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Glaube und Zweifel

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Diese prinzipielle Ungesichertheit erlebt der religiöse Mensch nach Wust näherhin in Bezug auf drei Hauptfragen, nämlich in Bezug auf die Fragen der religiösen Gottesgewissheit, der Offenbarungsgewissheit und der persönlichen Heilsgewissheit. So erfährt der Mensch nicht nur die Gottesnähe, sondern immer auch die Gottesferne: „Gott ist im religiösen Gottesbewußtsein für die Seele zugleich da und nicht da. Dadurch entsteht für sie ein gewisser Schwebezustand zwischen Gewißheit und Ungewißheit.“ (UW 132) Damit bekommt der Unglaube für Wust eine „eminent positive Bedeutung“, denn dieser gehört immer schon zum Glauben dazu und verhindert so, „daß der Glaube sich einer bequemen Sekurität überlassen kann“ (ebd.). „Der Unglaube ist das nie aufhörende Stimulans des Glaubens, den er stets zu neuer Vergeistigung und zu lebendiger Verjüngung antreibt. (...) In dem Maße, wie der Gegendruck des Unglaubens nachläßt, pflegt sehr oft auch die jugendliche Beschwingtheit des Glaubens zu erlahmen.“ (Ebd.)

Auf der anderen Seite macht diese Einsicht aber auch deutlich, dass der Ungläubige „niemals zu einer bequemen ,securitas dubii‘ gelangt. Bei aller angemaßten Sicherheit in seinem positiven Gotteszweifel wird er das Unbehagen einer gewissen Unsicherheit, eines wenn auch noch so verborgenen Zweifels am Zweifel, nicht los.“ (UW 133) Von hier aus wird auch der Fanatismus des Glaubens wie des Unglaubens verständlich, nämlich als der nicht durchschaute Kampf gegen den Gegner in der eigenen Brust: „Während der Fanatismus des Unglaubens oft aus einem ihm selbst unbewußten Glauben stammt, der ihn beständig zum Kampf reizt, stammt der Fanatismus des Glaubens nicht selten aus einem ihm selbst verborgen bleibenden Unglauben, der die scheinbar oder manchmal auch wirklich überlegene Logik der ,Welt‘ als eine tatsächliche Gefahr für seine Sache betrachtet, ohne sich selbst freilich dieses Minoritätsbewußtsein offen einzugestehen.“ (UW 134) Demgegenüber gründet der Glaube, der durch den Zweifel hindurchgeht, in der Liebe und in der Demut, die an die unendliche Langmut und großzügige Geduld Gottes – selbst den Irrenden gegenüber – erinnern.

Die Brisanz dieser impliziten innerreligiösen Kritik, die sich in solchen Sätzen ausdrückt, scheint der spätere Kardinal von Galen erahnt zu haben, wenn er Wust nach Erscheinen von „Ungewißheit und Wagnis“ entgegengehalten haben soll, „der Glaube sei für ihn weder Ungewißheit noch Wagnis und solche Lektüre eigne sich auch nicht für seine Theologen“ – eine Äußerung, die Wust „tief verstört und verletzt“ haben muss (GW VIII, 82). Dass der Zweifel ein integraler Bestandteil des Glaubens ist, verbindet Wust mit dem großen Religionsphilosophen und evangelischen Theologen Paul Tillich, dessen Schriften er zum Teil gekannt haben wird.24

Das, was Wust über die Dialektik der religiösen Gottesgewissheit ausführt, bestätigt sich auch in Bezug auf die Offenbarungsgewissheit. Denn auch gegenüber dem Offenbarungswort haben „der Glaube wie der Unglaube in gleicher Weise Raum“ (UW 141). Im Rahmen dieser Überlegungen spart Wust keineswegs mit Kritik an der Institution Kirche, die immer wieder „durch das tiefe Dunkel des Menschlichen, allzu Menschlichen“ überschattet wurde und wird (UW 145). Zusammenfassend resümiert er:

„Wie aber so die Gesamtoffenbarung, zugleich mit Christus und der Kirche, immer für die ,Welt‘ in diesem sonderbaren Zwielicht dasteht, in dem sich die Scheidung der Geister vollzieht, die Scheidung zwischen den beiden Reichen des Glaubens und des Unglaubens, so verbleibt auch die einzelne gläubige Seele im sakralen Raum der Offenbarungsgewißheit immer ,in statu insecuritatis‘. Der lebendige Glaube an das Ewige Wort, an Christus und die Kirche mag noch so felsenfest sein, er wird trotzdem niemals die Seele auf ihrem inneren Wege zu Gott von den Anfechtungsmöglichkeiten befreien, die nun einmal zum Schicksal der irdischen Pilgerschaft gehören. Die irdische Hülle kann für niemand hinweggenommen werden.“ (UW 147)

Entsprechend kann auch die persönliche Heilsgewissheit nie zu einer absoluten werden. Denn eine solche würde nach Wust geradezu „eine Verwegenheit, ja eine Vermessenheit“ bedeuten (UW 152). So findet hier „das überall für die menschliche Daseinssituation geltende ,Insecuritas‘-Gesetz seine markanteste Bestätigung“. Der Mensch „muß sich erfahren als ein Wesen, das ungesichert ist bei prinzipieller oder allgemeiner Gesichertheit, als ,insecurus in securitate‘ und als ,securus in insecuritate‘“ (UW 154). Mit Josef Pieper kann Wust darum den „Habitus der hoffenden Gelassenheit“ als „den einzig angemessenen“ der menschlichen Daseinssituation bezeichnen (UW 155).

Eigensinn und Bindung

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