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Kapitel 12

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Kultur- und Kongresszentrum KKL, Luzern, Schweiz

März 2019

Jean Nouvel hatte wahrlich ganze Arbeit geleistet: Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) mit seinem markanten Flachdach prägte gemeinsam mit dem benachbarten Bahnhof, mitentworfen von Nouvels Architekturkollegen Santiago Calatrava, den modernen Teil von Luzerns Skyline.

Die Schlange vor dem Eingangsbereich des KKL war lang. Alle waren feierlich gekleidet, Bussmann fühlte sich total unwohl in seinem Frack. Ingrid hatte sich in ein rotes Kleid gehüllt, das nicht nur ihrer Figur schmeichelte, sondern auch die Schulterpartie freiliess.

Eigentlich hätte er nach der Inspektion von Zwyssigs Büro wieder ins Präsidium zurückkehren wollen, doch konnte er Ingrid ein weiteres Mal nicht enttäuschen, freute sie sich doch seit Monaten auf den Auftritt des berühmten ukrainischen Cellovirtuosen Andryi Poroschenko.

Etliche der anwesenden Gesichter erkannte Bussmann. Das Konzert war wahrlich ein Anlass der High Society Luzerns, was sich auch in den eher gepfefferten Ticketpreisen wiederspiegelte. Aber was tat man(n) nicht alles aus Liebe?

Irgendwie war Bussmann aber auch froh, wenigstens für ein paar Stunden aus dem Trubel der Ermittlungen zu entrinnen. Regierungsrat Bachmann hatte es sich nämlich nicht nehmen lassen, sich noch telefonisch bei Bussmann zu vergewissern, dass die Aufklärung der zwei Morde auch tatsächlich oberste Priorität geniessen würde.

Allerdings waren die Spuren der beiden Morde auch im KKL zu spüren. Unter den Gästen war es das Thema Nummer eins und manche, die Bussmann erkannten, glotzten ihn unverhohlen an. Er konnte deren Gedanken lesen.

Der sollte die Morde aufklären und nicht Konzerte besuchen!

Des Weiteren war auch die Polizeipräsenz stark erweitert worden. So schritten diverse Patrouillen rund um den Europaplatz und das Inseli, ein Hubschrauber kreiste unentwegt über der Stadt und auf den Dächern benachbarter Gebäude wie der Universität und dem Bahnhof hatte die Polizei selbst Scharfschützen postiert. Bussmann liess es sich nicht nehmen, einen Blick in das Sicherheitsdispositiv des Anlasses zu werfen. Die Luzerner Polizei war in der glücklichen Lage, mit Wachtmeister Lukas Düringer einen ausgewiesenen Experten in Sachen Scharfschützen in den eigenen Reihen zu wissen. Dieser hatte auch das Dispositiv zusammengestellt und war Bussmann bereits in den laufenden Ermittlungen zur Seite gestanden.

Ingrid und Bussmann hatten die Ticket- und Sicherheitskontrolle passiert und durften nun das Foyer betreten. Auf kleinen Tischchen wurden Apérohäppchen serviert und diverse Kellnerinnen und Kellner huschten mit offenen Champagnerflaschen durch die Menge.

„Nein, danke!“, lehnte Bussmann ab, als ihm just eine solche Champagnerflasche unter die Nase gehalten wurde. Auch wenn dies offiziell Freizeit war, irgendwie fühlte sich Bussmann immer im Dienst. Ingrid würde dies wieder als Paranoia bezeichnen, doch Bussmann wollte für alle Fälle gewappnet sein. Die Szene in der Mall of Switzerland war ein gutes Beispiel hierfür.

In den Augenwinkeln bemerkte Bussmann, wie sich Regierungsrat Bachmann angeregt mit einem weiteren Herrn mittleren Alters in einem dunkelgrauen Sakko unterhielt und dabei versuchte, möglichst unauffällig die aufgestellte Chipsschale zu leeren. Auf den zweiten Blick erkannte Bussmann, dass es sich bei dem Mann im Sakko um Peter Isenring handelte, einem der Vertreter des Kantons Luzern im Nationalrat und zugleich Parteikollege Bachmanns.

Freilich nicht fehlen durfte Stadtpräsident Hösli, dieser schlich durch die Menge, sichtlich in der Hoffnung, dass ihn jemand ansprechen möge. Doch diesem Wunsch schien niemand Folge zu leisten.

Riesige Plakate kündeten den Star des heutigen Abends an, doch Bussmann bezweifelte, dass alle der Musik wegen hierher gekommen waren.

„Ach, ich freue mich auf seine Interpretation von Beethovens Neunte!“, freute sich Ingrid an seiner Seite und hakte sich bei ihm ein. Bussmann gab ein zustimmendes Brummen von sich, von klassischer Musik verstand er etwa so viel wie eine Kuh von der deutschen Sprache. Beethovens Neunte kannte er nur wegen Freude, schöner Götterfunken.

Die Tore zum gigantischen Konzertsaal wurden geöffnet und die Leute strömten hinein, auf der Suche nach ihrem zugewiesenen Platz. Auch Ingrid und Bussmann nahmen ihre Plätze ein. Die Bühne wurde noch von einem gigantischen Vorhang vor den Blicken der neugierigen Zuschauer geschützt.

Dann brandete Applaus auf, als Poroschenko mit einem Mikrofon die Bühne betrat. Gleichzeitig öffnete sich der Vorhang und sein Cello erschien, sehr zur Freude der Anwesenden.

„Guten Abend, meine Damen und Herren!“, begann Poroschenko in bemühtem Deutsch. Den Rest der Eröffnungsrede hielt er in beinah akzentfreiem Englisch. Um nicht gerade als ultimative Kulturbanause zu gelten, hatte sich Bussmann mit der Biografie des ukrainischen Cellisten vertraut gemacht: Dieser war bereits zu Zeiten der Sowjetunion ein gefeierter Star innerhalb dieser gewesen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der damit verbundenen Unabhängigkeit Kiews von Moskau war Poroschenko in die USA gereist und hatte sich zunächst den New Yorker Philharmonikern angeschlossen, später hatte er auch Konzerte in Berlin, Wien und Tokio gegeben. Für Luzern war der Auftritt Poroschenkos ein weiterer Meilenstein auf dem Weg, in die erste Riege der weltweiten Musikstädte aufzusteigen.

Begleitet wurde Poroschenko von den Musikantinnen und Musikanten des Luzerner Symphonieorchesters. Dieses nahm gerade im Orchestergraben Platz, der Dirigent richtete sich an seinem Pult ein. Erste Stimmtöne der Instrumente erklangen.

Zur selben Zeit befragte Korporal Welti Elisabeth Zwyssig, der Witwe des erschossenen Stadtrates, im Haus der Familie im Rothenhof im Stadtteil Reussbühl. Ihr zur Seite standen die beiden gemeinsamen Kinder, Sohn Florian und Tochter Jessica, beide in den Mittzwanzigern. Nicht dabei war Yannick, das dritte und jüngste Kind der Familie Zwyssig. Seit der Nachricht über den Tod seines Vaters hätte Yannick kein Wort mehr gesagt und wäre wie jeden zweiten Tag ins Handballtraining nach Kriens gefahren.

Die Augen aller dreien waren verweint und Welti brachte es kaum übers Herz, seine Fragen zu stellen.

„Wissen Sie, ob Ihr Ehemann einen gewissen Thomas Eiholzer gekannt hatte?“

„Den Lokführer?“, schniefte Elisabeth, Welti nickte. „Ja klar, die beiden waren die besten Freunde!“

„Wir durften mal mit Thomas im Führerstand über den Gotthard!“, schaltete sich Florian mit seinen Erinnerungen ein. „War eine ganz tolle und schöne Sache!“

„War irgendwas vorgefallen? Trachtete jemand nach dem Leben der beiden?“, fuhr Welti mit seinem Fragenkatalog fort. Er tat dies sichtlich ungerne, doch wollte er mit den Ermittlungen vorankommen, wollte Bussmann etwas präsentieren, während dieser sich von einem ukrainischen Cellisten die Ohren zugeigen liess.

„Ich wusste von Hansruedi, dass Thomas Probleme mit seinem Vorgesetzten hatte. Dieser hatte offenbar exzessives Mobbing betrieben. Hansruedi wollte als neutraler Vermittler helfen, was bei den SBB und insbesondere diesem Vorgesetzten nicht gerne gesehen worden wäre.“

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