Solche Einschränkungen kenne ich eigentlich nur aus Amerika, wo im eigenen Land viele Kinder als so unerzogen und nervig gelten, dass man sie nicht in seinem Hotel haben möchte. Trotzdem oder vielleicht genau wegen dieses Zusatzes habe ich das 33 Poshtel gebucht. Rückblickend bin ich mir sogar sicher, dass meine Erkenntnis im Mindfulness Project den entscheidenden Anstoß dafür gegeben hat.

Ein im Industriestil designtes Haus mit großem Pool und reduzierter, geschmackvoller Einrichtung empfängt uns. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, was ich besonders gut finde, denn auf Reisen bietet sie eine tolle Möglichkeit, neue Menschen zu treffen. Fünf Tage wollen wir hierbleiben. Greta verschwindet erst einmal ins Bett.

Chiang Mai ist eine geschichtsreiche Stadt. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts war sie dreihundert Jahre lang die Hauptstadt des unabhängigen Königreichs Lan Na. Mauern und Gräben, die heute das alte Chiang Mai vom neuen trennen, zeugen von dieser Zeit. Hunderte über die Altstadt verteilte Tempel lassen die Wichtigkeit und den ehemaligen Glanz der Stadt als kulturelles und religiöses Zentrum erahnen. So beeindruckend das ist, ich habe so gar keine Lust, es allein zu erkunden. Und von Tempeln habe ich erst einmal sowieso genug. Außerdem fühle ich mich co-krank. Meine Blasenentzündung blitzt immer wieder auf. Alternative Medikamente haben sie nach dem ersten Antibiotikum zwar in Schach gehalten, aber nicht geheilt. Wo es jetzt hier die ersten Tage nichts zu tun gibt, habe ich viel Zeit, in mich und meine Blase zu spüren. Und so braucht es nur noch einen weiteren Tag, bevor ich einsehe, dass es doch nochmal ein Antibiotikum sein muss. In Asien - oder vielleicht ist es auch nur in Thailand so - ist der Umgang mit harten Medikamenten sehr unbeschwert. Ein Antibiotikum gibt es rezeptfrei über den Ladentisch. Ich schreibe mit einer Freundin, die sehr häufig mit der Blase zu tun hat. Sie erinnert mich an einen Artikel, der vor ein paar Jahren durch die Presse ging. Die damals noch häufig für die Blase verschriebenen Fluorchinolone kamen wegen ihrer sehr krassen Nebenwirkungen in Verruf. Natürlich reicht der nette Apotheker von nebenan mir genau diesen Wirkstoff für kleines Geld über den Tresen. Ich zögere die Einnahme noch einen weiteren Tag hinaus, gebe dann aber nach und nehme im Abstand von 12 Stunden zwei dieser Hammerteile. Online habe ich mir den Beipackzettel mehrmals und ganz genau durchgelesen. Prompt tritt eine dort für möglich gehaltene Wahrnehmungsstörung auf. Placebo oder nicht, es macht mir Angst und ich werfe die restlichen Tabletten in den Müll. Wie durch ein Wunder ist danach meine Blase wieder ganz hergestellt. Aber Greta kommt nicht so richtig auf die Beine. Wir beschließen, einen Bluttest zu machen. In Thailand gibt es keine niedergelassenen Ärzte. Hier geht es gleich ins Krankenhaus. Und Fieber in den Tropen sollte spätestens nach drei Tagen abgeklärt werden. Auf das Dengue-Virus testet sie zum Glück negativ und auch sonst kann der Arzt nichts finden. Mit der Diagnose, es könnte sich um einen viralen Infekt handeln, verlassen wir mit einer großen Anzahl an Pillen das Krankenhaus. Unsere Reiseapotheke bietet jetzt ein Mittel gegen Durchfall, Verstopfung, Übelkeit, Schmerzen und vieles mehr, was an Symptomen auftreten könnte.

Tatsächlich geht Gretas Fieber zurück und da sie es leid ist, im Bett zu liegen, beginnen wir im Rentnertempo, die Stadt zu erkunden. Schon am Tag darauf wagen wir einen größeren Ausflug und lassen uns mit einem Taxi zum Einstieg eines Wanderwegs fahren. Über 1.200 Meter hoch liegt auf einem kleinen Berg der Tempel Wat Phra That Doi Suthep. Diese atemberaubende Anlage ist eingebettet in einen Nationalpark und über einen schmalen Waldweg zu erreichen, den Monk´s Trail. Seit dem 13. Jahrhundert ist hier im Dschungel nach und nach eine Oase entstanden. Kleine Höhlen und Pavillons mit spektakulärem Ausblick über Chiang Mai laden zum Meditieren ein. Eine lange Treppe mit Handläufen in Form geschwungener Drachenkörper schmiegt sich an den Abhang, zu der parallel ein kleiner Wasserfall über von ihm glatt gewaschener Steine plätschert. Und überall finden sich Buddhastatuen. Alte, riesengroße, große und kleine, üppig geschmückte, mit Moos bewachsene. Sie sind weder Dekorationsobjekt, noch Götzenbild. Sie sind eine Erinnerung an die in uns liegende Buddhanatur.

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