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Ihr Hunger ist kein Schicksal, sondern Mord!

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Aber wieso ist das alles so? Wieso ist der Wohlstand so unproportional verteilt? Und vor allem: Wer ist dafür verantwortlich?

Die Frage ist durchaus berechtigt, wo doch unsere Industriegesellschaft eigentlich Nahrungsmittel für zwölf Milliarden Menschen produziert und wir bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden eigentlich genug zu essen für alle haben müssten. Aber nein. Wenn wir die überproduzierten Nahrungsmittel nicht mehr essen können, müssen sie zerstört werden. Denn die Lebensmittel den Armen einfach zu schenken, ist wegen der Preisstabilität des Marktes — die nicht gefährdet werden darf — undenkbar. Lieber also noch haltbare Produkte und nährstoffreiche Lebensmittel wegschmeißen, als den Hunger der Armen zu stillen, ist die Devise. Im Wegschmeißen sind wir sowieso Weltmeister. In den Industrieländern wird täglich die Hälfte aller Nahrungsmittel weggeschmissen und unzählige Konsumgüter gleich mit. Während wir an einem Mangel an Rohstoffe fast zugrunde gehen, werden unlogischerweise gleichzeitig so viele Waren und Lebensmittel hergestellt, dass wir an einer chronischen Überproduktion leiden.

Wie? Da muss ich jetzt aber mal nachhaken — wir produzieren Essen für zwölf Milliarden Menschen, schaffen es aber nicht sieben Milliarden zu ernähren und werfen die Überschüsse einfach weg?

Ja. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir die Wertschätzung für Lebensmittel vollkommen verloren. Eine Studie der UNO zeigt, dass deutsche Haushalte sogar mehr als die Hälfte ihrer Nahrungsmittel schon wegschmeißen, bevor sie überhaupt auf den Teller kommen, während sich die Armen in den Ländern des Südens Schlammkuchen aus Lehm, Salz und Wasser backen müssen, um zumindest irgendwas im Bauch zu haben, was ihr permanentes Hungergefühl unterdrückt. »Fast die Hälfte aller Nahrungsmittel weltweit wird weggeworfen«, fand die britische Institution of Mechanical Engineers (IMechE) nun heraus. Und von den vier Milliarden Tonnen an Nahrungsmittel, die jährlich produziert werden, landet die Hälfte, also zwei Milliarden Tonnen, nicht auf dem Teller, sondern auf ständig wachsenden Müllbergen. Eine Bilanz des Grauens, die zeigt, wie rücksichtslos, unverantwortlich und verschwenderisch wir mit unseren Nahrungsmitteln und dem Leben anderer Menschen umgehen.

Aber nicht nur Nahrungsmittel, auch Wasser wird in rauen Mengen verschwendet. »An die 5.500 Milliarden Kubikmeter Wasser fließen allein in die Produktion von Lebensmitteln, die niemals gegessen werden.« Weil sie vorher bereits verfaulen, fehlerhaft transportiert oder gelagert werden oder wegen optischer Mängel gar nicht erst auf den Markt kommen. So wird in Großbritannien bis zu 30 Prozent des angebauten Gemüses nicht einmal geerntet, weil es nicht dem optischen Anspruch des Marktes entspricht. (Quelle: Nexus Magazin, Ausgabe 46)

Was wir als Otto-Normalverbraucher im Kleinen machen, machen die großen Discounter uns natürlich im großen Stile nach. Supermärkte kaufen nicht nur das ein, was sie sicher loswerden, sondern was der Kunde optimal brauchen könnte, und bestellen lieber zu viel als zu wenig. Damit selbst am späten Abend nie etwas ausverkauft ist und der verwöhnte Kunde auch um 23 Uhr noch vor vollen Einkaufsregalen steht, werden pro Tag in jeder deutschen Filiale durschnittlich 45 Kilo Lebensmittel weggeworfen. Analog dazu verhalten sich deutsche Haushalte, die jährlich durchschnittlich Nahrungsmittel im Wert von 20 Milliarden in die Mülltonne geben.

Aber wieso können wir nicht einfach das Essen, das wir nicht mehr brauchen, rüber nach Afrika schicken, wenn so viel davon übrig bleibt?

"Weil die Mechanismen der globalen Marktwirtschaft langfristig nicht zulassen, dass andere, die nichts dafür tun, etwas von unserem Kuchen abkriegen", gibt uns Jean Zieglers in seinem Buch »Wie kommt der Hunger in die Welt« zu verstehen: "Infolge der globalisierten, wild wütenden Kapitalweltmärkte ist eine Weltordnung entstanden, die den Lebensinteressen der großen Mehrheit zuwiderläuft. Von 6,2 Milliarden Menschen leben 4,8 in einem der 22 sogenannten Entwicklungsländer meist unter unwürdigen Bedingungen. 100.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. Alle 7 Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren. Dieser tägliche stille Völkermord geschieht auf einem Planeten, der vor Reichtum überquillt. Dabei könnte die Erde problemlos 12 Milliarden Menschen hinreichend ernähren. Hunger ist kein Schicksal, hinter jedem Opfer steht ein Mörder."

Ziegler zufolge sind also die globale Marktwirtschaft und die politisch-wirtschaftlichen Strukturen dafür verantwortlich, dass von unserm Wohlstand im Süden nur der Müll ankommt und sich an seiner elenden Situation nichts ändert?

Ja. So kann man es sagen. Seiner Meinung nach sind es der Kapitalismus und die Mechanismen der globalen Marktwirtschaft, die dafür sorgen, dass die Dritte Welt nicht auf die Beine kommt und ihre Kinder nie wirklich »leben«, sondern, wenn überhaupt, nur »überleben«, weil sie Zeit ihres Lebens eigentlich nur hilflos vor sich hinvegetieren. Natürlich könnte man meinen, dass mit einer großen Umverteilung all unsere Probleme gelöst werden könnten, nur ist das nicht so einfach, wie es sich anhört, da gierige Großmächte und ängstliche Kleinbürger diese Möglichkeit grundsätzlich ausschließen. Täglich werden bei uns im Namen der wertfreien Profitmaximierung also weiterhin tonnenweise hochwertige Lebensmittel systematisch vernichtet, damit sie den »sich selbst regulierenden Markt« nicht gefährden, und so den verhungernden Menschenmassen kategorisch vorenthalten. Eine Gräueltat, die an Unmenschlichkeit kaum zu übertreffen ist und von Jean Ziegler unverblümt als »Mord« bezeichnet wird. Allgemein befinden wir uns in einer Situation, die der Mathematiker und Ökonom Prof. Franz Josef Rademacher wie folgt zusammenfasst: "Wir sind heute rund sechs Milliarden Menschen. Wir bewegen uns sehr schnell in Richtung neun bis zehn Milliarden. Die Ökosysteme sind global bereits überstrapaziert. Die sozialen Unterschiede zwischen Nord und Süd sind extrem konfliktträchtig. Wir lügen uns alle in die Tasche! Wir machen uns vor, an einer nachhaltigen Entwicklung zu arbeiten, de facto haben wir aber alle Signale in die falsche Richtung gestellt!« (Quelle: Der Informationsgesellschaft auf der Spur Von der Revolution durch Kommunikation, Deutschland 2002, 30 min,. Buch/Regie: John A. Kantara)

Da kann ich nur zustimmen. Aber woran liegt das?

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