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[26]4 Einsatzkräfte: Besondere Situation

Einsatzkräfte sind durch ihre Arbeit mit besonderen Situationen konfrontiert und dadurch höheren Belastungen ausgesetzt. Auch wenn im letzten Kapitel bereits auf Einsatzkräfte eingegangen wurde, sollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte zusammengefasst und vertieft werden.

4.1 Einsätze als belastende Situation

Dass es sich bei Einsätzen um belastende Situationen handeln kann, ist eigentlich jedem Beteiligten klar. Doch wie unterscheiden sich Einsätze von anderen Situationen und was macht sie so belastend?

Dafür sind zum einen selbstverständlich die Rahmenbedingungen verantwortlich: Rettungskräfte werden in der Regel dann tätig, wenn irgendjemand in Not ist oder ein Unglück passiert ist. Das bedeutet zwangsläufig, dass Einsatzkräfte während ihrer Arbeit ständig mit Tod, Elend oder Zerstörung und Menschen in Extremsituationen konfrontiert sind. Zusätzlich wird die Arbeit durch äußere Umstände häufig erschwert und findet unter gefährlichen Bedingungen statt. Doch neben diesen Rahmenbedingungen bergen Einsätze weiteres Potenzial, das AVS zu strapazieren. In der Literatur wird eine Situation als besonders stressreich beschrieben, wenn sie unvorhersehbar, unkontrollierbar oder uneindeutig ist und [27]mit negativen Folgen assoziiert wird. Genau das trifft auf die meisten Ereignisse zu, aus denen Einsätze resultieren: Ihr Eintreten ist quasi unvorhersehbar, der Verlauf lässt sich meist weniger kontrollieren als gewünscht und die jeweilige Lage ist zu Beginn nicht eindeutig. Auch resultieren in den meisten Fällen negative Folgen, wenn auch selten für die Einsatzkräfte persönlich, so werden sie doch mit den Auswirkungen konfrontiert. Bei all diesen Situationen wird das Alarm- und Verteidigungssystem aktiv. Dadurch ist das AVS bei Einsatzkräften deutlich reger beansprucht als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Das Problem hierbei ist, dass das AVS als Notfallprogramm ausgelegt und deshalb nicht für den Dauerbetrieb geeignet ist. Es braucht nach jeder Aktivität eine gewisse Zeit, um wieder auf Normalbetrieb herunterzufahren. Wenn es diese Zeit nicht hat, kann das dazu führen, dass das Erlebte nicht ausreichend verarbeitet wird und sich die Belastungen für Einsatzkräfte dadurch kumulieren (Krampl 2007).

4.2 Hilflosigkeit und Schuldgefühle

Für das Individuum scheinen Situationen am bedrohlichsten, wenn sich der Betroffene hilflos gegenüber der Gefahr sieht. Hilflosigkeit begünstigt die Entstehung von Shutdown-Reaktion in der Stresskaskade, die als besonders belastend empfunden werden und eine hohe Gefahr aufweisen, dass der Betroffene später unter psychischer Belastung leidet. Auch wenn, wie bereits im entsprechenden Kapitel erwähnt, Einsatzkräfte, die nicht selbst Betroffene sind, selten eine Shutdown-Reaktion erleben, ist das Problem der Hilflosigkeit für [28]Einsatzkräfte trotzdem relevant: Deren Selbstverständnis ist es, in Notsituationen tätig zu werden und helfen zu können. Gelegentlich sind sie aber mit Situationen konfrontiert, in denen sie entweder nicht helfen können (beispielsweise durch fehlende Spezialausrüstung) oder nicht mehr geholfen werden kann (beispielsweise, weil der Patient schon verstorben ist). Auch können Einsatzkräfte den Verlauf der Lage nur bedingt beeinflussen: Ein Schwerverletzter kann trotz aller Bemühungen versterben oder ein Feuer auf ein benachbartes Objekt übergreifen, wenn nicht genügend Feuerwehreinsatzkräfte zur Verfügung stehen. Das Selbstverständnis, helfen zu können, kann aber dazu führen, dass die Einsatzkraft den negativen Ausgang eines Einsatzes fälschlicherweise auf die eigene, scheinbar fehlende, Kompetenz zurückführt. Man beschreibt dieses Phänomen als Egozentrismus. Die betroffene Person leidet unter Schuldgefühlen, die das eigene Selbstbild langfristig beschädigen können. Das kann dazu führen, dass die Betroffenen sich selbst als unfähige Einsatzkraft sehen, unsicher werden und somit das Stressempfinden bei zukünftigen Einsätzen steigt (Krampl 2007).

4.3 Alltagsbelastung

Zusätzlich zu den Belastungen, die aus der Konfrontation mit Einsätzen und Schuldgefühlen entstehen, arbeiten Einsatzkräfte unter schwierigen Bedingungen. Hauptamtliche Einsatzkräfte verrichten ihre Arbeit meist im Schichtdienst und zu ungünstigen Zeiten, womit viele Einschränkungen des Privatlebens und des Schlafrhythmus einhergehen. Die Arbeitszeit ist [29]durch Bereitschaftszeiten oft höher als bei sonstigen Arbeitnehmern, die Arbeitsbelastung kann stark schwanken. Ehrenamtliche Kollegen sind in der Regel ständig alarmierbar, werden im Einsatzfall aus ihrem Alltag herausgerissen und verrichten auch nach einem anstrengenden Nachteinsatz ihren normalen Beruf. Dies sind nur einige wenige Beispiele für die hohe Alltagsbelastung, unter denen Einsatzkräfte leiden können.

Merke: Bei Einsatzkräften kommen also eine Reihe von Belastungen zusammen: Die Konfrontation mit Extremereignissen, das kumulierte Erleben von Stress durch häufige Aktivität des AVS, überzogene Schuldgefühle und eine hohe Alltagsbelastung.
Krisenintervention

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