Читать книгу Humanismus - Daisaku Ikeda - Страница 25
Niedergang der Spiritualität
ОглавлениеObwohl Japan sich dramatisch in dem Jahrhundert verändert hat, seitdem Soseki diese Worte schrieb, bezweifele ich dennoch, dass Japans heutige Jugend wirklich glücklicher ist oder auch nur zufrieden mit dem status quo. Es ist ein Fehler, Glück mit Reichtum gleichzusetzen. Die Freude, die materieller Erfolg bringt, ist immer vergänglich. Die meisten jungen Menschen in Japan sind entfremdet und ohne Ehrgeiz. Sicherlich haben sie mehr Freiheit als je zuvor, doch oft fehlt ihnen ein klares Gespür für Ziele und viele von ihnen sind verwirrt und unsicher. Manche leben nur für den Moment und für die unmittelbare Befriedigung. Kürzliche Umfragen unter Oberstufenschülern aus aller Welt besagen, dass im Vergleich mit anderen Ländern die japanischen Schüler dazu neigen, keine Hoffnung in die Zukunft zu setzen und mit ihrer Situation zufrieden zu sein, solange sie bequem ist. Obgleich Japan sich zumindest zeitweilig eines noch nie da gewesenen wirtschaftlichen Reichtums erfreut, scheint das spirituelle Leben eher zu stagnieren. Junge Menschen trachten nicht mehr danach, ihr Schicksal zu meistern.
Natürlich sind manche Menschen aktiv, motiviert und auf ein Ziel ausgerichtet. Noch verfügt Japan über junge Menschen, die über ihre eigenen Belange hinaussehen und dabei ein Gespür sowohl für Ziele wie auch eine klare Perspektive für ihre eigene Gesellschaft haben. Es gibt solche, die für den Weltfrieden arbeiten, und andere, die sich mit existenziellen Fragen abmühen, etwa, wie die Menschen leben sollten. Diese Jugendlichen, die sich deutlich von ihren apathischen Gleichaltrigen unterscheiden, lassen mich auch weiterhin hoffen, dass eine neue Philosophie entsteht, die die Menschheit in Richtung des Guten, des Konstruktiven und des Schöpferischen führt.
Wie aber sollen wir zum Meister unserer selbst werden? Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage dienen mir die Gedanken des großen Philosophen Nikolai Berdiajew (1874–1948) als Leitfaden.
„Ich habe nicht nach Isolierung meiner Persönlichkeit, nicht nach Abgeschlossenheit in mir selber und nicht nach Selbstbehauptung gestrebt, sondern danach, im Universum aufzugehen, erfüllt zu sein von universalem Gehalt, Umgang zu haben mit allen. Ich wollte ein Mikrokosmos sein, was ja auch der Mensch seiner Idee nach ist.“5
Berdiajew beschreibt die offensichtliche Befriedigung, die er spürte, nachdem er es geschafft hatte, sein eigener Meister zu sein. Diese Idee, dazu die Beschwörung des grenzenlos ausdehnungsfähigen Zustands, eins zu sein mit dem Universum, haben sehr viel gemein mit den Vorstellungen des Mahayana-Buddhismus. Der Mahayana-Buddhismus diskutiert drei Stadien des Übergangs im Leben jedes einzelnen Menschen wie auch in der Entwicklung des menschlichen Charakters. Diese sind: „das Erwachen“, „die vollkommene Ausstattung“ und „die Revitalisierung“. Ich möchte sie näher erläutern, da sie mit den Vorstellungen von fundamentaler Ordnung, Universalität und Selbsterneuerung einhergehen. Gleichermaßen möchte ich den Fokus auf die starke Strömung des russischen Humanismus richten, der einen höheren Lebenszustand anstrebt.