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Baron Brydan
18. Juni, 00 45 Uhr

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Kaum war der Mercedes losgefahren, telefonierte ein junger Mann vis-à-vis der Auffahrt: »Sie waren im Institut, ich folge ihnen wie geplant.«

Das Gegenüber legte, ohne ein Wort zu sagen, auf.

Der Dunkelhäutige stieg in einen alten Ford und folgte der schwarzen Limousine unauffällig. Außerhalb Berns schlossen sich in gebührendem Abstand zwei Land-Rover an. Die Autobahn A1 in Richtung Genf war in diesen frühen Morgenstunden praktisch unbefahren.

Etwas über eine halbe Stunde seit der Wegfahrt vom Archäologischen Institut hielt der alte Ford in einem Tunnel an, der nach der Durchfahrt Roshans durch die Lichtsignalanlage blockiert worden war. Die beiden Land-Rover überholten Roshan auf der anschließenden Brücke knapp, drängten ihn zur Leitplanke und nötigten ihn schließlich, mitten auf dem hohen Viadukt anzuhalten.

Bevor der Afghane reagieren konnte, feuerte einer der Verfolger eine Panzerfaust auf die Limousine ab. Die Frontscheibe zerbarst mit einem Knall und der gepanzerte Wagen wurde von der Gewalt einige Meter zurückgeschleudert und …

Der Chauffeur war sofort tot, während Roshan am Kopf blutend und benommen nach seiner Waffe griff. Mustafa lag wimmernd auf dem Rücksitz. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance. Mit gezielten Schüssen wurden sie kaltblütig getötet. Daraufhin löschten die Verfolger das brennende Fahrzeug und durchsuchten das Wageninnere.

Ein westlicher, sportlich bekleideter Mann stieg aus dem hinteren Land-Rover und gab Anweisungen. Es dauerte nicht lange, bis er den Lederbeutel in Händen hielt. Ihn in seiner Hand abwägend, schnalzte er mit der Zunge. Das müssen über zweitausend Karat sein, ein Vermögen! Dem eingespielten Team deutete er, weiterzumachen. Mit einem der Off-Roader schoben sie die Limousine dicht an die Leitplanke, während zwei Männer deren Verankerung lockerten. Der Fond des Mercedes wurde mit Brandbeschleuniger begossen.

Die ganze Aktion dauerte keine fünf Minuten.

Nachdem alles vorbereitet war, rief der Teamleiter den Mann im alten Ford an: »As-salāmu ʿalaikum. Bist du bereit?«

»Ja.«

»Du bist ein Held in unserem heiligen Kampf. Allah wird dich reich belohnen. Dein Vater ist stolz auf dich. Der Friede sei mit dir.«

»Der Friede sei mit dir«, grüßte der junge Muslim zurück. Das schweißgebadete Gesicht verhärtete sich zusehends, während der Märtyrer unaufhörlich auf das Gaspedal drückte.

Die beiden Land-Rover rollten bis zum Ende des Viadukts.

Mit über zweihundert Sachen raste der Ford auf die leicht nach links gebogene Brücke und schoss, einem Projektil gleich, in die demolierte Limousine. Ineinander verkeilt durchbrachen die Fahrzeuge die gelöste Leitplanke und stürzten in einem Feuerball in die Tiefe, bevor sie am Boden endgültig in die Luft flogen.

Befriedigt nahm der Westler sein Mobiltelefon zur Hand: »Du kannst die Ampeln wieder auf Grün stellen.« Der nachfolgende Anruf galt seinem Auftraggeber. »Ich habe den Stein und bin auf dem Weg zu Ihnen.«

Der hagere Endvierziger am anderen Ende der Leitung brummelte ein verschlafenes »sehr gut, Jones« in den Hörer und legte auf. Grinsend strich er sich seine Locken zurecht, die so schwarz wie die Nacht waren. Unbeschwert sank er zurück ins Kissen und schlief mit dem zweiten Morgenschlag des Big Ben Towers wieder ein.

Am späten Nachmittag erschien Professor Penrose in tadellosem Anzug und bestens gelaunt im Westminster Abbey. Der Intendant der ›Geheimen Königlichen Gesellschaft‹ begrüßte ihn förmlich und führte ihn in den Plenarsaal, das frühere Dormitorium der Benediktinermönche. Die illustre Gästeschar war versammelt, den offiziellen Akt zum dreihundertjährigen Bestehen der Gesellschaft zu begehen. Penrose war als Gastredner eingeladen, eine Ehre sondergleichen.

Der amerikanische Professor war der Star der Archäologie, was allerdings mehr seinem populären Nimbus des unerschrockenen Schatzjägers zu verdanken war als seinen wissenschaftlichen Meriten. Entsprechend pflegte er seinen Ruf als Indiana Jones so gewissenhaft wie seine akademischen Repräsentationspflichten. Sein rüder Ausgrabungsstil im Felde wurde dagegen von den Fachkollegen nur zu gern disqualifiziert.

Jämmerliche Neider!

Den prestigeträchtigen Auftritten verdankte er nicht zuletzt den Zustrom von immensen Forschungsgeldern. Wohlverstanden in seine Kasse, hatte er doch seine lukrativen Forschungs- und Grabungsaktivitäten geschickt von seinem Lehrstuhl an der Princeton University entkoppelt. Der bevorstehende Vortrag vor den Honorablen der historischen Sammlung des Könighauses war eine Gelegenheit, die sich nicht jeden Tag bot. Der wirkliche Grund seiner guten Laune lag jedoch sicher im Safe des Hotelzimmers verborgen: die grüne Träne Afghanistans.

Viele Jahre lang hatte er nach Spuren dieses sagenumwobenen Schatzes geforscht, von dem nur noch wenige, zumeist Spezialisten wie er, überhaupt noch wussten. Der Tipp vor einigen Tagen von einem hochrangingen Informanten aus Islāmābād hatte ihn ganz kribbelig gemacht. Dass er den Siegelstein noch vor seinem großen Auftritt in eigenen Händen halten würde, hätte er nie zu hoffen gewagt. Auch wenn das Siegel eigentlich zu groß für einen echten Smaragd war. Mehr noch. Dank dem außergewöhnlichen Aussehen des Edelsteines hatte er bereits eine Vorstellung davon, wo sein blauer Bruder verborgen sein könnte! Und das Beste, er würde heute Gelegenheit haben, mit dem vermeintlichen Besitzer zu sprechen. Der Gedanke entzückte ihn ungemein.

Der kleine Saal war hoffnungslos überfüllt, und doch erspähte Penrose die Königin nicht. Sie werde die Versammlung eröffnen, war ihm gesagt worden. Ihr gehörten ja all die Schätze, welche die Gesellschaft während Jahrhunderten insgeheim verwaltete und mehrte. Der Tower und das British Museum stellten dabei nur die in der Öffentlichkeit bekannten Teile der Sammlung zur Schau.

Wie auf ein unsichtbares Kommando verstummte der ganze Saal und alle standen auf. Der Intendant rief: »Ihre Majestät, die Königin.« Im Chor schrien die Anwesenden zurück: »Lange lebe die Königin.«

Worauf alle weiterplauderten und sich wieder hinsetzten.

»Die Loge Ihrer Majestät war schon immer so angelegt, dass sie die Versammlungen verfolgen kann, ohne selber belästigt zu werden«, erklärte der Erste Sekretär auf den fragenden Blick des Amerikaners hin.

Dann klopfte der prächtig gekleidete Intendant fünfmal mit dem Zepter auf den opulenten Holztisch, um den herum die Vorsitzenden Platz genommen hatten, und gab dem Obergeheimrat das Eröffnungswort. Nach viel Gerede, begleitet von entsprechenden Brimborium, kam Penrose an die Reihe.

Als das Thema seines Vortrages offenbar wurde, ging ein Raunen durch den Saal. Die Anwesenden lauschten seinem Mix aus Märchenwelt und Fakten gebannt. Wenn er etwas beherrschte, war es dies, die Zuhörer zu entführen. Dabei schwelgte er einmal mehr im Gefühl, dass ihm die Welt zu Füssen lag.

Schon als Kind hatte es nichts Befriedigenderes für ihn gegeben, als sein Wissen um Geheimnisse, von denen die anderen nicht die leiseste Ahnung hatten, in den schillerndsten Farben vorzuführen. Unabhängig davon, dass die Geheimnisse meistens seiner eigenen Fantasie entsprangen. Anfangs mochte es eine kindliche Realitäts-Flucht gewesen sein, später erfüllte es seine wachsende Gier nach Überlegenheit und Macht.

Das Blut, mit dem die ›Träne‹ seit kurzem befleckt war, interessierte ihn nicht. Dafür waren seine Handlanger zuständig. Und über Professor Berniér, dieses Schweizer Würstchen mit seinem Drang zum Gutmenschen konnte er nur lachen. Alles, was für ihn zählte, war die Bewunderung der Menge und die Aussicht auf Reichtum.

»… Die Leichname der drei Stammes-Oberhäupter blieben während eines ganzen Jahres aufgeknüpft. Als Zeichen dafür, dass man sich nicht ungestraft gegen den mächtigsten Beherrscher über Indien und Zentralasien erhebt. Vom Schatz fehlt seither jede Spur!«, schloss er den Vortrag.

Penrose genoss das zugleich applaudierende, mit den Beinen stampfende und johlende Publikum sichtlich. Die Mischung aus Popanz und Rowdytum amüsierte ihn. »Bei uns in den Staaten könnten sie eine Disney-Gala mit einem Football-Spektakel mischen und es käme keine vergleichbare Show heraus«, flüsterte er, nachdem er wieder neben dem Ersten Sekretär Platz genommen hatte.

Dieser blickte ihn betreten an.

Penrose nahm keine Notiz davon. Fettnäpfchen kannte er nicht einmal dem Namen nach. »Können Sie mir sagen, wer Baron Brydan ist?«

»Baron Alastair Brydan, Earl of Sussex«, antwortete der Sekretär kühl und deutete auf einen mit einem starren Stehkragen und dem Mantel der Gesellschaft geschmückten Greis.

»Können Sie mich bitte bekanntmachen?«

»Selbstverständlich.«

In diesem Moment erhob sich die ganze Gesellschaft. Von der Königin war diesmal keine Rede. Penrose wusste ebenso wenig wie alle anderen, ob sie heute überhaupt anwesend gewesen war.

Anstatt dass er nun dem Baron vorgestellt wurde, drängelte der Erste Sekretär mit den anderen durch den schmalen Ausgang in den Flur. Draußen vermischte sich die Gesellschaft mit den wartenden Entouragen zu einer dichten Menschentraube. An eine normale Konversation war unter diesen Umständen nicht zu denken.

Niemand nahm vom Archäologie-Star Notiz, was ihn nun doch befremdete. Allerdings nahm niemand auf irgendjemanden Rücksicht und die ganze Menge bewegte sich unaufhörlich in Richtung Garten und Ausgang. Hätte Penrose nicht gewusst, dass sie zum Gala-Diner im Tower geladen waren, wäre er nun tatsächlich ins Schwitzen geraten.

Da packte ihn der Sekretär am Ärmel: »Bitte folgen Sie mir.« Er schleppte den Amerikaner zu seiner Verblüffung problemlos durch das Gedränge zu einem wartenden Taxi.

»Ähm, und Baron Brydan?«

Der Erste Sekretär blickte ihn mit eisiger Miene an, als er die Autotür vehement zuschlug. Es war seine Art, sich am ungehobelten Yankee zu rächen.

Am reichhaltigen Diner im Bankettsaal im Erdgeschoss der Waterloo Barracks wurde Penrose vis-à-vis dem Obergeheimrat und seiner Gattin platziert. Endlich erfuhr er die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Der Erste Sekretär jedoch zeigte sich erst nach dem Nachtisch wieder und führte den Professor schweigend in den Rauchsalon nebenan, wo er ihm endlich den Baron vorstellte.

»Baron Brydan, Earl of Sussex, verdienter Lord-Admiral im Dienste seiner Majestät, ehemaliger Minister des königlichen Lazarettwesens, Träger des Ehrenkreuzes der königlichen Marine und Mitglied der Geheimen königlichen Gesellschaft – Professor Penrose.«

Mit einem Lächeln auf den Stockzähnen zog sich der Sekretär nach seiner letzten Attacke zurück. Penrose bemerkte den Schlag ins Gesicht nicht und streckte dem Baron die Hand hin.

»Ich sehe, Ihre Profession ist Familiensache.«

Der trotz des hohen Alters jugendlich wirkende Baron schlug ein und bat ihn, sich ihm gegenüber zu setzen. »Wie meinen Sie?« antwortete er, während er einen Pagen mit Zigarren heranbeorderte.

Penrose wählte eine wohlriechende Havanna aus, deren noble Provenienz er sehr wohl zu schätzen wusste.

»Ich denke an Ihren Dienst als Admiralitäts-Arzt in der königlichen Marine während des Zweiten Weltkriegs und an den Dienst Ihres Ururgroßvaters, Sir Lincoln Brydans, als Stabs-Offizier und Arzt in der britischen Armee in Kabul …?«

»Ah, immer auf der Jagd am Hindukusch.« Der Baron lächelte milde. »In der Tat, wir sind eine Chirurgen-Dynastie seit Anbeginn.«

»Und erst noch berühmt, gehörte Sir Lincoln Brydan doch zu der Handvoll Überlenden der insgesamt sechzehntausend britischen und alliierten Soldaten und Zivilisten der Garnison Kabuls, die auf ihrem Rückzug am Khyber Pass im Januar 1842 von den Afghanen gnadenlos massakriert wurden.«

»Für sein Zeugnis wurde ihm von Ihrer Majestät, der Königin Victoria, der Titel des Earl of Sussex verliehen. Er war der einzige Überlebende, der an der nachfolgenden Strafexpedition im September nach Kabul teilnahm, um den barbarischen Stämmen eine Lektion zu erteilen und – «

»Das Niedermachen des Marktes von Kabul würde heute kaum mehr als probater Eingriff verstanden«, unterbrach Penrose den Anflug von Stolz gelassen, »aber wäre vielleicht wirkungsvoller als das Herumlavieren unserer GIs heute.«

Irritiert hob der Baron seine linke Augenbraue.

»Bitte entschuldigen Sie. Ich möchte Sie nicht mit politischen Banalitäten langweilen, Baron Brydan. Man sagt, Ihre Familie hätte der Königin zu dieser Zeit einige Trouvaillen in die private Sammlung eingebracht?«

Der Ausdruck des Barons entspannte sich: »Die Familie Brydan ist vierundzwanzig Mal in der Inventarliste der königlichen geheimen Privatsammlung eingetragen. Ein Eintrag geht tatsächlich auf den ersten afghanisch-britischen Krieg zurück.«

»Das Fragment der Kabul-Chronik im British Museum. Aber ist es das Einzige, was Ihr Urahne damals vom Hindukusch mit nach Großbritannien brachte?«

»Sie meinen?«

»Darf ich offen zu Ihnen sein?«, der Professor setzte eine geheimnisvolle Miene auf.

»Bitte.«

»Mich interessiert der fünfundzwanzigste Eintrag im Register.«

»Mmmh«, machte der Baron und zupfte an seinem grauen Schnurrbart.

»Ich darf Ihnen versichern, Ihr Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben.«

»Das nehme ich doch an. Genauso, wie ich annehme, es in der morgigen Ausgabe des Daily Mirror lesen zu können«, gab er belustigt zurück.

»Das stimmt, aber der ganze Ruhm wird Ihre Familie bedecken!«

»Was vermuten Sie denn hinter dem nicht existierenden fünfundzwanzigsten Eintrag?«

»Nun, ich denke da an einen Edelstein, genauer an einen außergewöhnlichen Saphir. Er fungierte einst unter dem Namen ›Der Blaue Bambarakanda von Ceylon‹ und ich kenne nur die Abbildung im Juwelen-Register Ihrer Majestät, der Königin Viktoria, von 1863.«

Die Abbildung, von der er sprach, zeigte einen elliptischen und der Größe des grünen Smaragds entsprechende Edelstein, in feinem Silber gefasst. Zudem wies er den für Saphire typischen Oberschliff auf, der die sternenförmige Brechung des Lichtes so wundervoll zur Geltung brachte.

»Ich kenne ihn, und?«

»Für meinen Geschmack verlieren sich Herkunft und Verbleib des Steines in der offiziellen Beschreibung ein wenig gar geschwind.«

»Das bedeutet?«

»Dass der Juwel absichtlich aus dem Register entfernt wurde – oder …«

»… den Besitzer wechselte?«

»Genau!«

»Also in meinen Besitz befindet er sich nicht. Aber wie kommen Sie darauf, dass der Blaue Bambarakanda aus meiner Familie stammt?«

»Ich glaube, dass der Blaue Bambarakanda in Tat und Wahrheit ein blauer Hindukusch ist und mit Sir Lincoln Brydan den Weg nach London fand.« Penrose betrachtete den Baron, der überrascht aufblickte, gespannt.

»Sehr interessant. Worauf stützt sich denn Ihre Vermutung? Wie ich Sie einschätze, verfolgen Sie eine konkrete Spur?«

»Sie kennen mich gut.«

Der Professor schaute sich um, bevor er sich vorbeugte und flüsterte: »Erst kürzlich stieß ich per Zufall auf einen frappierend ähnlichen Edelstein – dessen Bruder sozusagen. Dieser stammt tatsächlich vom Hindukusch. Das reicht bereits für meine Neugierde und ich wette, dass die Geschwistersteine ein Geheimnis haben.«

»Von dem Sie mir natürlich nichts erzählen wollen?« Der Baron taute richtiggehend auf.

Ist er wirklich so schwer von Begriff oder tut er nur so, fragte sich indessen Penrose. Er mochte zwar in alle erdenklichen Fettnäpfchen treten, aber wenn es um seine Arbeit ging, hatte er seine Hausaufgaben gemacht. Dabei leistete er sich keine Fehler. Schon lange hatte er eine Anmerkung des Barons zu seinem Vortrag über den Schatz am Hindukusch erwartet. Wenn der Engländer die Legende nicht bereits vorher kannte, hätte ihm doch spätestens heute ein Licht aufgehen müssen. Entweder begriff er nicht, kannte den Stein nicht oder wollte das Geheimnis partout nicht preisgeben.

»Hm, vielleicht schon? Ein blauer Edelstein ungewöhnlicher Größe und Ausstrahlung soll in den frühen 1830er Jahren an den Hof des Emirs Dost Mohammed gelangt sein. Auf welchen Wegen und weshalb ist unklar. Vielleicht ist es nicht mehr als eine schöne Geschichte? Auf jeden Fall befand er sich nicht unter den Schätzen, welche die Briten beim Rücktritt des Emirs 1840 und bei der Vergeltungsaktion von 1842 in Kabul – sagen wir, sicherstellten?!«

»Das klingt spannend, aber Sie haben keinen stichhaltigen Hinweis?«

»Nein, aber irgendetwas sagt mir, dass Sir Brydan nicht nur die britischen Offiziere und Soldaten verarztete, sondern vor dem Exil des Emirs auch diesem seine Dienste gewährte. Ich dachte, wenn ich vielleicht in Ihrem Familienarchiv …?«

»Es stimmt, was man über Sie kolportiert – Sie besitzen den Instinkt des Jägers. Emir Dost Mohammed konsultierte Lincoln Brydan tatsächlich, das hat er in seinem Tagebuch festgehalten, aber nach den schrecklichen Ereignissen nicht gewagt, öffentlich zu bekennen. Wer weiß, vielleicht hätte er den Emir ja zugunsten der Krone beeinflussen können, nachdem er ihn von einem tödlichen Fieber befreien konnte.«

»Von einem blauen Saphir ist wohl nicht die Rede?«

»Nein?«

In diesem Moment näherte sich ein Page und flüsterte dem Baron etwas ins Ohr.

»Professor Penrose, bitte entschuldigen Sie mich, der Lord Schatzkanzler wünscht mich zu sprechen.«

Sie erhoben sich aus den schweren Polstersesseln.

»Warum besuchen Sie mich nicht in Sussex, sagen wir morgen, zum Tee, sofern Sie noch ein paar Tage in London verweilen?«

»Die Einladung an Ihren Stammessitz nehme ich gerne an, Baron Brydan.«

»Ihr Besuch wäre mir eine Ehre und ich bin sicher, dass wir eine anregende Unterhaltung führen werden, die über die Baukunst des Gemäuers hinausgeht.«

Der Alte zwinkerte fröhlich und verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verbeugung.

Wie ich doch diese englischen Knacker liebe, rieb sich Penrose die Hände, als er sich auf den Weg zurück ins Hotel machte. Für den Besuch hatte er noch einiges herzurichten.

Die verlorene Legende Afghanistans

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