Читать книгу 3 Makabre KURZGESCHICHTEN - Daniela Christine Geissler - Страница 11

6. Kapitel

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Die Schüler starrten aus dem Bus.

„Was schleppt er denn da an? Was ist in der riesigen Kiste?“, staunte Chris. Sachte stellte er den Karton neben seinen Sitz, begrüßte die Schüler und zählte achtzehn Personen, darunter Denise.

„Und? Mrs. Head, haben Sie uns auch was Köstliches eingepackt?“

„Na ja, Wein kann ich ja leider nicht mitnehmen, aber vielleicht haben Sie für Bier gesorgt.“, lächelte sie ironisch und deutete auf den Karton. „Nein, nein, das ist ein Recorder. Ein wenig Musik muss schon sein.“ Verständnislos starrte sie ihn an, doch er zwinkerte ihr liebenswürdig zu.

Denise verstand ihre Erregung nicht. Als Jeremy einstieg, wurde sie immer kurzatmiger. Ashley stöhnte „Hätte ich mir ja denken können.“ Nach einer halben Stunde hielt der Bus an einer weiten, grünen Wiesenfläche. Es war zwar keine Waldlichtung, aber der Weitblick war unbeschreibbar. Einige Schüler halfen Mrs. Head, andere trugen mit Jeremy den großen Karton aus dem Bus und halfen ihm beim Auspacken. Als der Recorder und vier Musikboxen zum Vorschein kamen, jubelten die Schüler. Mit Bangen stellte Jeremy fest, dass die jungen Leute sicher eine andere Musik erwarten würden, als die klassischen Töne von Verdi. Die Mädchen nahmen die Federballsets und die Jungs die Fußbälle.

Mit Wehmut betrachtete Jeremy das sorglose Treiben der Teenager um sich herum. Greg näherte sich ihm, himmelte ihn an. Der Junge war mittelgroß und hatte rotblondes, lockiges Haar.

Seine Haut entbehrte jedoch die typischen Sommersprossen und war sonderbarerweise bräunlich gefärbt. Seine blauen Augen blitzten Jeremy freudig an. „Wohin sollen die Boxen?“ Jeremy gab seine Anweisungen und fragte leise „Was hältst du von klassischer Musik?“ Greg wand sich unter der Frage „Hmm….bisschen langweilig, finde ich.“

„Aber nein, sie kann fröhlich und ausgelassen sein. Wirst schon sehen.“ Nachdem die Boxen großräumig um den Platz aufgestellt waren, begann er zur Einstimmung mit Rossinis Musik. Der Klang war rein und sauber, ohne Rauschen dröhnte Rossinis Barbier von Sevilla in die weite Landschaft hinaus. Er genoss jeden Ton. Sogar Greg meinte, dass es recht gut klingen würde. Einige Schüler sahen kurz erstaunt rüber, gingen aber weiter ihren sportlichen Aktivitäten nach.

Mit Greg stellte er einige Klapptische auf, worauf man die Brötchen anrichtete und breitete danach mehrere weiße Tischtücher auf der Wiese aus, die wie Bettlaken aussahen. Von weitem leuchtete der seidige Glanz ihrer dichten weißblonden Mähne. Unter Gregs Blicken wurde Jeremy langsam nervös. Er war es nicht gewohnt, derart angehimmelt zu werden. Nach zwei Stunden des Herumtobens fragten einige Schüler nach dem Essen.

Jeremy ging ein paar Schritte rückwärts und stieß gegen Ashley. „Oh, entschuldige, habe dich nicht sehen können...hilfst du uns ein bisschen?“ Der Junge nickte kurz und beide begannen das Essen aus dem Bus zu tragen. Jeremy merkte sein abweisendes Verhalten und fragte geradeheraus „Ist alles o.k.?“ „Klar doch!“, meinte Ashley gedehnt und begann die Plastikbecher mit Saft zu füllen. Nun füllte sich die Luft mit der Musik von Verdi. Die Ouvertüre von La Traviata klang fröhlich und wehmütig zugleich und glich somit der Stimmung von Jeremy. Denise ging zu ihnen und nahm einen Becher. Ashley bemerkte sofort den veränderten Gesichtsausdruck von Jeremy. Es war so, als ob eine zarte Weichheit sein herbes Gesicht umschmeicheln würde, wenn sie da war. Verdis Geigen schrillten in die Weite der Landschaft. Mit Argusaugen beobachtete er die beiden - das Mädchen und diesen Mann. Beide schien etwas Seltsames zu verbinden. Ashley griff sich in seine braunen Haare und meinte langsam verrückt zu werden. Er meinte nun seinen Teil der Arbeit getan zu haben und schlenderte davon.

„Dein Freund mag mich nicht.“ Denise stand knapp bei ihm. Er genoss es, ihren Atem, der nach Pfefferminz roch, einzuatmen.

„Er ist nicht mein Freund, er sitzt nur neben mir.“

Daraufhin lächelte er „Gut, aber dann wäre er gerne dein Freund.“ Sie standen immer noch knapp nebeneinander. Sie roch seinen Pfeifentabak.

„Sie rauchen?“

„Nur ab und zu eine Pfeife, kurz vor dem Einschlafen.“

Denise erhob sich und betrachtete ihn lange. Es stimmte, dass das Alter einen Mann interessanter machen kann, während Frauen lediglich hässlicher wurden. Das fand sie ungerecht. Sie fragte sich, warum sie seine Nähe momentan nicht ertragen konnte, obwohl er doch so freundlich zu ihr war. Sie war uneins mit sich und der ganzen sonderbaren Situation. Dieser Lehrer interessierte sich für sie. Mit anderen Schülern sprach er nie so oft, wie mit ihr. Eigentlich müsste sie darüber geschmeichelt sein, aber sein Verhalten ihr gegenüber machte sie unsicher. Traurig darüber, dass sie ihm nicht das geben konnte, was er anscheinend brauchte - nämlich ihre Zuneigung, was er sich auch immer darunter vorstellte. Sie begann ihn zu bemitleiden und plötzlich wurde ihr Innerstes weich, fast mütterlich ihm gegenüber. Es war ihr nicht klar, dass Mitleid auch zu Liebe werden konnte. Sie blickte zu ihm zurück, wie er versuchte den Schülern ein ordentliches Mahl zuzubereiten und ärgerte sich über die Abwesenheit der Lehrerin. Sie ging zu ihm zurück, nahm ihm sanft das Messer aus der Hand und sagte „Das mache ich schon!“ Folgsam trat er zurück. Noch immer spürte er ihre Hand auf der seinen. Wieder sah er ihr Gesicht, hörte von weit her ihre Stimme........

„Magst du Apfelkuchen? Habe ich extra für dich gebacken!“ Er lief auf sie zu, hob Claire hoch und trug sie zum Bach. „Ich liebe alles an dir!“, schrie er aus vollem Hals und sank vor Glück mir ihr ins Laub. Genussvoll verzehrte er den Kuchen. Ihre Lippen schmeckten nach Apfel und Zimt. Seine Verliebtheit rührte sie. Seine Gedanken sind so unschuldig, so rein und klar wie dieses Wasser, dachte Claire und streichelte seine Wange. Er genoss diese Geste...........

Wehmütig dachte er an ihre Berührung. Denise hatte fast dieselben weichen Hände wie Claire und wieder schienen beide Personen eins zu werden.

Du weißt nicht, was mir deine Gegenwart bedeutet, murmelte er leise vor sich hin. Denise starrte ihn an und fragte „Wie bitte?“ Er stammelte „Was ist los?“ „Sie haben mir eben gesagt, dass Ihnen meine Gegenwart etwas bedeutet.“, erwiderte sie leise. Jeremys Wangen brannten „Das ist nicht meine Absicht gewesen, entschuldige.“ Er wankte, musste sich ins Gras setzen. Denise ging zu ihm, setzte sich zu ihm „Sie haben laut gedacht, stimmt`s?“ Jeremy nahm seinen Kopf zwischen seine Hände und wimmerte „Entschuldige, das habe ich nur so daher gesagt.“ Sie suchte ihn zu beruhigen „Manches Mal sagen wir Dinge laut, die wir uns denken, ich verstehe das schon.......das hat irgendwie mit Freud`s Thesen zu tun.“ Jeremy hob den Kopf und meinte ernst „Ich weiß wirklich nicht, was mir da eingefallen ist, so etwas zu sagen.“ Ihre blauen Augen durchdrangen ihn „Eigentlich sagt man so etwas ja auch nur zu Leuten, die einem sympathisch sind, also muss es Ihnen nicht leid tun.“, beharrte sie. Er blickte zu ihr hoch, suchte mit seinen Augen die anderen Schüler und fand sie weit entfernt von ihnen. Wenige bemerkten den gedeckten Tisch. Nur ab und zu nahm sich ein Schüler ein Brötchen. Da keiner in der Nähe war und alle mit sich beschäftigt waren, wagte er den Schritt und nahm ihre Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste diese sanft. „Dieser Kuss gilt jetzt nur dir.“ Sie zog rasch ihre Hand zurück und lief zu den anderen. Entweder sie verachtet mich, oder sie beginnt mich anzunehmen, dachte Jeremy. Wieder vereinte er beide Frauen in seinem Geist.

Er begann sich an jenem Moment zu erinnern, als er Claire zum ersten Mal begegnete. Sie befanden sich im Schulbus. Er müsste nicht mit dem Bus fahren, aber da sie, sein Schwarm, einen weiteren Schulweg hatte, fuhr er jeden Tag diese zwei Stationen, bis ihn Claire daraufhin ansprach. Schon lange hatte sie die Blicke des Jungen bemerkt. „Also gerne läufst du nicht! Scheinst ja ein faules Kerlchen zu sein.“ Seine braunen Augen wurden tief und dunkel. Er wusste bis heute nicht, wie er es gewagt hatte, so etwas zu sagen, aber er setzte nun alles auf eine Karte „Um deine Schönheit sehen zu können, diesen kurzen Augenblick, der mir die weiteren Stunden des Tages versüßt, würde ich noch viel mehr tun.“ Das hatte er so laut und mit solcher Innbrunst von sich gegeben, dass der ganze Bus, einschließlich Fahrer laut lachte. Noch bevor sie antworten konnte, hüpfte er aus dem Bus und schämte sich so sehr, dass er es am nächsten Tag vermied, mit dem Bus zu fahren.

So war es auch heute. Auch nun setzte er alles auf eine Karte, nur lief dieses Mal nicht er weg, sondern sie.

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