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Forschungsstand zu Graffiti

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Im Zusammenhang mit der Generalsanierung der Schlossanlage anlässlich des 300jährigen Bestehens 2004, wurden umfangreiche Spuren aufgedeckt. Durch meine Beschäftigung mit den Graffiti, gelang es mir gemeinsam mit dem Staatlichen Hochbauamt an einigen Stellen gezielt Graffiti freizulegen, die dann auch in das neue Nutzungskonzept integriert wurden. Zahlreiche Graffiti wurden allerdings auch wieder verdeckt, so blieb im Bereich des Keramikmuseums im zweiten Stock des Neuen Corps de logis kein einziges sichtbar. Die bei den Restaurierungen gefundenen Depotfunde sichtete und dokumentierte ich im Auftrag des Staatlichen Vermögens- und Hochbauamts. In der Ausstellung „Ludwigsburg 2004 Pflegen & Bewahren – Restaurierungsarbeiten Schloss Ludwigsburg“ wurden in einem Fundwürfel erstmals ausgewählte Stücke öffentlich gezeigt.

Die Arbeiten der Baubehörde selbst wurden in Raumbüchern dokumentiert und zum Abschluss der Generalinstandsetzung erschienen unter dem Titel „Ludwigsburg 2004“ vier Bände, die die Restaurierung der Fassaden, der Innenräume und die Neueinrichtung der Museen in knappen Artikeln beschreiben. Das Thema „Spuren“ wird in diesen Publikationen allerdings nur kurz im Sinne von Veränderungen und Umgestaltungen der Innenräume gestreift. Graffiti und Depotfunde wurden ausgeklammert. Lediglich Hans-Joachim Scholderer berührte in seiner Dissertation zur Restaurierung des Schlosstheaters das Thema „Spuren und Funde“ am Rande.

Im Blickpunkt meiner Magisterarbeit „Schloss Ludwigsburg – Zeitspuren eines barocken Gebäudes“ standen 1999 die Veränderungen der Innenräume sowie ein Inventar der Schlossbewohner und der im Schloss untergebrachten Behörden zwischen 1797 und 1999. Zudem stellte ich einige ausgewählte Spuren vor.

Zum Thema „Spur als Schlüsselbegriff reflektierter Geschichtsschreibung“ sind „Zeit und Erzählung“ von Paul Ricoeur sowie diverse Arbeiten von Carlo Ginzburg wesentlich.11 Es sind vor allem Denkmalpfleger, die sich mit dem Begriff der Spur befassen. Bereits 1916 hatte Max Dvorák in seinem „Katechismus der Denkmalpflege“ die Öffentlichkeit auf die größten Restaurierungssünden aufmerksam gemacht.12 In einem Bildkatalog stellte er unmittelbar die Zustände vor und nach einer Restaurierung gegenüber und sensibilisierte auf diese Weise den Blick eines breiten Publikums für das Verschwinden bestimmter Spuren und historischer Zustände. Dabei schließt er allerdings, wie viele Denkmalpfleger nach ihm auch noch, Zeugnisse seiner eigenen Epoche und der nächsten Gegenwart aus und spricht diesen jeglichen Wert ab. Seine Arbeiten sind durch einen tiefen Hass auf alle Erzeugnisse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt.

Die Veröffentlichungen von Alois Riegl, vor allem in Bezug auf den Alterswert und den relativen Kunstwert eines Denkmals, haben heute nach wie vor ihre Gültigkeit, ebenso wie Dehio‘s Aufsatz gegen den geplanten Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses. Friedrich Mielke etablierte 1975 eine Erweiterung des Denkmalbegriffs und 20 Jahre später zeigten Michael Petzet und Gert T. Mader 1995 zahlreiche neue Ansätze in der denkmalpflegerischen Praxis. Norbert Huse gibt 1996 einen Überblick über die verschiedensten Ansätze und Methoden, wie vielfältig Denkmalpflege betrieben werden kann.13

Nicht auf Ludwigsburg bezogen, finden sich zahlreiche Studien zu Graffiti, wenngleich das Interesse an antiken, vor allem an römischen Graffiti, deutlich überwiegt. Martin Langer legte 2001 die umfangreiche Studie über „Antike Graffitizeichnungen“ vor und Markus Scholz veröffentlichte zusammen mit Marcus Reuter im Limesmuseum Aalen 2004 den Ausstellungskatalog „Geritzt und entziffert“. Dann finden sich zahlreiche Studien zu mittelalterlichen Graffiti, vor allem in England und Detlev Kraack bearbeitete 1997 Inschriften und Graffiti von Reisenden und Pilgern des 14.-16. Jahrhunderts auf dem Weg ins „Heilige Land“.14 Umfassend veröffentlicht sind die Inschriften des 16. Jahrhunderts auf der Burg Pernstein in Tschechien.15 Das Verzeichnis „Die deutschen Inschriften“, auch zum Landkreis Ludwigsburg erschienen16, führt vereinzelt zwar auch Graffiti auf, endet aber in der Regel aus unverständlichen Gründen im 17. Jahrhundert. Die Forschungslücke liegt vor allem in der Neuzeit.

Diese Lücke einigermaßen auszufüllen, ist Ziel der 2001 erschienenen „Bibliographie zu historischen Graffiti zwischen Antike und Moderne“ von Detlev Kraack und Peter Lingens.17 Beispiele des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts sind allerdings auch hier in geringerem Umfang vertreten, was natürlich daran liegt, dass dieser Zeitraum generell selten untersucht wurde. Das Wiener Graffiti Archiv befasst sich mit zeitgenössischen Graffiti, Graffiti als Kunstform (American Graffiti) und Graffiti als Vandalismus. Abgesehen von wenigen Einzelbeiträgen zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, hat die Graffiti-Forschung in Deutschland erst in den 70er Jahren eingesetzt, vor allem Volkskundler und Wallfahrtsforscher hatten Graffiti als Quelle entdeckt.

G. Schober untersuchte als erster in größerem Rahmen das Phänomen der Votivgraffiti.18 Bereits 1976/77 beklagt er den Verlust von Graffiti und weist darauf hin, „dass sie bei Renovierungen oft nur als interessante historische Kuriositäten gesehen und schließlich mit einem neuen Verputz oder einem frischen Anstrich wieder beseitigt wurden.“19 Nach knapp 30 Jahren hat sich teilweise an dieser Situation nicht viel geändert. „Der deutschsprachige Forscher […] steht dem einzelnen, lokalen Graffitifund in der Regel geradezu ratlos gegenüber und vermutet, […] dass Graffiti eine bislang kaum beachtete und noch völlig unerforschte Randerscheinung der Wandmalerei seien.“20

Das zeigt sich in der 2001 publizierten umfassenden Gesamtdarstellung des Klosters Alpirsbach mit seinen zahlreichen Graffiti der Klosterschüler im Dorment. Diese werden tatsächlich nie als Graffiti bezeichnet, sondern als „gemalte Inschriften innerhalb der Wanddekoration der Klausurbauten“.21

Nach längerer Pause brachten 2017 zwei Tagungen neuen Schub in die Graffiti-Forschung. Polly Lohmann – sie selbst promovierte über pompejische Graffiti – organisierte die Münchner Tagung an der Ludwig-Maximilians-Universität „Historische Graffiti als Quellen – Methoden und Perspektiven eines jungen Forschungsbereichs“. An der Universität Urbino erforschte Raffaella Sarti die Graffiti im Palazzo Ducale, stellte ihre Ergebnisse in einer sehr sehenswerten Ausstellung dar und organisierte die Tagung „Stones, Castles and Palaces to be read in medieval and early modern Europe“.22 An beiden Tagungen konnte ich die Graffiti aus Ludwigsburg vorstellen.

1 Vgl.: Weiß 1914, Schloß Ludwigsburg; Baumgärtner 1939, Die Erbauung des Ludwigsburger Schlosses; Belschner 1904, Ludwigsburg in zwei Jahrhunderten; Fiechter/Lossen 1924, Schloß Ludwigsburg in 60 Aufnahmen.

2 Vgl. Schmidt 1954, Schloß Ludwigsburg.

3 Vgl. Fleischhauer 1958, Barock im Herzogtum Württemberg.

4 Vgl.: Scholderer 1994, Schloßtheater Ludwigsburg; Esbach 1991, Die erste Ludwigsburger Schloßkapelle.

5 Vgl.: Kotzurek 2001, „Von den Zimmern bey Hof“; Fritz 2004, Schloss Ludwigsburg als Sommerresidenz; Sting 2000, Geschichte der Stadt Ludwigsburg, Band 1.

6 Vgl. Schulz 1999, Schloss Ludwigsburg – Zeitspuren.

7 Vgl. 300 Jahre Schloss Ludwigsburg 2004.

8 Vgl.: Ludwigsburg 2004; Hofgeschichten 2004; Schloss Ludwigsburg 2004, Geschichte einer barocken Residenz.

9 Vgl. Bidlingmaier 2008: Klassizismus und Empire in Schloss Ludwigsburg.

10 Vgl.: Diek 2001, …solche so Kostbahr ornirten Gallerien…; Raible 2015, Rangerhöhung und Ausstattung,

11 Vgl.: Ricoeur 1991, Zeit und Erzählung; Ginzburg 1983, Spurensicherungen.

12 Vgl. Dvorák 1916, Katechismus der Denkmalpflege.

13 Vgl.: Riegl 1996, Gesammelte Aufsätze; Dehio/Riegl 1988, Konservieren, nicht restaurieren; Mielke 1975, Die Zukunft der Vergangenheit; Petzet/Mader 1995, Praktische Denkmalpflege; Huse 1996, Denkmalpflege, deutsche Texte aus drei Jahrhunderten.

14 Vgl.: Langer 2001, Antike Graffitizeichnungen; Scholz/Reuter 2004, Geritzt und entziffert; Pritchard 1967, English medieval graffiti; Kraack 1997, Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise.

15 Vgl. Jeřábek 2000, Zpravy Statniho pamatkoveho ustavu u Brne. In drei Artikeln wird über die Restaurierung der Graffiti berichtet, einzelne vorgestellt und transkribiert. Auf den Fotos sieht man auch immer wieder Zeichnungen (oft nur angeschnitten), auf die allerdings nicht näher eingegangen wird.

16 Vgl. Die Inschriften des Landkreises Ludwigsburg 1986.

17 Vgl. Kraack/Lingens 2001, Bibliographie zu historischen Graffiti.

18 Vgl. Schober 1976/77, Die Votiv- und Graffitifunde.

19 Schober, 1976/77, S. 234f.

20 Kraack, Lingens 2001, S. 16.

21 Seeliger-Zeiss 2001, Die Inschriften Alpirsbach, S. 576ff. Zum Rötel-Graffito einer Kirche in einer der Zellen des Dorments heißt es, es handle sich um „Überreste einer laienhaften Raumausstattung, die jedoch kein durchgängiges Ordnungsprinzip erkennen lässt“ (Wilhelm 2001, Die Wandmalereien in Alpirsbach, S. 510). Das vereinzelte Graffito eines Reiters wird absurderweise zur „nicht fertig gestellten Vorzeichnung“ einer Raumdekoration (Ebd. S. 507).

22 Vgl. Sarti u.a. 2017.

Verborgene Spuren in Schloss Ludwigsburg

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