Читать книгу Tabu Trennung - Daniel Schneider - Страница 8
ОглавлениеWO BEGINNT SCHEIDUNG? BEI DER LIEBE!
Nun bin ich also »in Sachen Scheidung« unterwegs – und das im wahrsten Sinn des Wortes. Ich sitze im Zug auf dem Weg zu einem Trennungsgespräch der anderen Art. Ich bin weder beteiligt noch habe ich irgendwelche Absichten, diese Beziehung wieder flottzumachen. Denn das wäre vergebliche Liebesmüh. Es wäre zu spät. Den groben Ausgang der Geschichte kenne ich auch schon, zumindest das Endergebnis. Die Beziehung ist gescheitert. Ich bin auf der Spur von Scheidungen. Ich frage, höre zu, protokolliere und mache mir meine eigenen Gedanken.
ACHTERBAHNFAHRT INKLUSIVE
Meine Gedanken sind im Übrigen auch schon gut unterwegs. Auf Achterbahnfahrt. Seit Wochen. Seitdem ich mich mit dem Thema auseinandersetze. Journalistisch. Auf der einen Seite. Persönlich. Auf der anderen Seite. Denn die Menschen, mit denen ich mich für dieses Buch unterhalte, die die Inhalte liefern, einfach indem sie ihre Geschichte erzählen, öffnen für mich ihre persönlichen Herzenstüren und lassen mich hineinschauen. Sie kontrollieren zwar, wie weit sie die Tür aufmachen und wie lange sie für mich und damit auch für sie, werte Leser, offen bleibt.
Bei manchen Themen werde ich wahrscheinlich nur wenige Augenblicke lang durch einen winzigen Spalt einen Blick erhaschen, und in anderen Situationen wird die Tür sperrangelweit offen stehen bleiben. Und das ist völlig okay. Ich möchte, dass sie die Kontrolle über ihr Herz behalten. Ich möchte sie ihnen nicht aus der Hand reißen, nur um noch besser sezieren zu können, wie und warum eine Trennung zustande gekommen ist. Es geht mir nicht um eine allgemeine theoretische Wahrheit, sondern um die Empfindungen und Erinnerungen der/des Einzelnen.
Wenn man ein Buch über Trennungen schreibt, fängt man ja nicht bei den Trennungsgeschichten an. Zumindest nicht in der Vorbereitung. Ja, wo fängt man eigentlich an?
Ich entscheide: Bei der Liebe!
Denn ich habe keine Lust, grundsätzlich befangen und problemorientiert in die Gespräche zu starten. Deshalb begebe ich mich an den Anfang einer Beziehung. Nur für mich. Ohne weitere Gesprächspartner. Ich kenne die Liebe aus eigener Erfahrung. Ich bin verheiratet. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich meine Frau das erste Mal sah. Und ich kenne die veränderten Liebesphasen, die eine gemeinsame Beziehung so mit sich bringt, denn unser Leben verändert sich ständig. Allein schon durch die Entwicklungsphasen unserer Kinder.
Ich möchte in diesem Fall aber nicht meine persönlichen Liebeserfahrungen zu sehr in den Vordergrund stellen, sondern den kleinsten gemeinsamen Nenner eines jeden Paares etwas näher erforschen.
In meinen Recherchen erstehe ich antiquarisch deshalb das Buch Wie die Liebe anfängt – Die ersten drei Minuten von Prof. Dr. Michael Lukas Moeller. Es sieht sehr gelesen aus. Ein paar Knicke in den Seiten. Kein Wunder, denn der verstorbene Psychoanalytiker ist eine Koryphäe und gilt als »Der Papst der Paare«.
Und schon mit drei Sätzen des Klappentextes befeuert Moeller meine gedankliche Achterbahnfahrt.
»In Sekunden unbewusster Kommunikation geschieht, was das Bewusstsein manchmal erst viel später erfasst: die Liebe auf den ersten Blick. Das allein ist schon Wunder genug. Denn wenn es zwischen zwei Menschen funkt, haben sich zwei Lebensgeschichten mit allen Grundeinstellungen und geheimen Empfindungen blitzartig für einen möglichen gemeinsamen Weg abgestimmt und völlig neu kombiniert.«2
Klar wusste ich schon, dass die eigene Geschichte in einer Beziehung auf eine andere Geschichte trifft, daraus eine neue Story entsteht und so etwas für ganz schön viel Wirbel sorgen kann. Aber das so komprimiert und auf den Punkt gebracht zu lesen, beeindruckt mich erneut, und die Worte fliegen wie Sterne durch meinen Kopf, drehen Loopings und setzen sich dann fest:
Sekunden
Zwei Menschen
Unbewusste Kommunikation
Liebe
Wunder
»Unbewusstes erkennt Unbewusstes irrtumslos.« heißt es in der Psychoanalyse. Soll heißen: Bereits im ersten Augenblick haben meine Frau und ich bereits abgescannt, was vermeintlich im Verborgenen liegt.
PSYCHOLOGIE WIRD PRAKTISCH
Auch wenn das natürlich nicht bedeutet, dass ich innerhalb der ersten Minuten im Schnelldurchlauf abchecken konnte, ob und wie viel Prozent »Überlebenschance« eine Beziehung mit meiner Frau hat.
Und doch: Diese These, holzschnittartig übertragen, lässt mich annehmen, dass ich neben den auffallend schönen Augen meiner Frau durch mein Unterbewusstsein erkannte, welche Wesensmerkmale mich wenig später in ihren Bann ziehen würden. Genauso wurde mir unterschwellig klar, welche Eigenschaften mich ein gutes Jahrzehnt später in unserer Küche die Augen verdrehen lassen. Steile These, ihr lieben Psychoanalytiker.
Aber trotzdem als Inspirationsmoment für den Hinterkopf abgespeichert.
Genauso wie ein weiteres Zitat von Moeller:
»Es gibt im Grunde keine wirklich zerbrochenen Ehen, die einstige Verliebtheit ist der Garant, es gibt nur nicht gelungene.«3
Klingt ein wenig blumig, ja fast beschönigend, aber trotzdem: Es beruhigt mich.
Vor allem, weil ich kurz vorher in Vorbereitung auf das nun folgende Gespräch in einer der schönsten Studentenstädte Deutschlands eine Nachricht gelesen habe, die mich im November 2014 erreicht hat und seitdem immer und immer wieder beschäftigt. Sie stammt von Manu und mit dem bin ich jetzt zum Gespräch verabredet.