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Kapitel fünf

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»Ich dachte, du hättest das Auto von zu Hause aus gemietet«, murrte ich, als mir die Frau hinter dem Mietwagen-Schalter entschieden zu lange auf ihrer Tastatur herumtippte.

»Habe ich auch!«, antwortete Bina und schmatzte ihren Kaugummi.

Die Mundwinkel der Frau bogen sich nach unten und ich ahnte Schlimmes.

»Lassen Sie mal sehen!« Bina verrenkte sich, um auf den Bildschirm linsen zu können. Die Frau warf ihr einen bösen Blick zu und drehte den Bildschirm in die andere Richtung.

»Ah, hier ist etwas«, sagte sie endlich in gebrochenem Deutsch.

Ich entspannte mich.

»Auf den Namen SCHARF?«

»Schaaf«, korrigierte ich die Dame. »Nicht scharf!«

Sie machte schmale Augen. »Schaf.«

Bina nickte heiter. »Aber nicht wie Ziege.«

»Mit zwei A in der Mitte.«

Die Frau ließ ein erleuchtendes »Ah« hören, haute wieder in die Tasten und wurde offensichtlich fündig. »Hier habe ich die Buchung«, sagte sie überfreundlich. »Ein Mercedes E-Klasse auf den Namen Scharf.«

»Schaaf! Nicht scharf«, reagierte Bina und las das Schild unterhalb des Kragens der Angestellten. »Thula!« Bei dem Versuch den Nachnamen zu lesen, kniff sie die Augen zusammen. »Anatotodolikotopo… ach, wie auch immer.«

»Moment mal«, griff ich ein. »Du hast eine Limousine gebucht?«

Bina zog grübelnd einen Mundwinkel zur Wange. »Ähm, nicht dass ich wüsste.« Sie wandte sich stirnrunzelnd an die Frau. »Thula, also ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor.« »Meine Schwester hat einen Suzuki Splash von Deutschland aus gemietet«, gab ich zu verstehen.

Thula sah uns kurz über die Gläser ihrer schwarzen Brille hinweg an, dann ließ sie ihre Finger wieder über die Tastatur fliegen. Kurz darauf lächelte sie breit. »Hier steht eindeutig Mercedes.«

»Okay, dann würden wir gerne einen anderen Wagen leihen.«

»Mhm«, machte sie, und das gefiel mir gar nicht. »Ich fürchte, wir sind komplett ausgebucht.«

»Heißt das, wir müssen den Mercedes nehmen?« Ich dachte an unser Budget und schluckte.

Thula nickte bedauernd.

»Na super!«, entfuhr es mir.

Thula grinste wie auf Knopfdruck und holte ein Klemmbrett unter ihrem Tisch hervor. »Da unterschreiben, bitte.«

Ich seufzte.

»Es war nicht meine Schuld«, räumte Bina ein. »Wenn die zu blöd sind, deinen Namen richtig aufzuschreiben, kann ich ja auch nichts dafür.«

»Du hättest deinen angeben sollen.« Ich setzte widerwillig meine Unterschrift unter den Mietvertrag.

»Du hättest den Namen dieses Idioten eben niemals annehmen dürfen. Das habe ich dir damals schon gesagt. Wer heißt denn schon so? Jetzt musst du mit der Schande leben, zu heißen wie eine lebende Wollfabrik.«

Thula schob uns breitlächelnd die Schlüssel zu. Ich nahm sie an mich, ohne von Bina aufzublicken. Wie recht sie hatte, dachte ich.

»Gute Fahrt! Und beehren Sie uns bald wieder«, sagte Thula hinter ihrem Schalter, als würde sie ein Band abspulen.

»Wohl eher nicht«, entfuhr es mir, während wir uns durch das Terminal in Richtung Ausgang kämpften.

Beim Anblick der silbernen E-Klasse wurde ich unfreiwillig an Paul und seine einzig wahre Liebe erinnert. Im Gegensatz zu mir, hatte Bina Pauls Schatz immer cool gefunden, weshalb ich mir nicht sicher war, ob unser Leihwagen tatsächlich ein Versehen gewesen war.

»Was ziehst du für ein Gesicht?« Bina riss mir die Schlüssel aus der Hand und verstaute unser Gepäck im geräumigen Kofferraum. Barnabas, der den Flug gut überstanden hatte, ließ ich auf den Rücksitz hüpfen. »Ich finde, ein bisschen Luxus dürfen wir uns ruhig mal gönnen.«

Wie selbstverständlich setzte sie sich hinters Steuer des teuren Autos. Ich nahm neben ihr Platz und schnallte mich an. »Und du bist sicher, dass der Wagen irrtümlich gebucht wurde?«

»Aber ja doch«, antwortete sie scheinheilig. »Damit habe ich nichts zu tun.« Sie zündete den Motor und gab unseren Zielort Acharavi in das Navi ein.

»Ein tolles Teil«, rühmte sie und parkte aus. Wir verließen die Stadt und ich schaute aus dem Fenster. Die Sonne schien und ich lehnte mich zurück. Korfus traumhafte Landschaft hatte mich schon früher für sich eingenommen. Jetzt half mir ihre Schönheit dabei, das Vergangene hinter mir zu lassen. Wir rauschten an Olivenbäumen und Zypressen vorbei. Kleine Hügel und Berge zogen sich in der Ferne bis zum Meer hinunter. Ich reckte den Kopf aus dem geöffneten Fenster und sog die salzige, warme Luft tief in mich ein. Es war herrlich wieder an dem Ort zu sein, an dem ich früher immer so glücklich gewesen war. Bevor ich Paul geheiratet hatte, war Korfu mein zweites Zuhause gewesen. Mit Oma Inge hatte ich viele unvergessliche Urlaube auf der grünen Insel verbracht. Ich schloss die Augen und genoss, wie die laue Brise durch mein Haar blies. Es war, als würde mich die Insel willkommen heißen. Als wäre die Zeit zurückgedreht und ich erhielte die einmalige Chance, dort anzusetzen, wo ich vor fünfzehn Jahren aufgehört hatte. Es war ein berauschendes Gefühl. Von Freiheit und Leben, in seiner kühnsten, wundervollsten Art. Erst als ein Ruckeln mich durchschüttelte, schlug ich die Lider auf. Stirnrunzelnd schaute ich nach vorn, wo eine triste, einsame Landschaft zu sehen war. »Ähm, bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?« Die Straße, auf der wir fuhren, war unbefestigt. Das Gras zu den Seiten war so üppig, dass es weit über die Fahrbahn ragte.

»Aber ja doch.« Bina sah mich an, als würde ich mir wie gewöhnlich unnötig Sorgen machen. »Auf das Navi können wir uns verlassen.« Wir fuhren eine enge Kurve, dahinter stand ein Esel, mitten auf der Straße.

»Brems!«, schrie ich.

»Wieso denn? Der geht schon weg, wenn er sieht, dass wir kommen.« Binas Zuversicht war fehl am Platz. Dieser Esel rührte sich keinen Millimeter vom Fleck. Er stand einfach nur da und schaute uns aus seinen großen dunklen Augen an. Wir standen kurz vor einer Kollision.

»Stopp endlich!«, mahnte ich lauter und schlug panisch die Hände vors Gesicht. Ich hörte das Quietschen der Reifen und sah die undurchdringliche Staubwolke neben meinem Fenster, die darauf folgte. Bina hatte so abrupt angehalten, dass mir der Kopf zuerst nach vorn und anschließend ruckartig in den Nacken gefallen war. Die Sicht war miserabel. Erschrocken stierte ich in den Nebel aus Staub. Ich konnte nicht einschätzen, ob ihr Bremsmanöver noch rechtzeitig gewesen war.

»Hast du ihn erwischt?«, fragte ich vorsichtig.

»Unsinn!« Sie schnallte sich ab und stieg aus dem Wagen.

»Was hast du vor?«

»Na was wohl? Ich helfe diesem dummen Esel auf die andere Straßenseite. Der kann ja nicht ewig da rumstehen.«

Ich schaute aus der Windschutzscheibe. »Gott sei Dank!«, stieß ich aus, als ich das unversehrte Tier erblickte. Bina näherte sich ihm. Zunächst strich sie dem Esel über sein struppiges graues Fell, dann versuchte sie ihn mit klickenden Zungenlauten von der Straße zu locken.

»Ich glaube, er will nicht!«, merkte ich an, schnappte mir meine Handtasche und stieg ebenfalls aus. Bina probierte den Esel nun am Hinterteil von der Fahrbahn zu schieben, doch der reagierte überhaupt nicht. Teilnahmslos ließ er all das Locken, Schieben und Ziehen über sich ergehen, als wäre die Fahrbahnmitte der schönste Ort, den ein Esel sich nur vorstellen kann.

»Ich glaube, der ist schon alt«, vermutete ich.

Bina wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Ja und weiter? Was hat das denn jetzt damit zu tun? Auch alte Esel können laufen, oder irre ich mich da? Dieser hier will sich einfach nicht von der Stelle bewegen. Das ist alles.«

Jetzt mühte sich auch Barnabas vom Rücksitz durch die offenstehenden Vordertüren des Mercedes. Gähnend blickte er zuerst an dem Esel, dann an uns hoch.

»Komm, wir probieren es noch mal gemeinsam«, schlug Bina vor. »Du schiebst hinten, ich ziehe vorne.«

Ich war einverstanden und begab mich an die Hinterläufe des Tiers, das unsere Bemühungen mit einem schlichten »I-ah« abtat, sich aber kein Stück wegbewegte. Mittlerweile stand auch mir der Schweiß auf der Stirn.

»Es hat keinen Zweck«, sagte Bina außer Atem. »Wir müssen ihn umfahren.«

Ich kniff die Augen zusammen. »Du meinst sicher um-fahren! Drumherum.«

Bina runzelte die Stirn. »Nein, du hast mich schon richtig verstanden. Ich meinte umfahren und mit umfahren meine ich plattmachen.«

»Du kannst doch nicht einfach dieses arme Tier überfahren!«, empörte ich mich. Barnabas winselte.

Bina schaute sich zu allen Seiten um, als plante sie gerade ein Verbrechen zu vertuschen. »Wir sind hier irgendwo im nirgendwo. Dieser Esel ist wahrscheinlich schon hundertfünfzig Jahre alt und würde sowieso demnächst wegen Altersschwäche umkippen.«

»Das gibt uns noch lange nicht das Recht, ihn einfach mit dem Auto …«, ich konnte nicht weiterreden. Allein der Gedanke bereitete mir eine Gänsehaut. Manchmal gruselte mich meine Schwester. Wir waren derart in unsere Diskussion über die Handhabung mit dem alten Esel verstrickt, dass ich auf Barnabas’ anhaltendes Winseln nicht einging.

»Es geht auch ganz schnell«, versprach Bina mit gesenkter Stimme.

»Denk nicht mal dran!«, warnte ich sie.

»Was schlägst du also vor?« Sie stemmte die Hände in die Hüfte.

Barnabas kratzte mit den Pfoten an meinem Bein. »Aus!«, sagte ich, ohne ihn anzusehen. »Warum versuchen wir nicht, ihn zu um-fahren?«

»Das geht nicht. Dafür ist die Straße nicht breit genug!«

Ich stellte mich schützend neben den Esel und kraulte ihn zwischen den langen Ohren, die er sogleich hellhörig aufstellte.

»Er wird überhaupt nichts spüren«, meinte Bina taktvoll.

Ich schaute sie ungläubig an. »Du bist ja ein Sadist!«

Auf einmal wurden wir aus unserem Streit gerissen. Jemand hatte den Motor des Wagens gestartet. Als wir uns zum Mercedes umdrehten, sahen wir drei Jugendliche darin sitzen. Der Fahrer, ein Knabe mit schulterlangem schwarzen Haar winkte uns grinsend zu, während er das Auto langsam zurücksetzte. Dann wendete er zielsicher im Buschwerk und rauschte davon. Alles ging so schnell, dass wir es zunächst gar nicht richtig realisierten. Perplex starrten wir auf die nun leere, staubige Straße. Wie auf ein Stichwort setzte sich auch der Esel in Bewegung. Langsam wandte ich mich dem Tier zu, das seelenruhig ins Gestrüpp trottete, bis es zwischen den dichten, grünen Zweigen verschwunden war.

»Äh, ich sag es ja nur ungern, aber wir sind gerade so was von verarscht worden.« Bina traf den Nagel auf den Kopf. Ich konnte es einfach nicht glauben.

Fassungslos sah ich abwechselnd zur Straße und in die Büsche, durch die der Esel soeben verduftet war. »Aber du glaubst doch nicht etwa, dass er …« Ich deutete zum Gestrüpp.

Bina zuckte die Schultern. »Also mir kam er jetzt doch nicht mehr so altersschwach vor.«

Ich griff mir verstört an die Stirn.

»Das war bestimmt irgend so eine kriminelle Bande. Und der Esel war ihr Komplize. Ich hätte es wissen müssen.« Bina schüttelte den Kopf, als wäre sie von sich enttäuscht, weil sie die Masche dieses Tiers nicht sofort durchschaut hatte.

»So alltäglich ist das ja nun nicht«, sagte ich kleinlaut.

»Oh, das kommt aber häufiger vor, als du denkst. Ich hab so was schon mal in ‘ner Zeitung gelesen.«

Ich schaute sie mit großen Augen an. Im Gegensatz zu ihr, hatte ich offenbar keine Ahnung, wozu ein Esel fähig war.

»Ich hab’s doch gesagt!« Bina ließ ein Brummen hören. »Wir hätten ihn umfahren sollen.«

»In dem Auto ist unser gesamtes Hab und Gut«, jammerte ich.

»Ich weiß.«

Verbissen umklammerte ich meine Handtasche. Jetzt waren sie und ihr Inhalt alles, was ich noch besaß. Schnaufend sank ich auf den Boden.

Bina sah verständnislos auf mich herab. »Hey, das bringt jetzt auch nichts. Wir müssen uns halt zu Fuß bis Acharavi durchschlagen. Laut Navi ist es nicht mehr weit.«

»Hast du denn eine Ahnung, wo es langgeht?«

Bina prustete, während sie ihren Blick über die Gegend schweifen ließ. »Nein, nicht so genau, aber ich würde vorschlagen, dass wir der Straße weiter folgen.«

Wir machten uns also auf den Weg. Die Landstraße schien jedoch kein Ende zu nehmen. Glücklicherweise hatte die Diebesbande mein Handy nicht gekriegt. Unglücklicherweise nützte mir das reichlich wenig. In dieser gottverlassenen Gegend hatte ich nicht einen einzigen Balken Empfang. Die Sonne brannte unerbittlich und ich drohte bei den gefühlten fünfzig Grad allmählich zu schmelzen. Barnabas watschelte hechelnd neben uns her. In regelmäßigen Abständen schenkte ich ihm einen besorgten Blick. Hitze hatte er noch nie sonderlich gut vertragen. »Müssten wir nicht bald mal ankommen?« Mittlerweile hatte ich mich obenrum bereits bis aufs Unterhemd entblößt. »Barnabas ist schon ganz erschöpft.«

»Dem Hund hätte halt früher der eine oder andere Spaziergang gutgetan«, entgegnete Bina schroff.

»Jetzt sieh ihn dir doch nur mal an. Er kann nicht mehr.«

Sie schaute flüchtig zu ihm. »Na ja, er ist auch leicht übergewichtig. So was ist gar nicht gut für einen Hund.«

»Wir sind sicher schon seit Stunden unterwegs.« Ich legte eine Verschnaufpause ein und stützte schnaubend die Hände auf die Knie. Bina drehte sich mürrisch zu mir um, warf einen Blick auf ihre Uhr und schnalzte mit der Zunge. »Wir laufen noch keine fünfundvierzig Minuten.«

»Echt jetzt?«

Sie nickte.

»Kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Egal!« Ich ging an den Straßenrand und setzte mich. Der Akku war leer. Neben mir streckte Barnabas die Pfoten aus.

»Was soll das denn? Du kannst dich jetzt nicht ausruhen.«

»Nur einen kleinen Augenblick!«, bat ich.

»So kommen wir nie an!«

Flehend sah ich zu meiner kleinen Schwester auf, die schon immer die bessere Kondition von uns beiden besessen hatte. In der Schule war sie ein Ass in Leichtathletik gewesen, ich hingegen hatte nicht einmal einen akzeptablen Purzelbaum hinbekommen. Seit Jahren ging sie regelmäßig ins Fitnessstudio, während sich meine sportlichen Betätigungen auf die Hausarbeit beschränkt hatten, und das sah man meiner Figur auch an.

»Hast du nicht gesagt, du willst in Acharavi sein, bevor es dunkel wird?« Bina schaute mich abwartend an.

Ich überlegte kurz. »Ich kann mich nicht erinnern, das gesagt zu haben.«

Bina fasste sich an den Kopf. »Aber das willst du doch sicher, oder?«

»Natürlich!« Ich raffte mich vom Boden auf. »Es geht schon wieder. Wir können weiter. Barnabas, aufstehen!« Er lag da wie erschossen. Ratlos sah ich zu Bina.

»Du könntest ihn liegen lassen.«

»Sag mal, geht’s noch?«

Sie lächelte verschmitzt. »Nein. Ich weiß doch, wie sehr du diesen dicken Hund liebst.« Sie sah zu ihm hinunter und runzelte die Stirn. »Auch wenn ich es nicht verstehen kann.«

»Er ist alles, was ich habe.« Erst nachdem ich das gesagt hatte, wurde mir klar, wie traurig das klang.

Bina schenkte mir einen mitfühlenden Blick und brummte. »Na schön. Wenn es eben nicht anders geht.« Sie beugte sich zu meinem Mops herunter, hob ihn vom Boden und legte ihn sich wie ein frisch erlegtes Reh um die Schultern. Barnabas ließ es über sich ergehen. »Du solltest ihn wirklich mal auf Diät setzen«, keuchte Bina. »Der hat locker das Gewicht eines jungen Ebers.«

»Das mach ich. Vielleicht«, sagte ich, während ich grübelte, woher Bina so genau wusste, was ein junger Eber wog.

Wir folgten weiter der Straße. Ich hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren. Als wir hinter einer langgestreckten Linkskurve angekommen waren, hörten wir, dass sich hinter uns ein Auto näherte.

»Endlich!«, jubelte ich. »Wir sind gerettet.« Ich positionierte mich mitten auf der Fahrbahn, um den Fahrer zum Anhalten zu bewegen.

»Bist du wahnsinnig?« Bina ging mit Barnabas zur Seite. »Wir sind hier nicht in Köln-Sülz.«

Jetzt war ich diejenige, die die Gefahr ausgeblendet hatte. Ich wollte einfach nur hier weg. Endlich raus aus dem unwirschen Gelände.

»Huhu!«, rief ich, als der Wagen um die Kurve schoss. Er hielt tatsächlich an.

»Ich danke Ihnen«, begann ich, doch der Fahrer, ein groß gewachsener, breitschultriger Grieche, hatte nur Augen für Bina, welche die Hundepfoten vor ihrer Brust zusammengeführt hatte. Mit grimmiger Miene marschierte der Mann auf sie zu. »Was haben Sie getan?«, fuhr er sie in fast akzentfreiem Deutsch an. Ich war überrascht.

Binas Brauen sahen aus wie an der Stirn angetackert. »Wie bitte?«

Offensichtlich war der Mann sehr verärgert. Aber warum?

»Also, Sie verstehen da etwas falsch«, wollte ich erklären, als mir eine vage Vermutung durch den Kopf schoss, welchen Eindruck Binas Mopsrettungsaktion vermittelte. »Wir sind hier die Opfer. Man hat uns das Auto gestohlen.«

»Sie sind also die Opfer, wie?« Sein Gesicht war wutverzerrt. »Lassen Sie sofort diesen armen Hund runter! Was hatten Sie überhaupt mit ihm vor?«

Langsam setzte Bina Barnabas ab. »Entschuldigen Sie bitte …«

»Nein, dafür gibt es keine Entschuldigung«, unterbrach er mich. »Ich werde Sie beide anzeigen. Wegen Tierquälerei!«

»Das ist ein Missverständnis!«, sagte Bina.

Der Mann ging zu Barnabas in die Hocke und hob seine Lefzen an.

»Dieser Hund gehört mir«, stellte ich klar. »Es ist ein Mops.«

»Ich sehe auch, dass es ein Mops ist.«

»Möpse sind nun mal recht schnell müde.«

Er räusperte sich, während er Barnabas weiterhin in Augenschein nahm.

»Wir sind heute aus Deutschland hergeflogen und waren gerade auf dem Weg in unsere Pension«, erklärte ich weiter. »Als plötzlich dieser Esel die Straße blockiert hat.«

Der Mann stemmte sich hoch, langsam entspannte sich seine Miene. »Ein Esel?«

»Genau.«

Ich glaubte kurz ein amüsiertes Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen, dann wurde er wieder ernst.

»Man hat uns das Auto geklaut«, erklärte ich. »Und meine Schwester hier hat den Hund getragen, weil er nicht mehr konnte, nachdem wir eine Weile zu Fuß weiterwollten.«

Er nickte schnaubend. »Steigen Sie ein.« Er klang nun nicht mehr wütend, aber auch nicht wirklich freundlich.

Mit seinem Angebot hatte ich schon nicht mehr gerechnet, war aber heilfroh dieser einsamen Landstraße endlich zu entkommen. »Danke!«

»Schon gut.« Er hob Barnabas auf den Vordersitz, während Bina und ich auf der Rückbank seines grünen Jeeps Platz nahmen.

»Wo ist Ihre Pension?«, wollte der Mann wissen.

Ich lehnte mich ein wenig vor. »Acharavi.«

Bina war noch immer verstört von dem verbalen Angriff auf sie. Sie sprach nicht ein einziges Wort. Allerdings blieb es auch zwischen dem Fremden und mir bei diesem einen, knappen Wortwechsel. Er parkte, nach fünfzehnminütiger Fahrzeit, vor einem Haus mit grünem Anstrich und einer breiten Veranda, über der ein verblichenes Schild angebracht war: DaManollo.

»Das ist es!«, sagte ich. »Woher wussten Sie, dass dies unsere Pension ist?«

»Dies ist eine kleine Stadt, auf einer kleinen Insel.« Er blickte stur geradeaus. »Außerdem hat mich die Eigentümerin vorgewarnt.«

Bina war längst aus dem Jeep gehüpft. Ich wartete noch einen Moment, in der Hoffnung, er würde seinem letzten Satz doch noch etwas Nettes hinzufügen. Aber es kam nichts mehr.

»Na dann. Danke fürs Mitnehmen!« Ich stieg aus.

»Mhm.«

»Vielleicht sieht man sich ja irgendwann noch mal.«

»Tür zu!«, sagte er barsch.

Nachdem ich getan hatte, was er verlangte, fuhr er mit durchdrehenden Reifen davon.

Bina und ich schauten ihm nach.

»So ein Arsch!« Für Bina war der Fall klar.

»Wenigstens hat er uns am Ende doch noch geholfen«, räumte ich ein. Wir wandten uns der Pension zu.

»Ja, nachdem er uns vorgeworfen hat, deinen Mops fürs Abendessen vorgesehen zu haben.«

Barnabas schaute mit treuem Hundeblick zu uns auf. »Andere Länder, andere Sitten.« Ich zuckte die Schulter.

»Ja, nur sind wir nicht in China.«

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