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Sich Achtsamkeit zu eigen machen

Nach fünfzehn Jahren im Klassenzimmer, graute Teresa vor jedem Schultag. Noch nie hatte sie eine Klasse mit so vielen dysregulierten und gestressten Kindern unterrichtet. In manchen Augenblicken eines Schultages, hin- und hergerissen von den mannigfaltigen Bedürfnissen und Ansprüchen ihrer 25 Zweitklässler, merkte sie, wie ihr Herz raste, ihre Gefühle rotierten und sie sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs bewegte. Bei dem Kurs zur achtsamkeitsbasierten Stressreduktion, an dem sie teilnahm, lernte sie zu entschleunigen, ein wenig Abstand von ihren angsterfüllten Gedanken zu gewinnen und mit den aufgewühlten Gefühlen, die in ihrem Körper aufstiegen, Freundschaft zu schließen. Langsam erkannte sie, dass sie sich in ihrem Inneren selbst wie eine aufgeregte Zweitklässlerin fühlte, und lernte, das verschreckte innere Kind in die Arme zu schließen, wenn die Panik in ihr hochstieg.

Erstaunlicherweise fühlte sie sich durch ihre Praxis nicht nur selbst wesentlich ruhiger und friedlicher, sondern mit ihr schienen sich auch ihre Schüler und Schülerinnen zu entspannen. Wenn sich nach dem Turnunterricht das übliche Chaos breit machte und Teresas Anspannung wuchs, hielt sie inne, ließ sich in das Gefühl fallen und versuchte es anzunehmen. Und irgendwie entspannten sich die Kinder mit ihr. Als hätte sie einen Eiswürfel in ein Glas heißes Wasser fallen lassen. Die erhitzten Gemüter beruhigten sich.

Und Teresas Achtsamkeitspraxis zeigte nicht nur bei ihren eigenen Schülerinnen Wirkung, nach einiger Zeit bemerkten es auch die Nebenklassen. Ihre Kollegen sagten etwas wie: „Hast du ihnen eine Happy-Droge verpasst? Kannst du mir zeigen, wie ich das mit meinen Kindern machen kann?“ Die Zauberkunst, die Teresa erlernt hatte, lautete: wenn wir Verantwortung für unsere eigene, innere Transformation übernehmen, können wir auch bei der Welt um uns Großes bewirken. Wenn wir zu dem Frieden werden, den wir in unserem Klassenzimmer sehen wollen, fühlen sich die Schüler und Schülerinnen friedlich, wenn sie in unserer Nähe sind.

Geschichten wie die von Teresa höre ich immer wieder von Pädagoginnen, die an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten und schon allein dadurch anderen den Weg weisen. Ich höre jedoch auch Folgendes ständig: „Ich versuche meinen Schülern und Kollegen Achtsamkeit zu vermitteln, damit sie entspannter und zufriedener sein können, doch sie hören mir einfach nicht zu.“ Manchmal fühlt man sich wirklich alleine, wenn man ein Lehrer ist, der sich in Achtsamkeit verliebt hat und alle mühsam kämpfenden Schüler und Kolleginnen an den positiven Auswirkungen teilhaben lassen möchte. Und doch kann man niemandem Achtsamkeit aufdrängen. Achtsamkeit ist nicht der nächste Trend in der Lehrplanentwicklung, den wir den Schulen aufzwingen. Sie ist ein organischer Prozess, der mit unserer persönlichen Entwicklung beginnt und sich durch echtes Interesse und Offenheit weiterverbreitet.

Vielleicht kommt die Schulinspektorin in unsere Klasse und ist so begeistert, dass sie uns bittet allen Lehrenden in ihrem Bezirk Achtsamkeitsunterricht zu erteilen. Oder wir verbringen unser gesamtes Berufsleben in einem einzigen Klassenzimmer, in das alle Kinder gerne kommen, weil sie es als sicheren Hafen für ruhiges und kreatives Lernen empfinden und keine einzige andere Lehrerin oder Administrator merkt etwas davon. Wir können nichts erzwingen. Die Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen birgt jedoch eine unglaublich transformative Kraft.

In einem späteren Abschnitt dieses Buches widmen wir uns dem Achtsamkeitsunterricht. Bevor wir jedoch zu unserer beruflichen Weiterentwicklung kommen, beginnen wir mit unserer persönlichen Entwicklung. Dazu sollten wir uns zunächst bewusst machen, dass alles, was wir mit Achtsamkeit erreichen wollen, bereits hier ist. Wir müssen nirgends hingehen und nichts kaufen – Achtsamkeit ist eine innere Angelegenheit. Ruhe, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und Präsenz sind Seinszustände, die wir in uns tragen und stärken, wenn wir innehalten und uns unserer inneren Welt zuwenden. Selbst ohne jegliches Achtsamkeitstraining können wir unsere alltäglichen Gedanken, Gefühle und Empfindungen hier und jetzt fließen lassen und einen Augenblick innehalten, gerade lang genug, um unserem Bewusstsein eine kleine Pause zu gönnen und wahrzunehmen, was um uns herum passiert. Nehmen wir alles einige Minuten lang in uns auf und betrachten die Wetterlage des gegenwärtigen Augenblicks.

In den folgenden Übungen befassen wir uns mit den Bereichen des Körpers, des Geistes, des Herzens, der Gesellschaft und der Ökologie. Bei jedem Innehalten und bei jeder Reflexion spielen alle diese fünf Bereiche eine Rolle, doch ohne achtsame Präsenz zieht oft viel von dem, was in unserer Welt passiert, an uns vorüber. Auch wenn wir diese fünf Dimensionen hier zunächst getrennt betrachten, ist unser eigentliches Ziel, sie zu einem integrierten Ganzen zusammenzuführen.

Die achtsame Schule - Praxisbuch

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