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Kapitel acht

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Am nächsten Morgen holte uns Denise zu den nächsten Besichtigungen ab. Es folgten weitere ernüchternde Erfahrungen im Bereich verfügbare und vor allem brauchbare Häuser. Das letzte Objekt für diesen Tag lag an der Promenade von Acharavi. Inmitten anderer Geschäftshäuser stand ein kleines rotes Steinhaus. Es hatte eine niedliche Holzveranda, blaue Fensterläden und eine hübsche weiße Tür. Bei näherer Betrachtung blätterte von den Fensterläden die Farbe, und auch das Dach schien bereits etliche Jahrzehnte auf dem Buckel zu haben. Trotzdem hatte dieses kleine Haus eindeutig etwas an sich. Etwas, das die anderen von uns besichtigten Gebäude nicht besessen hatten: Charme – und davon eine ganze Menge.

»Die Lage ist natürlich top!«, sagte Denise, während sie den Schlüssel zückte. »Die Nachbarschaft ist auch nett. Es gibt einen kleinen Lebensmittelladen, der ist hier gleich um die Ecke, und ein Hotel, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden.«

Die Tür schwang quietschend auf und wir betraten einen großen Raum. Obwohl die hohen Fenster mit Zeitungen abgeklebt waren, drang immer noch genug Tageslicht herein. An der Seite gab es eine lange Theke, Tische und Stühle lehnten aufgestapelt dagegen. Es gab zwei dekorative Steinsäulen, die den typisch korfiotischen Flair zeigten.

»Das ist es!«, brach es aus mir heraus.

»Bist du sicher?« Bina kam neben mich und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. »Ist es nicht ein wenig eng?«

»Du musst dir die Tische und Stühle wegdenken. Wir werden alles ganz neu gestalten. An die Wände kommen frische Farben. Ich will, dass alles hell und einladend aussieht.«

»Aha.« Bina schien noch nicht begeistert.

»Da drüben geht es in die Küche.« Denise deutete zu der Tür neben der Theke. »Dort ist genug Platz für einen Kühlraum, wenn ihr den brauchen solltet.«

Ich lugte in den Küchenraum. Auch er fand bei mir Anklang.

»Eine Toilette ist nebenan«, sagte Denise weiter.

»Mit nebenan meinst du, in einem anderen Zimmer oder in einem anderen Haus?« Bina schaute sie verwirrt an.

»Das Gebäude ist von 1860. Die sanitären Anlagen wurden oft erst später hinzugefügt.«

Bina zog die Nase kraus und auch meine Euphorie flachte ab.

»Aber lasst uns noch das Obergeschoss ansehen«, schlug Denise freudig vor und tippelte über den matt glänzenden, dunklen Fußboden an uns vorbei. Ich stieß Bina in die Seite und deutete hinunter. »Hochwertiges Inventar«, flüsterte ich, in der Hoffnung das würde sie überzeugen. »Ich glaube, das ist Marmor.«

Bina zog eine Schnute. Hinter Denise stiegen wir die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Alles war recht klein, aber gemütlich. Das Bad musste generalüberholt werden. Die Fliesen waren in einem grellen Gelb, die Badewanne hatte Sprünge und war so verschmutzt, dass man sich fragen musste, ob darin nicht einmal etwas verendet war. Es gab zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und eine winzige Kochnische. Ich mochte es – auch ohne Toilette. Ich nahm Bina zur Seite. »Was meinst du?«

»Hm, ich denke dieses Haus ist die reinste Bruchbude.«

»Na ja, das waren so ziemlich alle, die wir uns angeschaut haben.«

Sie nickte schnaufend.

»Aber ich mag es hier. Das Haus hat eine tolle Ausstrahlung. Es ist aus der Sissi-Zeit. Wahrscheinlich wurde es gebaut, nachdem die Kaiserin gerade auf Korfu war.«

Bina verdrehte die Augen. »Was ist das bitte für ein Kriterium?«

»Kein sehr entscheidendes«, gab ich widerwillig zu. »Aber ein i-Tüpfelchen. Stell dir das doch nur mal vor: Wir könnten so viel aus diesem Haus machen. Es könnte ein echtes Schmuckstück werden.«

Meine Schwester sah mir tief in die Augen. »Du willst es haben, oder?«

»Ja, das will ich.«

»Es ist dein Geld, Elisabeth. Du brauchst mein Einverständnis nicht.«

Ich legte den Kopf schief und stupste sie an. Ohne sie hätte ich Pauls Mercedes wahrscheinlich nicht so schnell verkaufen können. »Es mag mein Geld sein, aber es ist unsere Zukunft. Die von uns beiden oder dreien.« Ich dachte an Barnabas, der gerade in der Pension auf mich wartete. »Wir sind zusammen hergekommen. Und wir gehen zusammen unseren Weg. Seite an Seite.«

Bina lächelte gerührt. »Einverstanden«, sagte sie. »Aber lass mich die Verhandlungen übernehmen.«

»Klar.« Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich heilfroh darüber war, dass Bina das Preisgespräch führen würde. Genaugenommen war ich furchtbar schlecht in so was. Bisher hatte ich höchstens darin Geschick bewiesen, übers Ohr gehauen zu werden. Bina sagte immer, meine Gutmütigkeit würde man mir ansehen. Ein gefundenes Fressen für Menschen, die auf Provision arbeiteten.

Ich blieb etwas abseits, während Bina und Denise über den Preis des Hauses verhandelten. Meine Schwester und ich hatten vorher ein Limit festgesetzt und ich wusste, dass Bina alles versuchen würde, um deutlich darunter zu bleiben. Schließlich würde mit der Renovierung noch einiges auf uns zukommen. Noch war mein Café im Rohzustand. Es gab viel zu tun, aber es war nicht unmöglich.

Nur zehn Minuten später verabschiedeten wir uns vor der Tür von Denise. Sie gab an, nun alle Papiere fertig zu machen. Da sie dabei wie ein Honigkuchenpferd strahlte, ging ich davon aus, dass unser Limit gesprengt worden war.

»Und?«, fragte ich zaghaft.

»Ein Schnäppchen!«

»Wie viel?« Ich ging fast vor Neugier ein.

»Weniger als wir geglaubt hatten.«

»Spann mich nicht so auf die Folter.«

»Na ja, sie wollte anfangs hundertzwanzig.«

»Und dann?«

»Habe ich sie auf die Sanierungsbedürftigkeit hingewiesen und das Dach – das muss zwangsläufig irgendwann neu gemacht werden.«

»Wie hat sie reagiert?«

»Sie ist runtergegangen. Aber nicht genug für mich.«

»Was ist dann passiert?«

»Dann habe ich ihr die Exkremente gezeigt.«

»Was für Exkremente?«

»Die auf dem Fußboden.«

»Da waren Exkremente?« Ich verzog das Gesicht.

»Ja, Mäuseunrat.«

»Ist ja eklig.«

»Ja, ne? Deshalb konnte ich den Preis noch etwas drücken.«

»Um wie viel?«

»Ein gutes Stück.« Bina wühlte in ihrer Tasche und holte einen Kaugummistreifen daraus hervor.

»Jetzt sag schon!«

»Wir haben dieses Haus für schlappe fünfzigtausend bekommen. Toll, was?«

Ich dachte kurz daran, was man für dieses Geld in Deutschland bekäme. In Köln hätte es nicht einmal für eine Hundehütte gereicht.

»Aber was ist mit den Mäusen?«

»Mit welchen Mäusen?«

»Na, du hast doch gesagt, da wären Mäuse.«

»Ach Lissi, das war doch nur eine Notlüge.«

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Erleichtert atmete ich durch. »Also haben wir jetzt ein Haus!« Das musste ich erst mal verdauen. Es war schön und gleichzeitig etwas beängstigend. Eine Herausforderung.

»Wir haben ein Haus!«, versicherte Bina.

Ich fiel meiner Schwester um den Hals. Zusammen standen wir vor unserem neuen Zuhause und starrten uns an seinem Anblick fest. Gedanklich plante ich bereits alles durch, was gemacht werden musste. Wie es aussehen sollte, wenn es einmal fertig war. Ich sah das Leuchtschild über dem Eingang vor mir, die Aufsteller an der Straße. Ich konnte es kaum abwarten, endlich loszulegen.

»Unser Haus!«, sagte ich noch einmal und drückte Bina einen dicken Schmatzer auf die Wange. »Weißt du was?«

»Was?«

»Du bist die beste kleine Schwester, die man sich vorstellen kann.«

»Ich weiß«, gickelte sie.

Eine Woche später war der Kaufvertrag geschlossen. Denise überreichte uns die Schlüssel und beglückwünschte uns zu unserem neuen Eigenheim. Bina sagte, dass sie unbedingt vorbeikommen müsste, um unsere Fortschritte zu sehen. Aber aus irgendeinem Grund traute sie sich nicht mehr weiter vor als bis zur Veranda. Ich war heilfroh, endlich aus der Pension ziehen zu können. Auch Barnabas hatte die Enge unseres winzigen Zimmerchens satt. Das Haus gefiel ihm und so erklärte er gleich die Ecke neben der Theke für seine. Bina und ich beschlossen, im Alleingang mit der Renovierung des Gastraums zu beginnen. Bis die von uns beorderten Arbeiter eintreffen würden, würde es vermutlich noch eine Weile dauern. In Griechenland tickten die Uhren langsamer. Allmählich wurde mir klar, was das bedeutete. Bestellte Handwerker kamen entweder Stunden zu spät oder gar nicht, sodass wir gezwungen waren, einen Gang zurückzuschalten. Die Gelassenheit, die hier scheinbar jeder mit der Muttermilch aufgenommen hatte, musste ich erst noch mühsam lernen. Bina hatte damit weit weniger Probleme. Ich hatte schon immer gedacht, dass sie der geborene Auswanderer war. Sie machte sich nicht gerne Stress, Verpflichtungen hasste sie ebenso wie Druck. Für meine Schwester war unser kleines Abenteuer genau das Richtige und manchmal fragte ich mich, wer von uns wem den eigentlichen Gefallen getan hatte. Für sie war mein Ruf nach Freiheit auf jeden Fall genau richtig gekommen.

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