Читать книгу Der Mann, der Weltmeisterin wurde - Claudio Honsal - Страница 14
Im Riesenslalom hielten die Nerven nicht
ОглавлениеAm 11. August trat ich zu meinem zweiten und letzten Bewerb an, dem Riesenslalom. In den Trainingsläufen war ich wieder im Spitzenfeld mit dabei gewesen. Ganz vorne waren abermals die Französinnen und meine Kollegin Heidi Zimmermann gewesen. Nancy Greene hatte sich wieder erholt und sich keine schlimmen Verletzungen bei ihrem brutalen Sturz in der Abfahrt zugezogen. Die Goldmedaille, meine Goldmedaille, lag neben mir auf dem Nachtkästchen. Ich konnte mich kaum an ihr sattsehen. Ich glaube, ich habe sie noch geküsst beim Weggehen am Morgen. Vielleicht würde sie ja bald ein Schwesterchen bekommen, denn der Ehrgeiz und die Euphorie waren noch vorhanden.
Ich brannte förmlich. Eine Spitzengeschwindigkeit von 130 km/h wie bei meinem Abfahrtsflug würde sich zwar auf der Garganta-Piste nicht ausgehen, aber ich hatte mittlerweile auch gelernt, die Torstangen ganz geschickt zu nehmen. Der Stil war mir wieder ziemlich egal. Das Ergebnis zählte. Alle Blicke und Kameras waren auf mich, die Weltmeisterin, gerichtet. Wieder hob ich beim Start förmlich ab, katapultierte mich mit kräftigen Schlittschuhschritten und enormem Stockeinsatz in den steilen Hang. Vor meinen Augen hatte ich dummerweise die zweite Goldmedaille und nicht das zweite Tor. Nur für den Bruchteil einer Sekunde war ich unkonzentriert, verkantete mit dem Innenski und schon lag ich da. Von oben aus dem Starthaus konnte ich ein Raunen hören. Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf, warf mich wieder in den Hang und versuchte, das Missgeschick ungeschehen zu machen – ein sinnloses Unterfangen. Immerhin erreichte ich trotz des Sturzes noch den elften Platz. War ich zu entspannt, zu zuversichtlich oder doch zu nervös gewesen? Hatte ich deshalb diese Chance auf die zweite Goldene verschenkt? Jedenfalls gratulierte ich nach dem Rennen meiner Teamkollegin Heidi Zimmermann von ganzem Herzen zur Silbernen. Sie hatte es wenigstens geschafft, sich zwischen Marielle Goitschel und Florence Steurer zu platzieren und hatte somit einen französischen Doppelsieg verhindert.
Ein wenig enttäuscht war ich zwar, aber nicht traurig. Nach dem letzten Wettbewerb am 14. August, dem Herrenslalom, erfuhr ich dann, was meine Goldmedaille wirklich bedeutete – und zwar nicht nur für mich persönlich. Die hochfavorisierte Skination Österreich hatte lediglich vier Medaillen erringen können. Heidi hatte neben ihrer Silbernen auch noch Bronze in der Kombination geholt. Der große Karl Schranz hatte mit einer Bronzemedaille im Riesenslalom dafür gesorgt, dass die WM für die Herrenmannschaft nicht im totalen Desaster endete.
Für die Grande Nation hatte sich der Ausflug über den großen Teich jedenfalls ausgezahlt. Diese WM gestaltete sich zum größten Erfolg für Frankreich in der Geschichte aller alpinen Skiweltmeisterschaften bis zum heutigen Tag. Von den acht zu vergebenden Goldmedaillen waren sechs von französischen Athleten gewonnen worden. Unsere alpinen Nachbarn, die Schweizer, gingen – wie schon 1962 und 1964 – völlig leer aus. So sehr ich mit der Goldmedaille zufrieden war und mich darüber freuen konnte, hatte das magere Ergebnis auch für unser Team direkte Konsequenzen. Mein geliebter Trainer und Förderer Hermann Gamon und das Betreuerteam wurden nach unserer Rückkehr sofort abgelöst und in der Saison 1967/68 durch Professor Franz Hoppichler ersetzt.
Am Abschlussabend dieser 19. Ski-Weltmeisterschaften hatte man ins noble Grand Hotel – ebenfalls im Besitz der Rockefellers – gebeten. Die Stimmung in unserem Team war betrübt bis schlecht. Man hatte sich mehr erhofft. Nur Heidi Zimmermann und ich hatten Grund zum Feiern und wollten uns von dieser allgemein schlechten Stimmung nicht anstecken lassen. Wir gingen gemeinsam hinüber ins Hotel und feierten mit den Franzosen deren WM-Triumph. Heidi hatte damals schon einige Zeit eine Beziehung mit Georges Mauduit, der ebenfalls im Riesenslalom die Silbermedaille geholt hatte. Meine Goldene überstrahlte aber alles. Der Champagner floss in Strömen. Das Luxushotel verwandelte sich in kürzester Zeit in eine wilde Partyzone, die für einige Hotelgäste zu später oder früher Stunde im Pool des Hotels endete. Schließlich holte man nicht jeden Tag eine Medaille.