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Beziehungen
Worum geht es?
Beziehungen* bestehen aus dem Austausch von Energie- und Informationsflüssen*. Wenn wir miteinander kommunizieren, tauschen wir Energie* in Form verschiedener Signale aus, die oft einen Informationswert besitzen. Ein Lächeln „bedeutet“ etwas, wenn wir mit einem anderen Menschen kommunizieren. Es deutet auf einen angenehmen inneren Zustand* der Freude und Zufriedenheit hin. Ein Lächeln kann auch „bedeuten“, dass der andere Mensch ängstlich ist, aber diesen unangenehmen Zustand mit einem gezwungenen Lächeln verdeckt, was dann wiederum einen Informationswert enthält, der aber auf eine ganz andere Bedeutung* hinweist, als sie sich im Gesichtsausdruck zeigt. Manchmal sind wir einfach nur präsent, spüren unsere Energie und teilen diesen Energiefluss mit anderen, mit oder ohne symbolischen Wert. In diesem Fall gibt es vielleicht keine bestimmte Bedeutung im Sinne einer Information*, die in der Präsenz* des anderen kommuniziert wird, obwohl diese Präsenz selbst „bedeutsam“ sein kann. Alles hängt von der Bedeutung des Begriffes Bedeutung ab! Wenn kein spezifischer repräsentativer* Symbolismus – mit Worten oder ohne Worte – mit dem Energiemuster verbunden ist, nennen wir es einfach „Energie“. Deshalb nutzen wir den Ausdruck „Energie und Information“, wobei man sagen kann, dass alle Information durch den Fluss* der Energie im Verlauf der Zeit geschaffen wird. Nicht jede Energie enthält Information. Ich erwähne das hier, weil Beziehungen aus allen möglichen Formen der Kommunikation bestehen, und wir auf vielfältige Weise den Energie- und Informationsfluss miteinander austauschen. Beziehungen bestehen aus den emergenten Mustern dieses Austauschs im Verlauf der Zeit. Aufgrund dessen ist es nützlich, hier das Konzept des Flusses zu verwenden, und der Begriff „Fluss“ ist wichtig, obwohl er einigen vage erscheinen mag. Ein Merkmal von Beziehungen ist der Austausch von Veränderungen der Energie im Lauf der Zeit. Dies sind die Muster des Energieflusses, die manchmal einen Informationswert enthalten. Denken Sie an die verschiedenen Beziehungen, die Sie mit anderen Menschen haben: Manchmal fühlen wir uns verstanden und unsere inneren Bedeutungen des Geistes* werden gesehen und respektiert. Andere Beziehungen können herausfordernder sein und die innere Realität unserer Gefühle und Gedanken werden nicht gesehen und nicht respektiert. Wir kommunizieren durch die Energie unserer Worte und durch unseren nonverbalen* Ausdruck, der gesehen und gehört werden kann, aber der andere Mensch bildet aus diesen Energiesignalen keine informierende Bedeutung. Wir fühlen uns getrennt, missverstanden und allein. Die Natur unserer Beziehungen wird unmittelbar dadurch geformt, wie in diesem Austausch des Energie- und Informationsflusses die Energie geteilt und die Informationen gebildet werden.
Implikationen: Was bedeuten Beziehungen für unser Leben?
Wenn wir Beziehungen auf diese Weise definieren, dann können wir wahrnehmen, dass die Muster des Energie- und Informationsaustausches in den Interaktionen von Menschen Gewohnheiten bilden. Das trifft auch auf die Beziehung zu ganzen Gruppen von Menschen oder auch nicht-menschlichen Entitäten, wie dem lebendigen Planeten Erde zu. Innerhalb von interpersonellen Beziehungen zwischen zwei Menschen, die wir als Dyaden bezeichnen, können wir sehen, dass diese Muster sich ständig gegenseitig verstärken. Und manchmal geschieht diese Verstärkung in einer Weise, die uns nicht unterstützt. Der Geist, den wir in unserer eigenen subjektiven Welt erfahren, kann voller Frustration sein, wenn der andere Mensch unsere innere Welt nicht mit positiver Aufmerksamkeit sieht und wertschätzt. Mindsight* ist ein Begriff, der sich auf die Fähigkeit bezieht, die innere Welt eines anderen Menschen – und auch unsere eigene – zu sehen und zu respektieren. Mindsight bedeutet, wie wir die Information schaffen – die Bedeutung, die in den Energiemustern, die von einem zum anderen Menschen gesendet werden, eingebettet ist. Empathie*, Mitgefühl*, Geist-Bewusstheit, psychologisches Einfühlungsvermögen, Reflexion*, Mentalisierung* und die Theorie des Geistes sind nützliche wissenschaftliche Begriffe, die sich auf dieses wichtige Konzept beziehen. Sie erklären, wie ein Mensch den informierenden Wert – die Signifikanz der Bedeutung – der inneren subjektiven mentalen Welt eines anderen Menschen sieht.
In Beziehungen innerhalb von Familien kann man die intergenerationale Weitergabe von Kommunikationsmustern erkennen. Sie werden durch wiederholte Erfahrungen von Austauschmustern des Energie- und Informationsflusses verstärkt. Neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Epigenetik* haben auch gezeigt, das Veränderungen in den Kontrollmolekülen, welche die Genexpression regulieren* auch eine wichtige Rolle bei dieser intergenerationalen Weitergabe von Kommunikationsmustern spielen. Beispielsweise kann die Erfahrung von extremem Stress* in einer Generation durch die Geschlechtszellen – das Ei und die Spermien – weitergegeben werden, wodurch in zukünftigen Generationen die Fähigkeit zu Stressregulation möglicherweise gestört ist. Diese epigenetischen Veränderungen können sich direkt auf die Teile des zentralen Nervensystems auswirken, die die Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinden-Achse (HPA) kontrollieren. Dadurch kann die Freisetzung des Stresshormons Cortisol nicht mehr angemessen reguliert werden. Wenn dies geschieht, verstärkt sich der kumulative Effekt von Stressoren auf das Individuum, der auch als allostatische Last bezeichnet wird. Ohne eine ausgeglichene neuronale Kontrolle kann das System* der Familie weiterhin die Fehlregulation von emotionalen* Reaktionen fortsetzen und diese Muster können die Entwicklung von gesunder* Regulation innerhalb des Familiensystems stören. Wenn eine Generation überwältigende Erlebnisse durchgemacht hat, eine Hungersnot oder einen Genozid zum Beispiel, ist es möglich, dass die Kinder und sogar die Enkel regulative epigenetische Faktoren geerbt haben, die die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, schwächen. Wir werden nicht nur durch das Verhalten oder durch Geschichten, die wir hören, beeinflusst, sondern auch durch die regulativen Moleküle, die die Genexpression in Bereichen des Gehirns* kontrollieren, welche so wichtige Funktionen wie unsere Stressreaktion erfüllen.
Aus einer Makro-Perspektive der größeren Systeme können wir wahrnehmen, dass unsere Gesellschaft durch den Austausch eines Energie- und Informationsfluss funktioniert. Dies bezeichnen wir als Kultur* und durch die Perspektive der Interpersonellen Neurobiologie* können wir ihre Wirkungsweise verstehen: Energie- und Informationsmuster werden in unserer Gesellschaft durch Kommunikation zwischen Menschen, durch die symbolischen Elemente der Medien und durch die Methoden der Interaktion innerhalb verschiedener Gruppen ausgetauscht. Der Kontext* der Kultur formt direkt unseren Geist, denn die Kultur ist ein relationaler* Prozess*, der grundlegend für die Funktion des Geistes und die Entwicklung des Gehirns ist.
Wenn wir den Geist als relationalen Prozess betrachten, sind wir fähig, die Interaktionen der wechselseitigen Kommunikation innerhalb von Dyaden, Familien, Schulen, Gemeinschaften und unserer gesamten Gesellschaft als wichtige Aspekte der Entwicklung des Geistes im Verlauf der Zeit und auch hinsichtlich seiner Funktionsweise in der Gegenwart zu sehen. Gemäß dieser Sichtweise sind der Geist, die Beziehungen und das Gehirn Teil einer Wirklichkeit: sie sind ein Energie- und Informationsfluss. Wer wir sind, ist nicht unabhängig von unseren Beziehungen oder von unserem verkörperten Gehirn, sondern wir entstehen genau daraus. Kultur ist keine „Hinzufügung“, die nur Experten verstehen können, sondern es ist die relationale Matrix, in der sich der Geist entwickelt. Lehrer, Kliniker und Eltern – in der Tat wir alle – können die Kraft der Beziehungen nutzen, um das gesunde Wachstum anderer zu fördern. Wir können auch zu „kulturellen Evolutionisten “ werden, die in unseren modernen Gesellschaften die Bedingungen für gesunde Beziehungen schaffen. Hier können wir vorschlagen, dass eine gesunde Beziehung an der Würdigung von Unterschieden zwischen Menschen und der Kultivierung ihrer Verknüpfung* durch mitfühlende, respektvolle Kommunikation erkennbar ist. In buchstäblich allen Dimensionen der Interpersonellen Neurobiologie werden wir diese Erkenntnis wiederfinden: Gesundheit entsteht durch die Verknüpfung differenzierter* Teile eines Systems. Daran sehen wir, dass Integration* die Grundlage guter Gesundheit ist.
Wenn eine Beziehung integriert ist, dann bewegt sie sich in Harmonie. Das hört sich gut an, aber was genau ist eine integrierte Beziehung? In einer Beziehung besteht Integration aus der Kultivierung mitfühlender Kommunikation, welche die Innenwelten zweier Menschen in einen engen Kontakt bringt. Integration ist die Verknüpfung differenzierter Teile, deshalb werden integrierte Beziehungen durch die Wertschätzung von Unterschieden und die Förderung mitfühlender Verbindungen gekennzeichnet. Solch eine Beziehung zeigt das Merkmal der integrativen Kommunikation*, in der die Innenwelt jedes Menschen – der subjektive Aspekt des Geistes – für seine einzigartigen Eigenschaften gewürdigt wird und in fürsorglicher Kommunikation verbunden ist.
Integration ist etwas anderes als Vermischung. Integration setzt voraus, dass wir Elemente unseres differenzierten Selbst aufrechterhalten, während wir auch unsere Verknüpfung stärken. Zu einem Teil eines „Wir“ zu werden, bedeutet nicht, dass wir unser „Ich“ verlieren. Integration als ein Schwerpunkt der Intervention in einem ganzen Spektrum von Integrationsbereichen* wird zur fundamentalen Grundlage dafür, wie wir die Prinzipien der Interpersonellen Neurobiologie in der Förderung gesunder Beziehungen anwenden können.