Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 25
Оглавление24. Februar
Was macht man an einem Zwanzig-Zentimeter-Hochschnee-Sonntag in München oder jeder anderen Stadt, wenn man kein Geld hat oder nur ganz wenig, einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und man das Bedürfnis verspürt, in einer schönen Umgebung interessanten Menschen und anderen aufregenden Dingen zu begegnen??? Richtig – man geht ins Museum.
Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon in die Pinakothek der Moderne gehen wollte, doch die passende Situation – Zeit und keine Pläne – kam eben erst kürzlich zustande.
Mit Recht ist dieses Haus Münchens ganzer Stolz, auch wenn es von außen betrachtet eher spröde wirkt. Innen dagegen enthüllen sich eine Helle und eine Schönheit, die mich sofort an die atlantischen Tempelanlagen erinnern. Sicher werden die meisten Besucher, sobald sie diese dreistöckige Kuppelaula betrachten, an das Guggenheim-Museum in New York erinnert, doch ich persönlich finde den Vergleich mit heiligen Hallen wie dem Petersdom in Rom ebenso geeignet. Es geht dabei nicht um den optischen Eindruck, sondern vielmehr um das erhabene Gefühl, das die Seele beschwingt, sobald man diese Räumlichkeit betritt, erfahrt und betrachtet. Hier schwingen Vibrationen wie in einem Gebäude aus reinem, weißem, durchscheinendem Alabaster.
Obwohl sich an diesem Tag viele Menschen, extrem lichtvolle Menschen, wie ich hinzufügen möchte, in diesem Museum aufhielten, entstand nicht das Gefühl einer erdrückenden Fülle. Die Menschen lustwandelten und strahlten etwas aus, was ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Endlich mal keine Tiefschläfer und Roboter. Man schaute sich an, lächelte, nahm sich gegenseitig wahr und grüßte sich mit einem freundlichen Blick. Liegt es daran, dass man sich hier in diesem Tempel vor der bösen Welt geschützt fühlt?
Die Kunst, die in diesem Haus gezeigt wird, ist wild, bunt und erhaben, und sie stellt die Zukunft als eine Folge der Vergangenheit dar. All diese Werke der jüngeren Meister wirken auf mich wie kostbare Verzierungen einer mehrstöckigen Hochzeitstorte. Doch es ist nicht die Kunst, die mich hier so sehr beeindruckt und überrascht, sondern die Art, wie dieses Haus, dieser Kunsttempel auf die Menschen zu wirken scheint. Es ist die Weise, wie sich die Menschen andächtig durch die Räume bewegen, auf der Suche nach dem Göttlichen, die so berührt.
Oft sitzen sie voller Hingabe vor einem Gemälde, beten es an, meditieren, kontemplieren, so wie das einst in den Kirchen und Kathedralen vor den Altären geschah.
»Heiliger Andy Warhol, Heiliger Dali, bitt für uns.«
Schritt für Schritt steigt man die breite helle Lichttreppe empor und begibt sich in eine Spirale, die in den Himmel führt. Früher hatten Dome und Basiliken keine Bußbänke und Sitzreihen, um die Gläubigen festzunageln, wie Christus an seinem Kreuz. Nein – vor langer Zeit, als noch die schwarzen Madonnen im Schoße der Heiligtümer, welches Kirchen ja wohl sein sollten, ihren Segen und die Einweihung gaben, bewegten sich die Gläubigen genauso weihevoll wie hier.
Oben angelangt und sobald man in den magischen Mosaikkreis hinunterblickt, spürt man einen gewaltigen Sog, der nicht so recht zu passen scheint. In Wien wäre diese Verlockung eine Katastrophe, denn hier zählt The Art of Entleibung zu einer gesellschaftsfähigen und hoch geachteten Kunstform, solange es gelingt, dabei Poesie walten zu lassen.
Den wohl leicht vorhandenen, doch gerne vergebenen Größenwahn des Architekten verspürt man nur hier, hier an dieser Stelle – und unten im Keller auf dem Damenklo. Nur ein Mensch, der vor lauter Weihrauch nur noch sich selbst im Zauberspiegel erblicken kann, ist in der Lage, für uns, das schwache Geschlecht, eine Örtlichkeit zu entwerfen, in der man sich die Hände zwar in silbernen Trichtern waschen darf, es vor dem so-so-la-la beleuchteten Spiegel jedoch noch nicht einmal den Hauch einer Abstellfläche gibt. Wohin mit der Tasche? Wohin mit der Haarbürste? Wohin mit Lippenstift und Puderdöschen?
Wir Frauen haben nun mal das Bedürfnis, uns immer wieder zu verschönern, und wir tun es doch auch für euch Männer.