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Kapitel 10

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Ich sitze über meiner Baby-Liste und versuche irgendeine Form von Vollständigkeit zu erreichen. Immer wenn ich denke, jetzt habe ich alles fällt mir wieder etwas ein. Henry ist heute mit Kumpels unterwegs. Ich habe es mir mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht.

Auf einmal klingelt es.

Vor der Tür steht völlig außer Atem Susi. Ihre Augen sind verheult und sie ringt um Fassung.

Ich ziehe sie schnell ins Haus und schließe die Tür.

„Ich, ich.“ Schluchzt sie.

„Ganz ruhig, Susi, ganz ruhig.“ Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken und halte sie fest. „Komm, wir setzen uns. Was ist denn passiert?“ Besorgt warte ich auf ihre Antwort.

Als sie sich etwas beruhigt hat, erzählt sie mir die Geschichte.

Sie hatte eine Affäre. Ausgerechnet mit unserem Ressortleiter Micha. Der ist leider verheiratet.

„Ich dachte, das wäre etwas Besonderes zwischen uns“ schluchzt Susi. Er hat mir immer gesagt, dass er sich von seiner Frau trennen will, dass er schon lange unglücklich ist in dieser Ehe. Sonst hätte ich mich doch nie, nie auf einen verheirateten Mann eingelassen Josi!“

Ich bin baff. Susi und ich arbeiten eng zusammen und ich habe wirklich nichts geahnt. Im Gegenteil. Ich dachte sie hat genug von Männern.

„Susi, ich habe nichts geahnt. Ich dachte wirklich du wartest, bis du irgendwann deinen Traumprinzen triffst. Warum hast du mir denn nichts erzählt?“

„Ich bin, es ist kompliziert. Das war alles nicht geplant. Micha und ich wir haben uns ja immer gut verstanden. Und eines Abends, wir waren beide noch länger im Büro, da hat es sich so ergeben.“

Mein Kopfkino springt augenblicklich an. Vor meinem inneren Auge drängt sich mein Schreibtisch ins Bild. Nein, Schluss damit!

Susi erzählt weiter, dass sie schnell gemerkt hat, dass sie echte, tiefe Gefühle für Micha hat. Ihm schien es ebenso zu gehen, wenn man seinen Beteuerungen Glauben schenken will. „Ich hab ihn zu nichts gedrängt. Aber gestern, habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht.“

Überrascht schau ich zu ihr.

„Positiv“ seufzt Susi und schaut mit gesenktem Kopf auf ihre Hände. „Ich hab es Micha heute Morgen erzählt, wir waren zum Frühstück verabredet. Seine Frau ist übers Wochenende mit ihren Freundinnen weggefahren. Was soll ich sagen, seine Reaktion war nicht wie erhofft.“ Schluchzend schlägt sich Susi die Hände vors Gesicht.

„Was hat er gesagt, Susi“ dränge ich sie weiterzusprechen.

„Er sagte, dass er seine Frau nicht verlassen kann. Sie ist schwanger in der 10. Woche. Was soll ich denn jetzt tun? Ich fühle mich so beschmutzt. Wenn ich das geahnt hätte. Und er hat mich glauben lassen, dass es nicht gut um ihre Ehe steht und sie eigentlich sowieso schon fast getrennt wären. Jetzt soll alles ganz anders sein. Er liebt sie, er freut sich auf ihr gemeinsames Baby. Und was ist mit mir? Ich werde einfach abgelegt wie ein alter, getragener Handschuh.“

Mitgefühl flammt in mir hoch. Arme Susi! So etwas hat sie nicht verdient. Dieser Dreckskerl hat sie unter falschen Voraussetzungen in eine Affäre gedrängt.

„Micha hat gesagt, seine Frau dürfe auf keinen Fall irgendetwas von uns erfahren oder von meinem Baby. Es sei am besten, wenn ich die Sache diskret angehe. Josi, verstehst du was das bedeutet?“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaut mich Susi an, als erhoffe sie sich, dass ich ihren Schmerz lindern kann.

„Er will, dass wir tun als wäre nie etwas zwischen uns passiert. Als hätte es nie ein =uns= gegeben. Dafür will er einen auf glückliche Familie mit seiner Frau machen.

„Ich bin für dich da Susi. Versuch an dein Baby zu denken. Du bist stark, du brauchst ihn nicht. Du hast etwas Besseres verdient als Micha.“

Es dauert bis in den späten Abend, bis Susi so weit gefasst wirkt. Ich bleibe nachdenklich zurück, als sie nach Hause geht. So schnell kann es passieren, dass eine scheinbar perfekte Beziehung in einer Katastrophe endet. Vor allem wenn Kinder involviert sind.

Ich bin so froh, dass ich jemanden wie Henry gefunden habe. Er ist sicher nicht perfekt, wer ist das schon. Aber er liebt mich von Herzen und was fast genauso wichtig ist, er erträgt meine Launen. Ich gähne und beschließe, dass es für Böhnchen und mich Zeit wird ins Bett zu gehen. Ich habe grade meinen super-flauschigen Luxus-Schlafanzug (den habe ich mir gegönnt, guter Schlaf ist in der Schwangerschaft extrem wichtig), als Henry nach Hause kommt.

Er ist offensichtlich ziemlich betrunken. Er taumelt mehr rein, als das er läuft.

„Hi Baby“ nuschelt er in meine Richtung und unternimmt einen holprigen Versuch mich zu umarmen. Seine Fahne nimmt mir für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen.

„Hattest du einen lustigen Abend? Offensichtlich hast du ein bisschen zu viel getrunken. Komm am besten gleich ins Bett.“

„Jaa, ja, ich komm schon“ Zack, lässt er sich in voller Montur aufs Bett fallen. Die dreckigen Schuhe machen es sich auf der schönen Satinbettwäsche bequem.“…schöne Grüße von ...a….“ geht der Rest des Satzes im Genuschel unter und Henry fängt übergangslos an zu schnarchen.

Da bin ich ja mal auf den morgigen Bericht zu diesem Abend gespannt, schmunzle ich in mich rein.

„DU HAST WAS?“ Ich schreie fast. Es ist Sonntag morgens und das ist nicht gut. Kein guter Start! So sollte das nicht sein! Es sollte ruhig, gemütlich und nett sein. Ist es aber nicht. Alles nicht.

Henry hat mir eben vom vorigen Abend erzählt. Kneipentour mit seinen Jungs. In einer Bar mit Livemusik sind sie dann zufällig!!!! auf „ich-spann-dir-den-Mann-aus“-Nea getroffen.

Und weil er schon gut was getrunken hatte, haben er und die Jungs eben mit Nea und ihren Mädels getanzt und noch ein bisschen weiter getrunken.

Mich überkommt das große Verlangen Henry den frisch gepressten Orangensaft ins Gesicht zu kippen. Macht man aber nicht. Ich wollte solche Situationen doch ruhiger angehen und sachlich klären. Aber innerlich überkommt mich das starke Gefühl, dass sie mir den Mann ausspannen will.

„Es war einfach nur ein Party-Abend, völlig ohne Bedeutung, Schatz“, versucht Henry es nochmal.

„Das ist mir sowas von egal, sie hat Hintergedanken! Sie hat euch mit Sicherheit absichtlich getroffen. Das kann kein Zufall sein.“ Ui ui, meine Stimme klingt ziemlich schrill. Mir egal! Ich bin sauer und das kann er merken.

„Weißt du was, ich kann es nicht mehr hören! Nea hier, Nea da, Nea hat, Nea macht…bla, bla, bla. Du vertraust mir nicht. Das ist das eigentliche Problem. Ich habe kein Interesse an Nea! Aber deine ständigen Unterstellungen nerven. Ich gehe arbeiten“, mault Henry und verschwindet im Arbeitszimmer.

Prima! Geh du nur, denke ich mir. Dann kann ich wenigstens in Ruhe vor mich hin überlegen, wie ich Nea in der nächsten Yoga-Stunde ein deutliches Statement hinterlassen kann: Finger weg von meinem Mann!

Die neue Arbeitswoche startet turbulent und so habe ich erstmal keine Zeit mir Gedanken um den Vorfall zu machen. Susi ist zwar im Büro, aber sie sieht gar nicht gut aus. Dunkle Augenringe, vom Weinen verquollene Augen, fleckige Haut und strähnige Haare. Micha sieht bei genauerem Hinsehen nicht besser aus, gibt sich im Gegensatz zu Susi aber betont fröhlich und verteilt eifrig Aufgaben. Ich versuche ihn so gut es geht mit Missachtung zu strafen. Arme Susi!

In der Mittagspause frage ich vorsichtig nach, was Micha eigentlich zur Schwangerschaft gesagt hat.

„Ich hab es ihm nicht erzählt und er soll es auch nicht erfahren“, bittet sie mich um Stillschweigen.

„Wie soll das gehen Susi? Dein Bauch wächst und du musst ja wohl irgendwann auch in Mutterschutz gehen, da erfährt es Micha ja zwangsläufig“, versuche ich die Fakten aufzurollen.

„Ja, das mag sein. Aber er wird nicht erfahren, dass er der Vater ist! Ich möchte nicht, dass mein Kind mit dem Wissen leben muss, dass sein Erzeuger kein Interesse hat und sich nicht kümmert“, gibt sie trotzig zurück.

Ich kenne Susi lange genug und weiß, wann eine Diskussion keinen Sinn mehr hat. Also erzähle ich ihr zur Ablenkung von meiner Mission, Nea in ihre Schranken zu weisen. Offensichtlich funktioniert es ganz gut, denn sie kriegt sich vor lauter Lachen überhaupt nicht mehr ein und verschluckt sich am Kantinenhühnchen.

„Du bist verrückt!“, japst sie, während sie hustend versucht das Hühnerteil aus ihrer Lunge zu befördern. „Ehrlich, du bist meine Freundin und ich liebe dich, aber das wird nicht funktionieren“, warnt sie mich. „Du bringst dich in Teufels Küche“, fügt sie sicherheitshalber dazu.

Endlich richtig angekommen

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