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Kapitel sechs

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In der Pension wurden wir von einer älteren Dame empfangen, die an der dürftig eingerichteten Rezeption Krabben pulte und uns mit einer Zurschaustellung ihres zahnlosen Lächelns begrüßte.

»Wie charmant«, schoss es aus Bina heraus. Ich stieß sie belehrend in die Seite.

»Hellas!«, sagte die Frau.

Ich nickte freundlich und ging auf sie zu.

»Deutsch?«, fragte sie freundlich.

»Genau. Wir haben hier ein Zimmer gebucht.« Ich trat einen weiteren Schritt an sie heran.

Sie schaute hinter uns und zog anschließend die Stirn kraus. »Wo Gepäck?«

»Das wurde uns gestohlen.«

Das Lächeln der Frau wich einem schockierten Gesichtsausdruck. Sie nuschelte etwas auf Griechisch, das ich nicht verstand, dann deutete sie auf ein Telefon, das in einer Ecke auf einem Stehtisch seinen Platz hatte. Sie legte die Krabben beiseite, wischte sich die Hände dürftig an ihrer Schürze ab und erhob sich schwerfällig aus dem Sitz. Mit wackligem Gang bewegte sie sich zum Telefon, nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer. »Astynomia!«, sagte sie, was auf Griechisch Polizei bedeutete(über notwendige Begriffe hatte ich mich vor dem Abflug informiert).

Nur zwei Stunden später trudelte die örtliche Polizei, die nur aus einem Mann bestand, ein, um den Vorfall mit dem Esel aufzunehmen.

»Apostolos, zu Ihren Diensten«, stellte er sich auf Deutsch vor. Für ihren Eifer, was das Erlernen von Sprachen anging, zollte ich den Griechen Respekt. Für sie schien es selbstverständlich zu sein. Stets begegneten sie einem aufgeschlossen. Das bewunderte ich wirklich. Zu Apostolos’ Entschuldigung, warum er erst so spät hier aufgetaucht war, gab er an, dass der Diebstahl ja bereits geschehen sei und es nun mal kein Mord gewesen wäre. Wie recht er hatte. Trotzdem hatte ich meine liebe Mühe, die mir unerfindliche Geruhsamkeit des Beamten hinzunehmen. Ich rief mir Großmutter Inges Weisheit ins Gedächtnis. Sie war vernarrt in Korfu gewesen, nicht aber in das Zeitgefühl der Menschen auf der Insel, das laut ihr nicht mit dem der Deutschen vereinbar war. Apostolos trug die hier übliche blaue Uniform. Obwohl er mit dem Roller gekommen war, trug er statt eines Helms lediglich die Polizeimütze locker auf dem Kopf. Er nahm sie ab und strich sich das darunterliegende, schulterlange Haar zurück. Es war grau mit schwarzen Strähnen, leicht gewellt. Der Traum einer jeden Frau mit weniger fülligem Haar.

»Sie hatten also eine kleine Unfall?«, fragte er in dem gängigen Griechisch-Deutsch-Gemisch.

»Kein Unfall«, verbesserte ihn Bina. »Wir wurden bestohlen.«

»Ah«, machte er, lächelte schief und schlenderte vor uns in das winzige Foyer der Pension, an dessen Decke ein von Spinnweben überzogener Ventilator erstarrt war.

»Also.« Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tisch, an dem die Frau unterdessen begonnen hatte einen Aal auszunehmen. Der extreme Fischgeruch stieg mir in die Nase und ich schüttelte mich unmerklich. Diskret drehte ich das Gesicht weg und bemühte mich nicht allzu tief einzuatmen.

Apostolos steckte sich eine Zigarette an. »Was genau ist denn passiert?«

Bina begann zu erzählen. Vom widerspenstigen Esel, den unverschämten Jugendlichen und unserem darauffolgenden unfreiwilligen Abenteuer.

»Ähm, wollen Sie sich das nicht aufschreiben?«, fragte ich, nachdem der Polizist sich lediglich alles anhörte – noch dazu völlig unbeeindruckt.

»Oh, ich mache Protokoll, hier drin.« Mit dem Zeigefinger tippte er sich gegen die Schläfe. »Ich habe außerordentlich gute Gedächtnis.« Er grinste überheblich.

»Ah ja«, entfuhr es mir.

»Keine Sorge«, versprach er. »Der Wagen taucht bald wieder auf.«

»Na hoffentlich.« Schließlich befanden sich all unsere Sachen darin. Nach unserem anstrengenden Trip durch die korfiotische Wildnis hätte ich für ein frisches T-Shirt töten können. Außerdem hatte ich keine Ahnung, was der Autoverleih zu dem Verlust des Wagens sagen würde. An etwaige Konsequenzen für uns wollte ich erst gar nicht denken.

»Ist immer so.«

»Immer?« Ich glaubte, eine Raubserie herausgehört zu haben.

Apostolos nickte, als könnte er nicht verstehen, weshalb wir uns deswegen überhaupt so aufregten.

»Meist kommt die Wagen von ganz allein zurück.« Apostolos blickte uns verschwörerisch an.

»Also sind wir nicht die Ersten, denen so etwas passiert ist?«, hakte ich nach.

»Aber nein!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wo denken Sie hin? Passiert andauernd hier auf der Insel. Ist eine Betrügermasche. Diese Kinder sind uns bekannt. Sie machen das immer mit Touristen. Gutgläubigen Menschen. Wie Ihnen.« Er musterte uns mitleidig.

»Wenn sie Ihnen bekannt sind, warum werden sie dann nicht festgenommen?«, wollte Bina wissen.

Apostolos seufzte überschwänglich. »Ach, sind noch zu jung. Sind doch nur Kinder. Wir nehmen fest und müssen wieder laufen lassen. So ist das.« Er tauschte Geld mit einem Stück Aal, welches die Pensionsfrau in Zeitungspapier gewickelt hatte. Es vermittelte fast den Eindruck, als wäre der Polizist nicht wegen des Diebstahls hergekommen – jedenfalls nicht nur. Beschwingt schritt er Richtung Tür.

»Was ist mit dem Esel?« Bina überholte ihn, bevor er hinausgehen konnte. Ich folgte ihr sofort.

Apostolos lachte laut auf. »Der Esel ist einziger Erwachsener in dieser Gang.«

»Hah!« Jetzt sah Bina ihre Vermutung bestätigt. »Ich wusste, dass er ihr Komplize ist.«

»Nicht Komplize.« Apostolos trat nah an uns heran, schaute sich kurz um, ob uns auch niemand belauschte, und flüsterte todernst: »Er ist ihr Anführer. Sie nennen ihn den Patron.«

Während Bina dreinschaute, als wäre es nicht das erste Mal, dass ein Esel Menschen zu Straftaten anstiftete, nahm ich diese Information weniger ernst.

»Schwachsinn!«

Bina betrachtete mich verständnislos.

»Ein Esel kann so etwas gar nicht planen. Es ist immer noch ein Tier.«

»Oh, Esel sind sehr schlau. Sie sollten sie nicht unterschätzen.« Apostolos spitzte die Lippen und nickte.

»Wie auch immer«, murrte ich und ließ mir unsere Zimmerschlüssel geben. »Ich leg mich jetzt ein bisschen hin. Barnabas ist auch müde.«

»Machen Sie das«, rief mir Apostolos hinterher. »Sobald ich weiß, wo Auto ist, melde ich mich wieder.«

Ich winkte über meine Schulter hinweg und ging mit Barnabas auf unser Zimmer. Bina kam wenig später nach. Doch ich hörte sie nur am Rande. Ich war so erschöpft, dass ich mich weder an ihr noch an der mangelnden Sauberkeit in dem winzigen Pensionszimmer störte. Neben mir auf dem Bett schnarchte Barnabas. Ich war einfach nur froh, dass er aus dem Auto gestiegen war, bevor diese kriminelle Bande es geklaut hatte. Allein die Vorstellung, er wäre entführt worden, war kaum zu ertragen. Ich schlang den Arm um den üppigen Mopsbauch und presste mein Gesicht dicht an seines.

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