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Was war ein Gott?

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Die verschiedenen Wörter für „Gott“ in den Sprachen des alten Orients kennen wir im Allgemeinen gut, doch was genau sie bezeichnen, ist nicht ganz so einfach zu sagen.


Abbildung 1 – Uruk-Vase: Diese Ansicht des oberen Teils der Alabastervase aus der Uruk-Zeit um 3100 v. Chr. zeigt einen nackten und daher vermutlich reinen Vertreter der Gemeinde, der der Göttin einen Korb Datteln darbringt, die sie gnädig akzeptiert, vielleicht um sie in ihrem Lagerraum zu verstauen. Die an Flaggen erinnernden Symbole hinter ihr zeigen, dass sie Inanna darstellen soll, die Göttin des Himmels, die mit dem Morgen- und dem Abendstern assoziiert wurde – und mit den Lagerhäusern, die sehr wichtig waren für den Erfolg einer Gemeinde. Zeichnung von A. Day.

Sicherlich gibt es eine sprachliche Kontinuität von ilum im Akkadischen über el in Texten aus dem Syrien des 2. Jahrtausends und dem hebräischen el und elohim, einem Plural, der wahrscheinlich eher die Bedeutsamkeit denn die Mehrzahl des Objekts ausdrücken soll, bis hin zu Allah, dem arabischen Namen des einen Gottes. Die Wurzel dieses Wortes hat mit Macht zu tun, und natürlich gilt ein Gott als Zentrum von Macht, d.h. er hat die Fähigkeit, Dinge in der Welt geschehen zu lassen.

Das sumerische Wort in der ersten Schriftsprache Mesopotamiens lautet dingir, geschrieben mit dem Zeichen für Stern und manchmal selbst als an zu lesen – das ist der Name des Himmelsgottes. Es ist unklar, womit dingir verwandt ist, und dasselbe gilt für das ägyptische Wort, das wir mit „Gott“ übersetzen, neṯer. Es ist möglich, dass neṯer mit neṯery, „Natron“, verwandt ist, einem Salz zur Trocknung und Reinigung, und folglich „sauber“, „rein“ bedeutete. Vielleicht war aber auch das Konzept des Gottes zuerst da, und man verband es automatisch mit Reinheit.

Weil der Kontrast zu unseren eigenen Ansichten oft extrem und überraschend ist, ertappen wir uns oft dabei, wie wir die Erfahrungen der Menschen im Altertum verallgemeinern; davor sollte man sich jedoch hüten, denn das Altertum selbst verallgemeinerte überhaupt nicht gern. Man kümmerte sich stets um eine ganz bestimmte Gottheit und seine oder ihre besonderen Fähigkeiten. Im Folgenden sind einige Eigenschaften dieser Götter aufgeführt.

Einige Götter waren nicht unsterblich. Ihr Sterben war ein zentraler Bestandteil der über sie erzählten Geschichten und offenbar auch ihrer Anbetung (also der Handlungen ihrer Gemeinden, um ihrer zu gedenken). Insbesondere wichtig war der Zyklus der mesopotamischen Göttin Ištar und ihres Gatten Tammuz. In diesen Geschichten hatte die Göttin den Wunsch, die Unterwelt zu besuchen, aus der man in der Regel nicht mehr zurückkehrte und wo die Toten kaum noch als Individuen existierten. Ihre Schwester regierte dort, und sie hatte sich mit dieser noch nie gut verstanden. Als sie eintraf, wurde sie totgeschlagen, und ihr Tod führte dazu, dass die Erde aufhörte, fruchtbar zu sein. Die anderen Götter sorgten sich und schickten Gesandte, die die Göttin wiederbeleben sollten, die jetzt nur noch totes Fleisch war. Die Schwester protestierte, aber man einigte sich auf einen Kompromiss: Ištar durfte auf die Erde zurückkehren, aber eine Hälfte des Jahres trat nun ihr sorgloser Ehepartner, der jugendliche Fruchtbarkeitsgott Tammuz oder Dumuzi („gerechter Junge“ auf Sumerisch), an ihre Stelle. Er stand vermutlich für die angenehmere, fruchtbare Jahreshälfte, und wenn er fort war, regierte der regenlose irakische Sommer mit seiner unbarmherzigen Hitze und Trockenheit, in dem nichts wachsen wollte (Pisi 2001).

Götter waren auch nicht allwissend. Ein Beispiel dafür findet sich in der Geschichte von der Sintflut, als die meisten der großen Götter beschlossen, die Menschen zu vernichten, weil sie so viel Lärm machten. Ein Gott war jedoch insgeheim anderer Meinung und alarmierte den Helden der Flut, ein Boot zu bauen und zu verhindern, dass das Leben auf der Erde ausstarb. Als die anderen großen Götter davon erfuhren und merkten, dass man sie betrogen hatte, wurden sie wütend, aber dem Abweichler gelang es schließlich, sie davon zu überzeugen, dass es ungerecht sei, alle zu vernichten. Die großen Götter wussten also nicht über alles Bescheid, was geschah, selbst nicht im Zusammenhang mit wichtigen Entscheidungen, die sie getroffen hatten (Foster 2005: 252).

Götter waren auch nicht allmächtig. Sie galten als spezialisiert, die einen befassten sich mit diesem Phänomen, andere mit jenem. Enlil, „Herr des Windes“ auf Sumerisch, war zuständig für das Wetter und ein Gott, der fast überall in der irakischen Ebene verehrt wurde. Er war der Hauptverantwortliche für die Sintflut. Aber es gab auch den Herrn der Erde, Enki, der auch der Gott des Süßwassers war, das alles blühen ließ und den Menschen überhaupt erst ermöglichte, zu leben. Wenn die Götter sich versammelten, verkörperten sie eine gewaltige Macht, und wenn sie sich auf etwas einigten, dann geschah es auch, wie eben die Sintflut. Doch ihre Macht war nicht absolut, und es war nicht leicht, sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Berühmte Helden konnten nach dem Tod zu Göttern werden, wie z.B. Gilgamesch. Solche Leute waren in der Regel bereits im Leben Menschen mit hohem Status und weithin bekannt, und was es bedeutete, dass jemand zum Gott wurde, war nicht immer ganz klar. In Ägypten galt schon sehr früh der jeweilige König als Gott, als eine ganz bestimmte Art von Gott, als neṯer nefer, „der gute Gott“, der beeinflussen konnte, was tatsächlich im Hier und Jetzt geschah. Trotzdem konnte dieser Begriff auch auf einen kürzlich verstorbenen König angewendet werden, dessen Macht in diesem Leben mit dem Tod geendet hatte. Offensichtlich starben solche Götter und standen nicht immer als Persönlichkeiten zur Verfügung, die im Leben anderer intervenierten. Es gab auch Helden der Kultur, wie den mutmaßlichen Pyramidenbaumeister Imhotep, die nach ihrem Tod zu Göttern wurden. In seinem Fall bedeutete das, dass ihm Tempel errichtet wurden und dass ihm in späteren Zeiten zumindest Architekten und Bauherren Respekt zollten. Vielleicht stellten sie sich vor, dass er eingreifen würde, um die Bauwerke, die sie errichteten, zu perfektionieren, so wie es sich im Mittelalter die Christen von ihren Heiligen erhofften (Wilkinson 2003: 111–113).

Die Situation im alten Irak war um einiges komplexer. Dort genügte es den Herrschern zumeist, sich als Auserwählte der Götter zu sehen oder auch als Kinder der Götter. Aber um 2200 v. Chr. behauptete der König von Akkad, Naram-Sîn, tatsächlich ein Gott zu sein.

In der Praxis bedeutete das, dass die Könige nun ihren Namen mit dem dingir-Zeichen davor schreiben ließen. Wir wissen nicht, ob man dies auch mitsprach, vielleicht war es nur ein Hinweis für Schriftgelehrte. Die Könige behielten diese Gewohnheit (vielleicht ohne weiter darüber nachzudenken) für die nächsten 300 Jahre bei, während ganze Dynastien untergingen und Traditionen sich änderten. Einige ließen sich Tempel bauen und ordneten Opfer für sich selbst an, und doch regierten sie als Menschen mit all ihren Fehlern, trafen nicht immer glückliche Entscheidungen und starben am Ende.

Unklar ist, was andere Mesopotamier von diesen Entwicklungen hielten, aber es birgt schon eine gewisse Ironie, dass die spätere mesopotamische Überlieferung berichtet, Naram-Sîn, der eigentlich nicht der letzte König seiner Linie war, sei für den Fall seiner Dynastie aufgrund von Freveln gegenüber den großen Göttern verantwortlich gemacht worden. Es gibt keine zeitgenössischen Belege dafür, dass dem so war, und es ist auch nicht besonders wahrscheinlich. Allerdings waren die Mesopotamier der Ansicht, dass irgendjemand für den großen Umbruch verantwortlich sein musste, und weil er so berühmt war, schob man die Schuld Naram-Sîn zu. Mag sein, dass zu den Freveltaten, die spätere Epochen ihm vorwarfen, der Anspruch auf Göttlichkeit gehörte, aber überliefert ist das nicht. Spätere Könige taten es ihm nur allzu gern nach.

Heute sieht man dies oft als krassen Versuch, die Untertanen die königliche Macht spüren zu lassen, das Königsamt als etwas ganz Besonderes darzustellen, ganz ähnlich wie die europäischen Könige, die sich von Gottes Gnaden eingesetzt wähnten. Es kann jedoch durchaus sein, dass das gemeine Volk diesen Anspruch gar nicht allzu ernst nahm. Es gibt einen Hinweis darauf, dass einige versuchten, dem regierenden König zu schmeicheln, indem sie ihren Kindern Namen gaben, in denen der Name des Königs enthalten war, eine Praxis, die man aber allerdings noch beibehielt, nachdem die Vergöttlichung der Könige eine Ende gefunden hatte. Einer dieser Namen war ein Kompliment an Hammurabi, den König, der den Brauch beendete; ein Junge trug um 1750 v. Chr. herum bis zum Erwachsenenalter den Namen Hammurabi-nuḫdi-matim – „Hammurabi ist der Reichtum des Landes“. Vermutlich hatte er einen kürzeren Spitznamen.

Ein Aspekt der Vergöttlichung war der Gedanke, dass nur der König, der das religiöse Zentrum von Nippur nahe dem heutigen Bagdad kontrollierte, zu seinen Ehren Königshymnen komponieren lassen konnte. Nach Akkad scheinen Könige die Tatsache respektiert zu haben, dass in späteren Epochen zwar mehrere Könige um die Macht wetteiferten, dass derjenige in Nippur aber der ranghöchste unter ihnen war. Vielleicht erklärten sich auch andere zu Göttern, aber der Herrscher von Nippur tat dies ganz bestimmt (Hallo 1963). Einige sehen in Hammurabis Verzicht auf die königliche Vergöttlichung einen selbstbewussten Hinweis auf die Fremdheit der Könige amurritischer (oder westlicher) Abstammung, mit dem Argument, dass sich die Amurriter durch eine Vergöttlichung irgendwie beleidigt gefühlt hätten. Allerdings waren die meisten der Könige, die sich in den zweihundert Jahren vor Hammurabi nur allzu bereitwillig zu Göttern erklärt hatten, ebenfalls amurritischer Herkunft. Ethnische Herkunft scheint indes keine ausreichende Erklärung für das Ende der Vergöttlichung zu sein. Spätere Könige ließen ihren Namen manchmal mit dem göttlichen Determinativ schreiben, auch wenn sie keine anderen Insignien der Vergöttlichung verwendeten.

Wenn also Könige und Helden Götter sein konnten, was war denn dann ein Gott? Ein Gott war jemand mit außerordentlicher Macht und Erfolg und jemand, der diese Macht über große räumliche und vielleicht sogar zeitliche Distanz ausüben konnte. Wenn Könige und Helden Götter waren, dann waren die Götter gar nicht so weit weg oder so ganz „anders“, als man es in späteren Zeiten annahm. Ein altes Gedicht beginnt mit den Worten: „Als Götter Menschen waren …“, und in gewissem Sinne könnte diese Phrase auf die Einstellung der Menschen gegenüber den mesopotamischen Göttern zurückverweisen; sie waren nicht so weit weg oder so ganz anders, aber natürlich waren sie dennoch mächtig und manchmal auch gefährlich (Foster 2005: 227).

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