Читать книгу Endlich richtig angekommen - Corinna Friedel - Страница 4

Kapitel 2

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Am nächsten Morgen wache ich völlig gerädert auf. Henry und ich saßen noch den restlichen Abend zusammen gekuschelt auf der Couch. Und haben geredet. Über unsere Ängste, Sorgen, aber vor allem Freuden. Wir hoffen sehr, dass wir die Krise, die wir in letzter Zeit hatten, jetzt hinter uns lassen können. Ich war recht schnell verzweifelt, als es mit der Schwangerschaft nicht gleich klappen wollte, Henry war tiefenentspannt. Fast die ganze Zeit. Die Stimmung ist allerdings gekippt, als ich ihm damals einen Termin beim Urologen ausgemacht habe. Ohne zu fragen. Blöd im Nachhinein. Wir haben uns jetzt jedenfalls ausgesprochen und sind wieder in der Spur.

Als ich aus der Dusche steige und meinen noch flachen Bauch im Spiegel anschaue, muss ich unwillkürlich lächeln. Ein Baby! Allein die Vorstellung macht mich überglücklich. Ich betrachte meinen Körper mit anderen Augen. Meine braunen Haare, die mich an normalen Tagen wahnsinnig machen, weil sie nie so liegen wie sie sollen, leuchten heute schöner als sonst und liegen sanft auf meinen Schultern auf. Mit meinen braunen Augen bin ich ganz zufrieden. Meine Sommersprossen leuchten mich an. Heute stören mich nicht mal die kleinen Polster an Bauch, Hüfte und Oberschenkel. Die Schwangerschaft stimmt mich offensichtlich milde, meinen zahlreichen vermeintlichen Makeln gegenüber.

Nach einem kurzen Frühstück mit Henry fahre ich mit meinem alten, türkisfarbenen VW - Bus namens Lotte, Richtung Redaktion. Ich liebe dieses Auto! Wir sind seit meiner bestandenen Fahrprüfung mit achtzehn Jahren ein großartiges Gespann. Mit Lotte sind Henry und ich schon weit umhergereist. Wie schön das erst sein wird mit Baby….

Als ich am Schreibtisch sitze wird mir langsam bewusst, dass jetzt eine schwierige Zeit kommt. Ich muss auf den Frauenarzttermin in vier Wochen warten. Da bin ich dann in der neunten Woche. Erzählen vom Baby wollen wir erst in der zwölften Woche. Das sind summa summarum noch sieben Wochen. Oh weia, das kann heiter werden. Geduld zählt bekanntlich nicht zu meinen überragenden Eigenschaften.

Gegen Feierabend muss ich schon die erste Schwierigkeit in dieser Hinsicht meistern. Mein Kollege und gleichzeitig bester Freund Nicolas, von allen nur Nic genannt, stürmt gut gelaunt in unser Büro. Nic ist bei allen sehr beliebt. Er ist der Typ „Sunnyboy“, gut gebaut, blond, grüne Augen und immer gut gelaunt. Er streckt mir seine Hand entgegen und strahlt mich an. „Naaaaa?“.

„Hi Nic, wie naaa?“, gebe ich feixend zurück. Er wedelt mit der linken Hand, da fällt es mir auf. Ein schöner Ring in Silber steckt an seinem Ringfinger. „Oh, Nic! Soll das heißen Jan hat dich endlich gefragt?“

„Ja, gestern, es war so romantisch!“, seufzt er und schaut träumerisch. „Deshalb möchte ich gleich mit meinen Lieblingskollegen anstoßen, ich hoffe, du hast einen Moment Zeit für mich?“

„Ja natürlich. Gibt es schon einen Termin für die Hochzeit?“, frage ich, während ich Nic fest an mich drücke.

„Am 10. August. Wir werden auf Schloss Monrepos heiraten mit allem Drum und Dran. Ach, Josi davon habe ich so lange geträumt und jetzt soll es endlich so weit sein“, schwärmt Nic. „Schloss Monrepos! Stell dir vor – wie im Märchen. Ich und mein Prinz! Ich muss dir das unbedingt alles in Ruhe erzählen, du wirst es nicht glauben, wie er mir den Antrag gemacht hat“. Nic kommt aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Wir verabreden uns für den nächsten Abend in unserer Stammkneipe. Nick verabschiedet sich, nicht ohne vorher meine Zusage für den kurzen Sekt Empfang am Abend einzuholen.

Innerlich seufzend stimme ich zu.

Als sich nach Feierabend alle unsere Kollegen im Büro versammeln und Nick die freudige Nachricht mit uns teilt, bekomme auch ich automatisch ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Das bringt mich jetzt etwas in die Bredouille. Ich stelle das Glas so unauffällig wie möglich in einem unbeobachteten Moment zur Seite, und nehme mir stattdessen ein Glas O - Saft. Auf einmal steht unser Ressortleiter Micha neben mir.

„Josi, bist du krank? Normalerweise bist du doch einem guten Tropfen nicht abgeneigt, oder?“, Micha hat die Stimme gesenkt „Ist es wegen der Sache mit dem Eisen die du mir anvertraut hast?“ So sehr er mich mit seinem lauernden Blick nervt, der nur darauf wartet, dass ich noch mehr Schauergeschichten zu meiner Gesundheit hinter dem Ofen hervorzaubere, so froh bin ich. Micha hat mir die beste Ausrede auf dem Silbertablett geliefert. Ich beeile mich ihm zu versichern, dass er absolut Recht hat. Das Eisen. Eisen und Alkohol passt nicht zusammen, Alkohol hemmt die Eisenzufuhr, das sei ja bekannt. Zum Glück gibt er sich wissend nickend mit dieser Antwort zufrieden. Den restlichen Abend überstehe ich ohne weitere Pannen.

Am nächsten Abend steht meine Verabredung mit Nic an. Er sitzt schon an unserem Stammtisch in unserer Lieblingskneipe „Jerrys“. Hier ist alles im angesagten „Industrial Style“ eingerichtet und der Besitzer Thomas weiß immer schon genau, was wir trinken. An diesem Abend ändere ich meine Bestellung schnell um in einem Virgin Daiquiri. Als wir vor unseren Gläsern sitzen sieht mich Nic von der Seite an.

„Süße, Was ist los mit dir? Irgendetwas stimmt doch nicht. Du bist die Tage im Büro so still und gestern beim Sekt Empfang hast du dein Glas gegen einen O - Saft ausgetauscht. Magst du mir nicht sagen, was los ist?“, fragt Nic besorgt.

„Oh, na ja weißt du, aber du musst mir versprechen es für dich zu behalten vorerst“, stammle ich. „Henry und ich, wir, nun wir, wir bekommen ein Baby!“

Nic strahlt mich mit seinen leuchtenden grünen Augen an und umarmt mich freudig. „Josi, das ist ja furchtbar aufregend! Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich so sehr für euch beiden. Ich dachte mir sowas schon, du scheinst seit Tagen von innen zu strahlen.

Du, ich wollte dich noch Fragen, ob du meine Trauzeugin sein würdest? Das heißt, wenn das überhaupt geht, ich habe gar nicht gefragt, wann das Baby eigentlich kommt“, meint Nic mit einem Lächeln.

„Der Geburtstermin laut Onlinerechner wird der 01.09. sein. Genaueres weiß ich erst nach dem Arzttermin in rund drei Wochen. Ich wäre aber sehr gerne deine Trauzeugin, vorausgesetzt es stört dich nicht, dass ich bis dahin watschle, schnaufe wie ein Elefant und meine Beine nicht mehr sehen kann“, gebe ich ihm lachend Antwort.

„Das stört mich überhaupt nicht. Du wirst immer meine allerschönste, hübscheste, zarteste, elfengleiche, beste Freundin sein“, entgegnet Nic mit einem schelmischen Zug um den Mundwinkel. „Und wer weiß, vielleicht bildet den krönenden Abschluss unserer Hochzeit eine Livegeburt?“ Glucksend nimmt er einen Schluck von seinem Daiquiri.

„Nee, nee lass mal“, wehre ich schnell ab, „das soll euer Tag sein. Jetzt erzähl doch mal, wie der Antrag war“, bitte ich ihn. In den nächsten Minuten komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Antrag war bis ins kleinste Detail perfekt vorbereitet. Feines Restaurant, Rote Rosen, Champagner, Ring im Glas - nicht ohne Risiko, wenn man mich fragt. Ich freue mich sehr für die beiden, dass sie nach zehn Jahren Beziehung den nächsten Schritt wagen. Wir plaudern noch über die Hochzeitsplanungen, über die anstehenden Babyvorbereitungen und verabschieden uns früher als gewöhnlich. Die Schwangerschaft fordert ihren Tribut, mir fallen fast die Augen zu.

„Bist du auch so aufgeregt Schatz?“, will ich von Henry wissen, als wir am Frühstück sitzen. Er hat sich den Vormittag frei genommen. Heute ist der große Tag! Wir haben den ersten Frauenarzttermin. Die Zeit bis heute erschien mir unendlich. Ich bin gleich einfach froh, wenn uns der Arzt mitteilt, dass es unserem „Böhnchen“ hoffentlich einfach gut geht.

„Es geht. Das kommt bestimmt noch. Möchtest du Kaffee?“ „Nee. Lass mal. Ich mach mir lieber einen Fencheltee.“

„Fencheltee, Josi? Dein Ernst?“, er verzieht angewidert das Gesicht mit einem Grinsen. „Warum das denn?“

„Weil man laut diversen Ratgebern lieber keinen Kaffee trinken sollte in der Schwangerschaft“, verkünde ich mit gewichtiger Miene. Also mal ehrlich, man sollte doch meinen, dass er sich als werdender Vater ein bisschen mehr Wissen aneignet.

„So, so sagen das die diversen Ratgeber?“, gibt er zurück und schaut mich unschuldig aus seinen braunen Augen an. „Möchtest du dazu nicht vielleicht lieber Doktor Strick nachher fragen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie ausgerechnet du die acht Monate bis zur Geburt ohne Kaffee überstehen willst.“

„Du kannst dir deinen ironischen Ton sparen“, gebe ich unwirsch zur Antwort.

Seine Anmerkung ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Ich liebe Kaffee. Und trinke daher gerne mal mehrere Tassen am Tag. Mehr als Kaffee liebe ich nur Schokolade, um mal bei den Genussmitteln zu bleiben.

Eine Stunde später sitzen wir aufgeregt wie Kinder im Wartezimmer von Dr. Strick. Als ich aufgerufen werde ins Labor, wird Blutdruck gemessen und ich werde gewogen. Ähh? Wie jetzt? Würde ich am liebsten rufen, ich bin hier, weil ich schwanger bin, nicht weil ich Probleme mit meinem Gewicht habe! Die Assistentin notiert mein Gewicht mit undurchdringlicher Miene und schickt mich anschließend, mit Henry zusammen, zu Dr. Strick ins Behandlungszimmer. Er begrüßt uns hinter seinem großen Eichenschreibtisch mit einem freundlichen Lächeln. Ich bin schon seit meinem sechszehnten Lebensjahr bei ihm in Behandlung und schätze ihn sehr. Er ist ein aufmerksamer, graumelierter älterer Herr, der sich immer viel Zeit nimmt für seine Patienten.

„Frau Meile, meine Assistentin hat mir schon Bescheid gegeben, dass sie heute hier sind, um ihre Schwangerschaft zu bestätigen. Haben Sie vorab eventuelle Fragen?“.

„Ja“, sprudle ich los, „vorausgesetzt mit dem Baby ist alles in Ordnung, wie ist das mit dem Kaffee?“

Dr. Strick schaut mich an und muss herzhaft lachen. „Sie überraschen mich Frau Meile, normalerweise gilt die erste Frage eher dem Koitus denn dem Kaffee, aber auch das beantworte ich natürlich gerne“, zwinkert er mir verschwörerisch zu. „Sie dürfen gerne eine Tasse am Tag zu sich nehmen, das ist kein Problem. Das andere, nur falls die Frage auftauchen sollte, ist bei einer intakten Schwangerschaft ebenfalls erlaubt“. Ich versuche huldvoll zu nicken, obwohl ich feuerrot bin und meine Wangen brennen. Wie peinlich!

Wenige Minuten später starren wir gebannt auf den Ultraschallbildschirm. Dr. Strick ist hochkonzentriert. „Das schaut alles gut aus“, verkündet er nach einer Weile. „Es ist alles zeitgerecht entwickelt. Laut Berechnung ist der errechnete Geburtstermin der 31.08. Aber vierzehn Tage davor und vierzehn Tage danach, da ist alles drin“.

Erleichtert seufzen Henry und ich auf. Er erkundigt sich noch bei Dr. Strick wann das Geschlecht ungefähr zu erkennen sein wird, dann verabschieden wir uns mit dem ersten Ultraschallbild unserer kleinen Bohne.

Erleichtert gehen wir Hand in Hand Richtung Parkhaus. Auf einmal sieht Henry wie erstarrt in eine Richtung und bleibt stehen.

„Was ist denn?“ Ich will ihn weiterziehen. Er scheint sich erst bei meiner Berührung zu erinnern, dass ich neben ihm stehe.

Er schüttelt den Kopf, „alles gut, ich dachte nur eben ich hätte da jemanden gesehen…eine Kollegin“. Er murmelt so leise, dass ich ihn fast nicht verstehe.

„Ich habe mich wohl getäuscht.“ Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht und schiebt mich Richtung Parkhauseingang.

Merkwürdig. Ich muss ihn bei Gelegenheit noch mal drauf ansprechen, er sah wirklich aus als hätte er einen Geist gesehen.

Henry wechselt schnell das Thema, bevor ich näher nachfragen kann „wir haben ja vorab darüber gesprochen, dass wir unsere Eltern gleich einweihen. Bleiben wir dabei?“

„Ja, klar“, versichere ich. Ok, ja, ich habe Nic bereits eingeweiht, aber er hat es so oder so geahnt. Zudem ist er mehr Familie als „nur“ ein Freund. Die restlichen Freunde und Bekannten erfahren es auf jeden Fall erst nach den kritischen zwölf Wochen.

Endlich richtig angekommen

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