Читать книгу Tabu Trennung - Daniel Schneider - Страница 16
DIE FRAGE NACH DER SCHULD STELLT SICH UNS NICHT
ОглавлениеManu und seine ehemalige Frau konnten sich immer in die Augen schauen. Sie haben beide viel Wert auf Fairness und Frieden gelegt, vor allem wegen ihrer Tochter. Aber auch um sich gegenseitig keine Steine in den Weg zu legen. »Die Schuldfrage stellte sich für mich nicht«, sagt mir Manu. »Ich habe ihr nie vorgeworfen, dass sie diejenige war, die sich getrennt hat, weil ich weiß, dass ich meinen Anteil daran habe. Sie hatte den Mut zu einem Schritt, den ich nie gehabt hätte. Ich hätte mich niemals getrennt, auch wenn ich es gewollt hätte. Und auch, wenn andere einen Schuldigen in unserer Beziehung suchen, lassen wir das nicht zu. Immer wenn jemand kritisch über meine Exfrau redet, dann sage ich: Nein, sie ist toll. Es geht nicht um Schuld. Weil ich ja weiß, dass ich Fehler gemacht und um Vergebung dafür gebeten habe.«
Ich frage mich, warum Manu so demütig und weise mit dem Thema umgehen konnte. Und dann frage ich ihn und bekomme erneut eine sehr rationale, aber auch auf wundersame »Manu-Weise« sehr relevante Antwort.
»Wie schon gesagt, wenn man zu lange damit hadert, dann tut das nicht gut. Ich habe diese Grenze bewusst gezogen. Was wäre denn die Alternative gewesen? Hätten wir zusammenbleiben sollen, bis unsere Tochter mit der Schule fertig ist? 15 Jahre nebeneinanderher leben, eine vergiftete Atmosphäre ertragen und dann trennen? Das hätte doch niemandem geholfen.«
Obwohl ich es gar nicht will, denke ich ganz kurz: »Vielleicht hätte es aber irgendwann wieder funktioniert?« Aber das sage ich nicht zu Manu. Ich ärgere mich auch über diesen Gedanken. Denn er sitzt in mir drin. Das liegt zum großen Teil an meiner frommen Prägung, die da vorsieht, dass Ehen für immer halten, und wenn etwas nicht funktioniert, dann sollen sich die beiden Ehepartner doch gefälligst zusammenreißen, auf Ursachensuche begeben und vor allem ordentlich beten. Dann klappt das schon. Und wenn es nicht klappt. Uiuiuiuiui. Dann ist irgendetwas faul.
Ich muss kurz lächeln. Eigentlich glaube ich das schon lange nicht mehr. Aber die Prägung (die durchaus auch ihre guten Seiten hat) hat ganze Arbeit geleistet: Es sitzt so tief drin. »Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.« Dieser Vers aus der Bibel, (Markus 10,9) kommt mir unweigerlich in den Sinn. Er ist ein wie so oft aus dem Kontext gerissener Wortfetzen von Jesus, der Menschen in Beziehungskrisen um die Ohren gehauen wird.
Zur Erklärung: Ich glaube zutiefst, dass eine Ehe auf Dauer angelegt ist und dass wir mit der tiefen Absicht in eine Beziehung starten sollten, dass diese möglichst lebenslang hält. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir Menschen an unseren Beziehungen arbeiten können, dürfen und sogar müssen. Das hat bei Weitem nicht nur geistliche, sondern vor allem auch psychologische Gründe. Die kann ich an dieser Stelle noch nicht so genau definieren, bin mir aber sicher, dass mir das im Laufe dieses Buches mithilfe meiner Gesprächspartner gelingt.
Ich glaube aber nicht (mehr), dass eine Ehe, koste es, was es wolle, aufrechterhalten werden muss. Das ist sogar relativ unbiblisch. Denn in Gottes Wort geht es in erster Linie um Wertschätzung und Liebe. In allen Facetten. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt noch intensiver über biblische Ehen und über Gottes Sichtweise auf zwischenmenschliche Beziehungen nachdenken.