Читать книгу 3 Makabre KURZGESCHICHTEN - Daniela Christine Geissler - Страница 9
4. Kapitel
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Frühling
„Schneller, nicht so lahm. Der Zug wartet nicht auf euch!“, rief Mrs. Mary Withborn den nachkommenden Schülern zu und schubste die Jugendlichen in den Zug. Im Abteil verbreitete sich schnell der Geruch der jungen Leiber. Schweiß und Parfumgeruch vermischten sich mit dem Zigarettengeruch der Jungs.
Wieder ergriff Jeremy eine kindliche Schwermut. Er roch noch ihr Haar, spürte die Zartheit ihres Halses. Jemand schob ratternd die Tür zurück. Denise nahm ihm gegenüber Platz und erklärte atemlos
„Die anderen Abteile sind schon alle belegt. Ich bin zu spät gekommen. Stört Sie doch nicht, wenn ich hier bei Ihnen sitze?“
„Wenn Sie mir den Gefallen tun, nicht zu rauchen, ist mir alles recht.“, antwortete er und versuchte gleichgültig zu wirken, sich in der Gewalt zu haben, während seine Jugend wieder vor ihm auftauchte.
Hastig lief er den Hang hinunter, und blieb abrupt stehen, als er ihren Ruf hörte „Morgen um die gleiche Zeit! Einverstanden?“ Er winkte ihr zu und verschwand aus ihrem Blickfeld. Ein lähmender Schmerz zog sich wie ein brennender Peitschenhieb über seine Brust.
„Ist Ihnen nicht gut, Mr. Daly? Sie sind so blass!“
„Das ist das Alter, das sich nicht aufhalten lässt.“, gab er lächelnd zurück.
Ruckartig setzte sich der Zug in Bewegung. Zuerst langsam und dann immer schneller raste die Landschaft an ihnen vorüber. Der Rausch der Geschwindigkeit riss ihn wieder zurück. Er schloss seine Augen.
„Wo bist du gewesen? Onkel Jim hat den ganzen Nachmittag auf dich gewartet. Ihr wolltet doch zum Angeln?“ Verärgert baute sich seine Mutter vor ihm drohend auf, eine Entschuldigung erwartend, oder zumindest eine gute Ausrede. Ihm fiel keine ein und mit hängendem Kopf lief er in ins Wohnzimmer, wo Onkel Jim an seiner Angelrute hantierte.
„Ah, da bist du ja! Was hast du denn, siehst so bedrückt aus?“ Die Hände in den Hosentaschen, raunte er „Tut mir leid, ich habe es vergessen. Meine Freunde und ich....“ Mit einer abwehrenden Handbewegung unterbrach sein Onkel die Rechtfertigung „Du bist jung......das ist die einzige Entschuldigung, die ich akzeptiere und dafür kannst du schließlich nichts, Junge.“, lachte er.
Jeremy mochte seinen Onkel. Deshalb fühlte er sich noch schlechter. Seine Mutter meckerte verächtlich „Wenn einmal mein Bruder zu Besuch kommt, könntest du wenigstens ein gutes Benehmen an den Tag legen. Du bist unmöglich!“
Jeremy lief in die Küche, nahm sich ein Glas Milch und lauschte dem Gespräch.
„Lass doch den Jungen zufrieden, Maria! Wir waren auch mal jung. In seinem Alter denkt man nicht an die Zeit. Man hat Spaß und genießt den Moment des Augenblicks, den uns die Jugend schenkt. Warum sollte er mit einem alten Trottel wie mir, am See sitzen und eine Angel ins Wasser hängen lassen und darauf warten, bis ein Fisch blöd genug ist, anzubeißen? Der Gedanke daran, ist für einen Dreizehnjährigen schon lächerlich. Ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn er daran tatsächlich Spaß haben würde.....“ Das Klingeln des Telefons unterbrach seine Worte. Sie hob ab.
„Nein, tatsächlich, kann ich mir gar nicht vorstellen, ist ja grauenhaft.....“ Langsam schritt Jeremy die Treppe herunter. Sie legte auf und stürmte ins Wohnzimmer.
„Eine junge Frau ist tot aufgefunden wurden. Stell dir vor in unserer Gegend! Meine Freundin meinte, man müsse aufpassen. Vielleicht ist sie ja auch ermordet worden und der Mörder befindet sich noch in unserer Gegend...... na, ja die Zeiten werden immer schlimmer.“, schloss sie atemlos.
Als Jeremy das Zimmer betrat, drehte sich seine Mutter plötzlich zu ihm um. Hart knallte ihre Hand auf seiner Wange.
„Und du, lieber Bursche wirst morgen das Haus nicht verlassen! Ein Mörder treibt sich vielleicht in unserer Gegend herum.“
Gleich darauf schloss sie Jeremy in ihre Arme und jammerte „Verzeih mir, Schatz, ich wollte dir nicht weh tun, aber ich dachte, dass es genauso gut du hättest sein können, der jetzt tot ist! Man fand sie am See. Dort wo du immer spielst!“
Jeremys Beine schwankten, er musste sich setzen.
„Du kennst sie sicher nicht. Sie war schon älter als du.“
Am nächsten Morgen lauschte er aufmerksam den Nachrichten, bis endlich der Bericht von dem toten Mädchen wiedergegeben wurde. Auch er war tot, ausgelöscht war jedes Gefühl der Jugend, der Sorglosigkeit, des Glücks. Mit ihr starb auch er. Seine Kindheit nahm seine Jugend vorweg und unfreiwillig war er in das emotionale Dasein eines Erwachsenen manövriert worden.
Jetzt, im mittleren Lebensalter, wartete seine gemarterte Seele darauf, auf einer retardierenden Ebene die fehlenden Stufen einer Jugend nachzuholen, wartete beharrlich darauf durch eine andere zu gesunden - die Eine sollte ihm schenken, was die Andere ihm nahm.
Denise blätterte in einem Buch. Tief atmete er durch. Sie sah kurz auf und fragte „Es gibt hier einen Speisewagen. Soll ich Ihnen einen Kaffee oder ein Bier holen?“ Ihre Fürsorglichkeit schmerzte ihn „Bin ich schon so alt, dass ein schönes Mädchen das Bedürfnis hat mich zu pflegen?“, entfuhr es ihm. Mit großen Augen betrachtete sie ihn. „Es war nur eine Frage….danke!“ „Wofür?“ Verlegen strich sie mit der Hand ihr Haar zureckt. „Sie haben gesagt, dass ich schön bin.“ „Aber bitte...... die Beifügung der Jugend ist meist Schönheit.“ Er verließ das Abteil, ging in den schmalen Gang hinaus und schob das Fenster herunter. Er durfte sich nicht mehr so gehen lassen, durfte ihr nicht so nahe sein. Er versuchte seiner wieder Herr zu werden und ging ins Abteil zurück. Sofort fiel ihm die Rötung ihrer Wangen auf. Wie unschuldig sie ist, dachte er. Das Geratter des Zuges lies ihn eindösen. Ihre Stimme drängte sich in seinen Halbschlaf „Mr. Daly, Mr. Daly, wir sind da. Sie haben drei Stunden geschlafen.“ Er spürte ihre Hand an seiner Schulter. Er stöhnte „Claire, Claire..... du bist da....bleib, bitte bleib noch.....“
Sie unterbrach ihn „Bitte, Mr. Daly, wachen Sie auf. Wir sind bereits in.... !“ Sie ergriff seine Hand.
Immer noch meinte er, ihre Stimme zu hören, fasste ihre Hand, zog sie zu seinem Mund und küsste diese ehrfürchtig. Schnell zog Denise ihre Hand zurück. Er öffnete die Augen und erschrak.
„Claire? Ich hab....“ Denise spürte seine Qual und log „Ich habe Sie nur geweckt.“
Sie beachtete ihn nicht mehr, nahm ihre Tasche und lief aus dem Abteil. Ihr Puls raste. Niemand hat es gesehen - niemand, hoffte sie.
Er hat nicht gewusst, dass ich es bin, er hat mich verwechselt, .......er war so sanft, dachte sie und rannte so schnell sie konnte zu den anderen Schülern. Ashley nahm ihr die Tasche ab. „Wo warst du? Ich habe dich gesucht!“ Sie antwortete nicht.