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Kapitel 4
ОглавлениеLokomotivdepot SBB, Luzern, Schweiz,
März 2019
Kost erzählte von den vielen gemeinsamen Jahren mit Eiholzer und es schien, als würde der Tote in den Erzählungen seines Freundes wenigstens für eine kurze Zeit wieder zum Leben erweckt. Bei den witzigen Anekdoten verschwand auch für wenige Augenblicke der Trauerausdruck in Kosts Augen. An Bussmann nagte sichtlich das schlechte Gewissen, als er sich gezwungen sah, Kost in die Realität zurückzuholen und die Befragung in eine Richtung zu lenken, aus der Bussmann erste wichtige Angaben für die Ermittlungen erhalten könnte.
„Wie haben Sie Herrn Eiholzer denn gefunden?“
Kost benötigte offenbar einen Moment, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Dann räusperte er sich.
„Meine Schicht hatte begonnen, ich sollte als erstes einen Zug vom Depot in den Bahnhof stellen. Als ich die Treppe hinunterstieg, sah ich die orange Warnweste dort liegen. Unten erkannte ich, dass es Thomas war!“
„Warum erkannten Sie ihn, der Kopf war völlig zerfetzt, als wir hier auftauchten!“
Statt einer Antwort zog Kost seinen rechten Ärmel zurück. Auf dessen Unterarm prangte eine Tätowierung; ein Anker und ein Papagei. Bussmann nickte. Dasselbe Tattoo war ihm auch bei Eiholzers Leiche aufgefallen.
„Thomas und ich hatten uns dieses Tattoo auf Antigua stechen lassen, als wir auf Weltreise waren!“
„Bussmann! Was geht hier vor?“, platzte ein schwitzender Frank Bachmann, mit einer ebenso gehetzt wirkenden Corinne Eichenberger, in Bussmanns Büro. Bachmann war seines Zeichens Regierungsrat und in Personalunion Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements und somit Bussmanns oberster Vorgesetzter.
Sorry, ich versuchte ihn aufzuhalten!, schien Corinnes entschuldigender Blick zu signalisieren, Bussmann zwinkerte ihr vergebend zu.
„Wie meinen Sie das, Herr Regierungsrat?“
„Dieser Mord, das sieht nach einem Heckenschützen aus, die Leute in Luzern haben Angst!“
Bussmann seufzte. Die spärlichen Anhaltspunkte, die sie hatten, deuteten tatsächlich auf einen Heckenschützen hin. Keiner der befragten Anwohner schien das Geräusch eines Schusses vernommen zu haben, ebenso schien niemand etwas gesehen zu haben.
Kurz nachdem Kost die Geschichte mit der Tätowierung erzählt hatte, war dessen Vorgesetzter wieder hereingeschneit und hatte Bussmann gebeten, dieser stressigen Situation ein Ende zu bereiten. Bussmann hatte zähneknirschend eingewilligt, mehr liess sich aus Kost zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht herausholen.
Nach einer kurzen Besprechung mit dem Einsatzleiter vor Ort waren Bussmann und Sauter ins Hauptquartier an der Kasimir-Pfyffer-Strasse zurückgekehrt. Peinlich berührt musste Bussmann am Empfang seinem jungen Kollegen den Vortritt lassen, weil er seine komplette Ausrüstung inklusive Badge zuhause gelassen hatte. Silvia Immoos am Empfang konnte sich ein Schmunzeln nur schwer verkneifen.
„Wir geben unser Bestes, den Mordfall schnellstmöglich aufzuklären!“
„Das will ich auch hoffen, ich will ein sicheres Luzern für meine Wählerinnen und Wähler. Denken Sie bitte daran, dass Ende Monat Regierungsratswahlen stattfinden und meine politische Zukunft auf dem Spiel steht!“
„Ich verspreche es!“ Zur Unterstreichung seines Schwurs reckte Bussmann Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in die Höhe. Bachmann nahm es zufrieden zur Kenntnis.
„Ich weiss, dass Sie es schaffen, Bussmann! Sie sind unser bester Mann!“
Dann rauschte der Regierungsrat aus dem Zimmer und Bussmann wandte sich Kripochefin Eichenberger zu, welche den Wortwechsel schweigend mitverfolgt hatte.
„Es stirbt ein Mensch und für ihn ist die Politik am Wichtigsten!“, enervierte sie sich und stemmte ihre Hände in die Hüfte, was Bussmann zum Lachen brachte.
„Ich kann ihn irgendwie verstehen“, entgegnete er. „Wenn seine Abteilung gute Arbeit macht, dann kann er sich auf die Schulter klopfen.“
Augenrollend seufzte Eichenberger. „Was ist der neuste Stand der Ermittlungen?“
„Ich schlage vor, wir treffen uns alle in fünfzehn Minuten im Besprechungsraum RIGI zum Rapport. Aber zuerst muss ich noch meine Frau anrufen!“
„Was zum Henker ist nur in dich gefahren?!“ Automatisch entfernte Bussmann sein Mobiltelefon vom Ohr, um die Gefahr eines Tinnitus stark zu reduzieren.
„Schatz, es tut...“
„Dein Schatz kannst du dir in den Arsch schieben!“, keifte Ingrid. Bussmann stutzte. Seit wann hatte die denn ein solches lautstarkes Organ?
„Es war ein Notfall...“, versuchte er zu beschwichtigen, doch Ingrid unterbrach ihn erneut.
„Ein Notfall? So nennst du das also, wenn diese blonde Tusse auf dem Schreibtisch die Beine breit macht?“
Ach, daher wehte der Wind: Die liebe Eifersucht... Bussmann biss sich auf die Lippe, um nicht loszuprusten.
„Die blonde Tusse ist Kripochefin und sie ist vergeben, genauso wie ich!“
„Spielt das eine Rolle? Viele Menschen betrügen ihre Partner am Arbeitsplatz. In der Beate...“
„Ingrid!“, jetzt wurde Bussmann bestimmt. „Du sollst mehr deinem Ehemann als diesen nervigen Hochglanzpostillen Glauben schenken! Ich. Liebe. Dich. Und zudem ist Corinne viel zu jung! Die hat einen Fitnesstrainer als Freund, was will die von so einem alten Knacker wie mir!“
Bussmann bemerkte, wie Ingrid ein paar Mal nach Luft schnappte. Er wusste nicht, wieso sie plötzlich solch eine Paranoia besass, dass er sie betrügen würde. Dies würde ihm niemals in den Sinn kommen, zumal er als Polizist genau weiss, dass solche Affären immer auffliegen. Komplett alle Spuren verwischen können nicht mal Profitäter.