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Meister seiner selbst sein

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„Bleibe deinem eigenen Leben treu!“, lautete der Aufruf meines Mentors Josei Toda, dem zweiten Präsident von Soka Gakkai. Zwei Jahre überlebte er während des Zweiten Weltkrieges im Gefängnis und nach seiner Freilassung trat er noch entschiedener für den Frieden ein als zuvor. Nach Japans Niederlage schienen die traditionellen Werte ausgelöscht oder auf den Kopf gestellt. In dieser Zeit der spirituellen Trostlosigkeit lehrte Toda, dass die Menschen ganz an den Anfang zurückkehren und ihre eigene innere Revolution erneuern müssten. Seine Lehre belebte Shakyamunis Beobachtung neu, wonach wir alle unsere eigenen Meister sind, so wie kein anderer es je sein könne; wenn wir uns nur recht disziplinierten, würden wir einen Meister bekommen wie keinen anderen. Dies könnte man in unserer Zeit durchaus als menschliche Revolution bezeichnen.

Dimitri Mereschkowski (1865–1941), ein begabter russischer Autor, machte eine ähnliche Bemerkung: „Gott gebot dem Menschen, dass er frei sei.“3 Diese Worte werden am Anfang seines Romans Peter und Alexej dreimal wiederholt. Die Frage „Wie kann man Meister seiner selbst werden?“ durchfließt die spirituelle Geschichte der russischen Nation. Mir scheint, das russische Volk war mit dieser Frage während der Vormoderne leidenschaftlicher beschäftigt als zu jeder anderen Zeit in seiner Geschichte.

Das Bemühen, Meister seiner selbst zu sein, ist ein durchgehendes Thema im Leben Peters des Großen (1672–1725). Für Historiker war es so gut wie unmöglich, einen Konsens bezüglich des Lebens dieser überragenden Gestalt zu erzielen. Einerseits hatte Peters Einführung westlicher Ideen und Technologien die Wirkung, dass Russland modernisiert und entwickelt wurde. Andererseits brachten seine Reformen dem damaligen russischen Volk sehr viel Bedrängnis, vor allem als sie durch Peters autoritäres Regime brutal unterdrückt wurden. Daher betrachten manche Historiker Peter zum Teil als Teufel, während andere in ihm so etwas wie einen Heiligen sehen. Eines aber ist klar: Peter der Große war ein gewaltiger Mann, der sein Leben der Suche nach einer Antwort auf die umfassende Frage nach Selbst-Beherrschung widmete.

Alexander Puschkin (1799–1837) pries Peter als schicksalhaften Herrscher, während Alexander Herzen (1812–1870) ihn als den ersten freien Menschen der russischen Geschichte beschrieb. Wie Atlas, der die Pfeiler des Himmels trug, trug Peter sein eigenes Schicksal auf der einen Schulter, das von ganz Russland auf der anderen. Seitdem jedoch hat sein Land versucht, mit dem alles durchdringenden Einfluss der modernen westlichen Zivilisation klar zu kommen. Russland ist nicht das einzige Land, das mit der Komplexität des westlichen Einflusses auf die Gesellschaft zu kämpfen hat. Man spürt ihn meist zunächst in den militärischen und wirtschaftlichen Systemen, wo er zuweilen eine vollständige Umwandlung der Kriegs-Technologie bewirkt. In der Folge mag dann die Kultur selbst betroffen sein, bis sie endlich in ihrer Identität bedroht ist und das Gespür der Menschen für das Selbst erschüttert wird.

Das Bemühen um Identität scheint oft im Werk Natsume Sosekis (1867–1916) auf, einem der beliebtesten modernen japanischen Schriftsteller. Soseki versuchte, während der kulturellen Verwirrung im Zuge der umfassenden Veränderung eine japanische Identität zu definieren, nachdem Japan seine Tore für die Verwestlichung geöffnet hatte. Er erinnerte sich an ein Gefühl der Ohnmacht während seiner Jugend, als er das Chaos um sich beobachtete, und schrieb: „Ich fühlte mich, als wäre ich in einem Sack verschnürt gewesen und konnte nicht entkommen.“4

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