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Kapitel sieben

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Zwei Tage nach unserer abenteuerlichen Anreise tauchte der Mercedes tatsächlich wieder auf. Apostolos teilte uns stolz mit, dass er ihn nur wenige Straßen von der Pension entfernt ausfindig gemacht hatte. Als wir am Wagen ankamen, stellten wir fest, dass unser Gepäck zwar durchwühlt worden war, aber nichts fehlte. Den Wagen brachte er zur Leihstelle zurück und uns das Gepäck. Wir waren erst mal erleichtert, denn jetzt konnten wir uns endlich um die wesentlichen Dinge kümmern. Jene, weswegen wir hergekommen waren. Die ersten Besichtigungstermine mit einer Immobilienmaklerin standen an. Die Frau hieß Denise Welling, stammte ursprünglich aus Hamburg und hatte sich auf Korfu ein kleines Immobilienunternehmen aufgebaut. Sie betreute hauptsächlich deutsche Kunden, was ihr ein luxuriöses Leben ermöglichte. Für mich diente die Begegnung mit ihr einem höheren Zweck. Sie war der lebende Beweis dafür, dass ein Neuanfang funktionieren konnte.

Denise zeigte uns mehrere Objekte. Eines glänzte aufgrund seiner wunderbaren Lage, direkt auf der Touristenmeile. Es war geräumig, mit Außenterrasse und einer modernen Inneneinrichtung, die sogar im Preis enthalten war. Doch genau da war der Haken. Es war schlichtweg unerschwinglich. Von einem anderen war ich zunächst ebenfalls angetan. Es lag in der Nähe des alten Marktplatzes und strahlte ein typisch griechisches Flair aus. Leider brachen die Holzdielen bereits unter uns weg, bevor wir überhaupt Gelegenheit hatten, hineinzugehen. Für das Gebäude sprach der wirklich günstige Preis, der eine Renovierung grundsätzlich zugelassen hätte. Leider war es aber schon bewohnt. Und für die Großfamilie, allesamt grauhaarig mit großen Ohren und langen Schwänzen, kam ein Auszug nicht infrage. Sie hatte ihr Revier schon in sämtlichen Ecken markiert.

»Denkst du, wir finden etwas?« Bina klang zum ersten Mal, seit wir hergekommen waren, etwas mutlos.

»Ich bin mir sicher«, antwortete ich. »Irgendwo auf dieser Insel ist das Haus, das wie für uns gemacht ist. Mit Gasträumen für unser Café und einer Wohnmöglichkeit darüber. Das hab ich im Gefühl!« Noch gab ich nicht auf. Wenn ich eines gelernt hatte, dann war es, dass man allen Dingen ihre Zeit lassen musste.

Bina und ich spazierten am Strand entlang. Für heute hatten wir uns von Denise verabschiedet, ohne unser Café gefunden zu haben. Doch Denise war eine Löwin in ihrem Job. Sie hatte versprochen, das perfekte Haus für uns zu finden und ich glaubte ihr. Für morgen standen weitere Besichtigungen an und ich war zuversichtlich.

Die Sonne war gerade dabei, im Ionischen Meer zu versinken und wir setzten uns auf die Felsen, die überall aus dem Sand ragten. Bina warf Barnabas’ Gummihuhn ins seichte Wasser. Er tollte umher, watschelte in die Wellen und brachte es ihr zurück.

»Dieser Hund kann ja laufen!« Bina lachte.

»Vielleicht war es nicht nur mir zu eng in Köln«, sinnierte ich und mein Blick verlor sich in der Ferne.

»Also bereust du es nicht, weggegangen zu sein?«

Ich schaute auf das tiefblaue Meer und den Himmel, der sich darüber wie eine rosafarbene Decke spannte. »Überhaupt nicht. Mag sein, dass es noch zu früh ist, um das zu sagen. Schließlich sind wir gerade erst hier angekommen. Wir haben noch gar nicht richtig angefangen mit unserer Idee, aber es fühlt sich trotzdem alles richtig an.« Dass ich das aus tiefstem Herzen sagen konnte, zeigte mir, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Obwohl wir einen üblen Start hingelegt hatten, war ich mir dennoch sicher, das richtige zu tun. Dass dies der Ort für mich war, der Ort, an dem ich glücklich sein konnte. Und wann immer ich zurückblickte, empfand ich Mitleid mit mir. Mit der Frau, die all ihre Träume für einen Mann in eine Kiste gepackt hatte. Ich griff in meine Hosentasche und holte meinen Ehering hervor. Seit Tagen schleppte ich ihn mit mir herum und fast stündlich kam er mir schwerer vor. Ich wusste, dass etwas damit geschehen musste und jetzt sah ich den perfekten Augenblick dafür gekommen. Ich ging zum Wasser.

»Was hast du vor?«, wollte Bina wissen, auch Barnabas hielt gespannt inne.

»Das hätte ich schon längst tun sollen!« Ich öffnete meine Faust und der Ring schimmerte auf meiner Handinnenfläche. Dreihundertfünfundsiebziger Gold, mattglänzend. Bina kam an meine Seite. Gemeinsam betrachteten wir das mickrige Überbleibsel meiner gescheiterten Ehe.

»Ich fand ihn nie besonders hübsch«, merkte Bina an.

»Ja«, säuselte ich. »Paul hatte immer einen sehr schlichten Geschmack gehabt.« Entschlossen wippte ich mit der Hand, dann holte ich aus und warf den Ring so weit ich konnte. Er wirbelte durch die Luft und landete mit einem leisen Plopp hinter dem Wellengang, dort wo das Meer ruhiger, tiefer war.

»Wir hätten ihn einschmelzen sollen!« Bina seufzte.

Ich zuckte die Schultern. »Da wo er jetzt ist, ist er besser aufgehoben.«

Ich nahm einen tiefen, erlösenden Atemzug. Endlich war ich das lästige Ding los, das sich in meinem Besitz nur noch schwer wie Blei angefühlt hatte.

Ohne dass ich es bemerkt hatte, war Barnabas losgesaust, um meinem Wurf nachzujagen. »Dicker?«, rief ich erschrocken.

»Er muss den Ring für sein Gummihuhn gehalten haben«, kommentierte Bina tonlos.

»Oh nein«, schrie ich.

Barnabas paddelte mittlerweile in den Fluten. Nur der Kopf mit den Flapsohren schaute noch aus dem Wasser.

»Dass der mit seinen Stummelbeinen überhaupt schwimmen kann!« Bina hob überrascht die Brauen. Plötzlich erwischte ihn eine seichte Welle und er drohte abzutreiben.

»Oh, jetzt säuft er ab.«

»Barnabas, ich komme!«, rief ich. Ich zögerte nicht und stürzte mich ebenfalls ins Meer, um ihn zu retten, merkte jedoch schnell, dass ich etwas aus der Übung war. Am Strand waren nunmehr einige Schaulustige zusammengekommen. Sie rotteten sich neben Bina und riefen mir irgendetwas auf Griechisch nach. Nach einigen dürftigen Kraulversuchen kehrte ich ins Brustschwimmen zurück und erreichte endlich meinen Barnabas. Völlig aufgeregt wie er war, rettete er sich auf meinen Kopf und zwang mich damit unter Wasser. Jetzt sprang auch Bina hinterher und kam uns entgegen. Hinter ihr tauchte auf einmal eine Person auf. Wie ein wendiger Delfin schoss sie durch die Wellen zu uns und zog mich und Barnabas ans Ufer, wo uns die Zuschauer mit Beifall empfingen.

»Was haben Sie sich nur dabei gedacht?« Der Mann hatte mich am Strand abgelegt und sich über mich gebeugt.

»Ich hab die Wellen wohl unterschätzt«, keuchte ich und sah in seine tiefgrünen Augen. Ich erkannte ihn eindeutig als den Mann wieder, der uns in seinem Jeep mitgenommen hatte.

»Warten Sie eigentlich nur darauf, Touristinnen zu retten?«, fragte ich ihn, nachdem ich wieder zu Atem gekommen war.

Er sank auf seine Fersen und stemmte die Hände in die Hüfte. »Wir sind in einer kleinen Stadt, auf einer kleinen Insel.«

»Das sagten Sie schon«, mischte sich Bina ein.

Der Mann sah mich durchdringend an, dann reichte er mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Die Leute um uns herum verloren das Interesse und zerstreuten sich wieder. Ich nahm davon wenig Notiz.

»Ich muss Ihnen wohl danken. Mal wieder«, sagte ich und zögerte den Moment hinaus, in dem wir uns voneinander lösten.

»Das da eben war sehr dumm von Ihnen. Sie hätten ertrinken können!«

Beschämt senkte ich den Blick. »Ja, ich schätze, Sie haben recht.«

Er klopfte sich den Sand von der Kleidung und nickte leicht. »Also dann.« Er wandte sich zum Gehen. Ich war nicht fähig etwas zu sagen. Zu peinlich war mir das, was passiert war. Andererseits war ich hingerissen von der Heldenhaftigkeit dieses Mannes, auch wenn er für griechische Verhältnisse recht ernst wirkte.

»Der kam wie aus dem Nichts«, sagte Bina und schaute ihm mit mir zusammen perplex hinterher.

»Muss so was wie ein Superheld sein.«

»Ja«, hauchte ich leicht angetan.

»Und einen Knackarsch hat er auch!«

Ich nickte zustimmend.

»Der perfekte Mann.«

Dem war nichts hinzuzufügen – zumindest was das Aussehen anging.

»Wenn er nur nicht so ein Stinkstiefel wäre.« Offensichtlich teilte Bina meinen Eindruck.

»Vielleicht will er die Menschen einfach nur auf Distanz halten.«

»Häh?« Sie schaute mich ruckartig an. »Was redest du denn bitte für eine gequirlte Scheiße?«

»Ich meine ja nur. Auf mich wirkt er irgendwie … traurig.«

»Traurig? Herrje, Lissi. Nicht hinter jedem steckt eine arme traumatisierte Seele. Manche werden einfach mit dem Arschloch-Gen geboren. Merk dir das mal!«

»Deine Einstellung verbittert.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich herausfordernd an. »Hör mal, sehe ich vielleicht so aus, als wäre ich verbittert? Also ehrlich!«

Ich seufzte. Mittlerweile war mein Held hinter einer Anhöhe verschwunden.

»Du hättest ihn nach seinem Namen fragen sollen.«

Verwundert über ihre Aussage blickte ich zu Bina.

»Arschloch oder nicht, im Notfall ist er ja ganz nützlich.«

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