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Viel Glück, Erik!

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Wie die Zeit verfliegt! Über ein halbes Jahrhundert ist es nun schon her, dass ich dich als Erika kennengelernt habe. Schüchtern warst du und nicht die Schönste, aber Rennen fahren, das hast du beherrscht – runter die Abfahrtspisten ohne Rücksicht auf Verluste.

Es war nicht der Weg, sondern einzig und allein der Sieg, der dich angespornt hat, ob in Bad Kleinkirchheim oder später im fernen Chile. Es war der Skirennsport, der dich beflügelt hat, den du gebraucht hast wie die Luft zum Atmen. Das hat uns damals verbunden, ebenso wie unser Arbeitgeber Franz Kneissl, mit dessen »White Star« wir beide Goldmedaillen für ihn und für uns nach Kufstein geholt haben.

Gut kann ich mich noch an die rauschende Party in Portillo erinnern. Alle haben wir dich als Weltmeisterin gefeiert. Du hast gestrahlt und bist förmlich in den Anden-Himmel gewachsen.

Gut kann ich mich aber auch an das Jahr danach erinnern, an die Gerüchte, die wir anfangs nicht glauben wollten. Egon Zimmermann und ich haben zwar schon lange zuvor scherzhalber immer vom »Erich« gesprochen, aber angezweifelt hat wohl keiner aus dem Team, dass du ein Mädchen bist. Du warst etwas grob, du warst etwas burschikos, du warst eben ein Bauernmädel und ein Skitalent. Du hast den Frauen viele Rennen weggenommen.

Groß waren Verwirrung und Aufregung, als dein Schicksal öffentlich gemacht wurde. Noch größer war für mich allerdings das Entsetzen, als ich abseits der Öffentlichkeit erfuhr, was der ÖSV mit dir geplant hatte. Man hat damals schon nach typisch österreichischem Motto »Es muss etwas geschehen, aber es darf ja nichts passieren!« gehandelt. Stück für Stück hat man versucht, dich behutsam aus dem Rampenlicht zu drängen, dich als Erik gänzlich verschwinden zu lassen. Du hast weitergekämpft. Du hast das gebraucht, um ein richtiger Kerl zu werden. Ich habe dich nicht beneidet und beneide dich heute noch nicht um deinen Lebensweg, der dich zur Weltmeisterin werden ließ, dann zum Mann, später zum Menschen, der sich permanent beweisen musste und muss. Nicht für die anderen, sondern für dich selbst hast du diesen steinigen Weg beschritten.

Ich wurde 1972 vom IOC von den Olympischen Spielen suspendiert und ungerechtfertigt ausgeschlossen, du 1968 durch das Leben selbst. Eine ungewisse Zukunft, eine Durststrecke zwischen den Geschlechtern, zwischen der Erziehung als Frau und dem, was du seit Langem in dir tief drin gespürt und wahrgenommen hast, folgte. Keiner kann sich diese emotionale Gratwanderung, diese Achterbahn der Gefühle, nur annähernd vorstellen – auch ich nicht.

Heute bist du Ehemann und Vater und deinem Lebensinhalt, unserem Sport, als erfolgreicher Skischulbesitzer treu geblieben. Gratulation!

Hut ab vor deinen Leistungen als Erika und tiefe Verneigung, wie du dein Leben seither als Erik gemeistert hast.

Alles Gute und viel Glück!


Karl Schranz

Der Mann, der Weltmeisterin wurde

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