Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 27
Оглавление29. Februar
Ja, was macht man denn mit einem Tag wie diesem, der nur alle vier Jahre auf dem Kalender erscheint und diesmal sogar noch ein Sonntag ist? Dieser geheimnisvolle Tag, von dem niemand so genau weiß, wo er sich all die anderen Jahre versteckt hält und Kinder, die an diesem Tag geboren werden, an der Nase herumführt, da er sie um all die schönen Geschenke betrügt. 29. Februar. Wo treibst du dich nur die ganze Zeit herum? Du bist ein Schelm. Das macht auch dein Verjüngungszaubertrick nicht wieder gut.
Rasputin, der ehemalige schwarze Prinz, lädt mich zur Feier des Tages nach Landshut ein, und ich ziehe mir aus einer Laune heraus mein mittelalterlich angehauchtes schwarz-rot-goldenes Dirndl an, das ihm sehr gefällt. Beim Aufbau meiner Firma und der Produktion der Penispeitsche will er mir finanziell und auch mit Rat und Tat zur Seite stehen, verkündet er mir gut gelaunt, was mich freudig erstaunt. Und dennoch fängt in meinem Innersten das rote Warnlämpchen zu blinken an. Das Gefühl, dass hinter all diesen Freundlichkeiten noch etwas anderes verborgen liegen mag, will einfach nicht verschwinden. Ein Maharadscha im Leben genügt.
Zu meiner großen Überraschung landen wir aber in Passau, dieser herrlichen Dreiflüssestadt an den Toren zum Bayerischen Walde, meiner Heimat, diesem wunderschönen Fleckchen Erde mit seinen sanften Hügeln und seinen unergründlichen Wäldern, wo ich geboren bin, wo meine Wiege stand.
»Na, ist mir die Überraschung gelungen?«, will er von mir wissen und lacht dabei so herzhaft und dröhnend, dass die Fensterscheiben des Autos leise zu klirren beginnen.
»Das kann man wohl sagen«, lautet die Antwort, während ich mit dem Kopf nicke wie ein kleines Kind, welches man fragt, ob es Bonbons haben will.
Mein Gott, der Junge gibt ja Gas, denke ich mir im Stillen, der hat sich ja den Kopf richtig zerbrochen und arbeitet mit allen Tricks.
Passau ist eine Stadt zum Schauen und zum Staunen, eine Stadt, die man mit den Augen trinken kann. Schon auf dem Weg dorthin, beim ersten Anblick der sanften, weichen Hügellandschaft beginnt mein Herz in einem anderen Takt zu schwingen und zuschlagen.
Meine Nase schnüffelte gierig die bayerische Waldluft ein, den besten Geruch dieser Erde. Nichts auf dieser Welt riecht für mich so gut wie der Bayerische Wald. Ich würde für mein Leben gerne mal an einer Eiscreme schlecken, die so gut schmeckt wie der Bayerische Wald riecht.
Passau sieht so aus, als wären die Häuser, Kirchen und Türme irgendwann einmal an diesem Ort vom Wasser angeschwemmt worden. Natürlich haben sich hier auch die Jesuiten herumgetrieben und schöne Bauten hinterlassen, wie an beinahe allen wunderbaren Plätzen dieser Erde. Das einzig Ärgerliche in Passau ist der braune Fluss. Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, dass die Donau in meiner Kindheit, wo ich sie dreimal sehen durfte, blau war – und zwar genauso blau wie der bayerische Himmel bei Sonnenschein. Niemals werde ich vergessen, wie unglaublich erstaunt ich damals war, als meine Eltern mich an die Stelle geführt haben, wo die drei Flüsse – Donau, Ilz und Inn – in den eindeutigen Farben Blau, Schwarz und Grün ineinander flossen.
Passau ist mein bayerisches Venedig. Vor allem der steil zum Domberg ansteigenden Pfaffengasse mit ihren wunderschönen Haustüren gehört meine Liebe. An manchen dieser alten, kostbar gearbeiteten Türen kann man sogar noch das Pesttürchen bewundern, durch das den Hausbewohnern zur Pestzeit Medikamente und Lebensmittel hereingereicht wurden, ohne direkt mit ihnen in Berührung zu kommen.
Es ist kalt, doch die neu erblühte Heimatliebe und Rasputins Aufmerksamkeit halten mich gut warm. Was für ein wunderschöner Tag der Überraschungen. Wundern muss ich mich über diesen hellsichtigen, liebevollen Rasputin.
Es ist der 29. Februar, ein Tag, den es eigentlich nicht gibt, und er erfüllt mir einen Herzenswunsch. Einen Wunsch, der so gut verborgen lag, dass noch nicht einmal ich davon wusste. Wie tief ist doch meine Sehnsucht nach dem Walde. Rasputin, dieser geheimnisvolle Magier ist noch viel gefährlicher als ich dachte. Er liest meine Seele wie andere ihre Morgenpost.