Читать книгу Endlich richtig angekommen - Corinna Friedel - Страница 11
Kapitel 9
ОглавлениеEinige Tage später, Henry und ich stehen vor dem Lieblingsrestaurant seiner Eltern, muss ich gestehen, dass der Plan vom abendlichen Yoga nicht ganz funktioniert hat. Einen Abend hat Nic angerufen und wir haben länger gebabbelt. Hochzeitsvorbereitungen, Babyvorbereitungen und Schwangerschaft sind aber auch fast unerschöpfliche Themen!
An einigen Abenden war ich so müde, dass ich sehr schnell auf der Couch eingeschlafen bin. Die Schwangerschaft geht nicht spurlos an mir vorüber. Wieder einmal streiche ich über meine immer größer werdende Babykugel in ungläubigem Staunen und unendlicher Vorfreude.
Der Abend direkt nach dem Yogakurs, da muss ich nicht groß erklären, dass ich nichts machen konnte. Mir tat alles weh. Jede Faser. An „kuscheln“ mit Henry war auch nicht zu denken. Er wollte gerne, aber ich bin in der jetzigen Phase der Schwangerschaft so mit den Gedanken bei den ganzen Vorbereitungen, dass ich nicht so richtig viel Lust habe.
Als wir ins Restaurant gehen, ist es schon gut besucht. Es ist ein indisches Restaurant. Überall hängen goldene Spiegel und Bilder von Buddhas. Üppig verzierte Teppiche in Rot, Gold und Grün schmücken die Wände. Typisch indische Musik erklingt leise im Hintergrund.
Seine Eltern sind schon da. Wir haben einen Tisch mit gutem Blick zum Raum.
„Hallo meine Lieben“ begrüßt uns seine Mutter mit Küsschen rechts und links.
Ich bin positiv überrascht. Heute wirkt sie nicht so hibbelig wie sonst. Und auch ihr Outfit ist nicht ganz so wild wie gewöhnlich. Lila und dunkelrot, mit goldenen Ornamenten. Der Sari fügt sich gut in das Gesamtbild des Restaurants ein.
Sein Papa ist wie gewohnt lässig gekleidet mit Jeans und T-Shirt.
Ich habe mich heute so gut in Szene gesetzt, wie ich nur kann. Schließlich will ich neben
„Mrs. Ich kann Yoga und hab eine tolle Figur- Nea“ ja nicht völlig untergehen.
Daher habe ich mich für ein rotes Umstandswickelkleid entschieden das knapp über den Knien endet. Dazu schwarze Pumps, natürlich nicht zu hoch, und einen schwarzen Mantel.
Der Vorteil an Wickelkleidern ist, dass man schwanger oder nicht, immer eine gute Figur darin hat. Das Dekolleté kommt schön zur Geltung, die Hüfte wird kaschiert.
Als wir es uns grade gemütlich gemacht haben, tauchen Nea und ihre Mutter Heike auf. Beide sehen zugegebenermaßen gut aus. Dezentes Make-Up, die Haare leicht gelockt, enge schwarze Hosen und Bluse. Fast wie Zwillinge.
Sie begrüßen zuerst meine Schwiegereltern überschwänglich, dann Henry ausgiebig und überschwänglich und widmen sich dann, wie mir scheint nicht mehr ganz so herzlich, mir zu.
Während des Essens, frage ich mal so beiläufig, wie lange sie denn in Süddeutschland gedenken zu bleiben.
„Ja weißt du, wir wollen eigentlich schon noch ein paar Monate bleiben. Ich möchte vor allem den Kontakt zu meinen alten Freunden vertiefen“ erzählt Nea im Plauderton. Irgendwie schafft sie es währenddessen in meine Richtung zu schauen, gleichzeitig Henry tief in die Augen zu schauen und ihm über den Tisch kurz über die Hand zu streichen. Sie lässt es wie eine zufällige Berührung wirken aber ich weiß, dass alles was sie tut System hat.Ich kann nicht anders als nachzufragen „wer kümmert sich denn derweil um eure Wohnungen oder euer Haus? Um die Post und Pflanzen?“
„Wir leben in einer Art Kommune. Nea und ich, plus 3 weitere Mitbewohner. Ich habe vor Jahren ein altes Bauerngehöft gekauft und renoviert“ erklärt mir Heike.
„Nach und nach haben wir dann Zuwachs bekommen. Wir haben uns in unserer Yoga-Schule kennengelernt. Die anderen sind spirituell mit uns auf einer Ebene. Unsere Chakren harmonieren und unsere Spiritualität verbindet uns auf einer höheren Ebene“. Mit verklärtem Blick beschreibt Heike mir das Leben auf ihrer „Yoga-Ranch“.
Zusammengefasst klingt es für mich als bestünde der Alltag aus Yoga, Meditation und irgendwelchen Sitzungen mit spirituellem Hintergrund die dazu dienen irgendeine andere Bewusstseinsebene zu erreichen. Ich merke wie meine Gedanken abschweifen zu unserem Böhnchen. Mit dieser ganzen Bewusstseinssache kann ich leider nicht so viel anfangen. Henry allerdings scheint auf einmal ziemlich interessiert zu sein. Er fragt ganz genau nach, wie der Hof aussieht, was renoviert wurde, wie diese Sitzungen ablaufen.
Das handwerkliche Interesse kann ich ja noch nachvollziehen. Aber seit wann interessiert sich mein Technikaffiner Mann für spirituelles Bewusstsein? Meine Alarmglocken schrillen! Ich bin mir sicher, dass er Nea nach wie vor interessant findet. Und mittlerweile bin ich mir sehr sicher, dass sie ihn nicht nur interessant findet, sondern anbaggert. Sie ist ihm auffällig zugewandt im Gespräch, streicht sich die Haare aus dem Gesicht, fummelt an ihrem Oberteil rum.
Und sie erzählt ihm in vertraulichem Plauderton, dass er auf jeden Fall auf mich aufpassen soll, da ich bereits jetzt schon Wasser eingelagert hätte und das dann mit fortgeschrittener Schwangerschaft in jedem Fall mehr wird, bis die Schuhe nicht mehr passen und die Finger anschwellen wie dicke satte Maden. Hat sie das grade wirklich gesagt?
Ich murmle eine Entschuldigung und verschwinde rasch zur Toilette. Im Spiegel sehe ich mein mittlerweile blasses Gesicht. Mir ist übel. Nea versucht vor meinen Augen mir meinen Mann abspenstig zu machen. Ich kann es nicht fassen, dass sie ihm erzählt, ich würde Wasser einlagern. Da ist es ja kein Wunder, wenn er mich irgendwann total unattraktiv findet. Der dicke Bauch mag ja die eine Sache sein. Aber dicke geschwollene Zehen und Finger findet sicher niemand super.
Ich klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht und fühle mich etwas besser. In mir weckt sich mein Kampfgeist.
Ich werde Henry schon zeigen welches falsche Spiel sie da treibt.
Hoch erhobenen Hauptes marschiere ich zielstrebig und entschlossen Mrs.Perfect jetzt einen Tritt in den Allerwertesten zu geben, natürlich nur sinnbildlich gesprochen, zum Tisch zurück.
Als ich näher komme dreht sich Henry lächelnd zu mir. Die anderen allerdings stutzen kurz und sehen mich erstaunt an.
„Schatz, du äh, bist ein bisschen nass vorne“, flüstert mir Henry diskret ins Ohr. Ich sehe unauffällig an mir runter und japp, was soll ich sagen! Mein gesamter Unterbauchbereich ist nass. Sieht aus, als hätte ich in die Hosen, oder in meinem Fall, ins Kleid gepieselt. „Ein Rolle gemacht“ wie man im schwäbischen so gerne verniedlichend sagt. Ich schwöre es ist Wasser. Ich habe mich übers Waschbecken gebeugt und da muss es nass gewesen sein. Schnell lege ich meine Serviette drüber und lächle strahlend in die Runde.
Irgendwann ist selbst der schlimmste Abend vorüber. Ich habe Trost im Essen gesucht (Butterhühnchen mit Naan Brot).
Zur Verabschiedung hat mir Nea noch fröhlich ein „bis nächste Woche im Yoga“ hinterhergerufen.
Als wir im Auto sitzen fragt Henry mich vorsichtig, ob alles ok ist. Langsam scheint es ihm zu dämmern, dass ich nicht einfach so sehr ruhig war den Abend über. Das ist eigentlich nicht meine Art.
„Um ehrlich zu sein, ist nichts ok“, gebe ich gepresst von mir. „Dieses Biest versucht dich anzubaggern!“
Ich klinge leicht aggressiv. Ich sollte in Ruhe mit ihm sprechen, ich weiß es. Leider kann ich es aktuell nicht umsetzen.
„Josi, ich weiß, du bist momentan in einer besonderen Situation“ kommt es mit ruhiger Stimme vom Fahrersitz zurück. „Nea hatte mich schon vorgewarnt, dass Schwangere Frauen mitunter sehr empfindsam sind“.
„Ach und was befähigt Mrs. Yoga - Perfect zu einer Einschätzung des Gefühllebens schwangerer Frauen“? zische ich giftig zurück.
„Sie versucht nur zu helfen. Sie hat eben viel Kontakt zu Schwangeren, durch ihre Kurse. Und da hat sie mir eben den Tipp gegeben, dass manches gesagte vielleicht gar nicht so gemeint ist“ erwidert Henry mit einem kurzen Seitenblick zu mir.
Als wir in den Hof zuhause fahren, springe ich aus dem Auto und flüchte ins Haus. Ich kann es nicht glauben! Er denkt ich übertreibe und merkt nicht, dass er es ist, der das Problem nicht erkennt.
„Josi warte“ Henry stürmt mir nach Richtung Schlafzimmer.
„Es ist nicht gut für unser Baby, wenn du dich so aufregst. Es gibt wirklich keinen Grund!“ Er greift meine Hände und schaut mir fest in die Augen. „Ich liebe dich und unser Böhnchen über alles. Ihr seid mein Leben! Da kommt niemand dazwischen. Du musst mir glauben!“
Ich sehe in Henrys liebes Gesicht und merke, wie ich mich langsam entspanne und atme tief ein und aus.
Henry zieht mich an sich. Ich seufze. Das hier ist alles was zählt. Ich kann Henry vertrauen. Er hat mir noch nie Grund gegeben, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Soll Nea doch erzählen was sie will. Er wird ihr hoffentlich nicht glauben.