Читать книгу Die Badenfahrt - David Hess - Страница 17
DAS FRÜHSTÜCK, NEBST EINIGEN BEMERKUNGEN ÜBER DIE SPANISCHBRÖTCHEN
ОглавлениеIndes mag man sich auch mit noch so lieblichen Bildern beschäftigen, der Magen behauptet seine Rechte, das Bad reizt den Appetit und der duftende Kaffee lockt den Träumer aus den Federn.
Jeder preist, was er vorzüglich liebt, und so lobe ich mir auch den herrlichen Absud von türkischen Bohnen zum Frühstück. Dieses Getränk ist ein sanftes Reizmittel, es hebt die Nerven, es begeistert, ohne zu berauschen. Selbst Voltaire schöpfte viele seiner witzigen Einfälle aus dieser Hippokrene! Dass es auch in Baden das allbeliebte Frühstück sei, beweisen die vielen dampfenden Kannen, welche gegen neun Uhr von den Aufwärterinnen in alle Zimmer getragen werden. Ich aber braue mir meinen Kaffee am liebsten selbst, und nie schmeckt er mir so trefflich wie nach dem Bade.
Das Brot ist hier weiss, zart und gut gebacken. Allein die meisten Kurgäste wollen ihr Frühstück noch durch das hiesige Hauptgebäck, die Spanischbrötchen, verbessern, und es gibt Leute, die kein Bedenken tragen, alle Morgen fünf bis sechs Stück von diesem fetten, schwer zu verdauenden Blätterteig so warm als möglich und gierig zu verschlucken. Um aber auch den Verwandten und Freunden zu Hause den Genuss dieser Leckerei zu verschaffen, werden grosse Schachteln damit vollgepfropft, durch den Boten versandt und gewöhnlich davon bei der Abreise noch bedeutende Vorräte mit heimgeschleppt. Nach Verfluss einiger Wochen wundert man sich dann, dass man keine bessere Kur gemacht, dass der Magen verdorben ist, dass eine Schleimanhäufung den Appetit hindert. Dann heisst es, das Bad habe ohne Zweifel mancherlei schädliche Stoffe im Körper aufgeregt und der Arzt muss Brechmittel und Abführungen verordnen. Dass die lieben Spanischbrötchen an diesen Unpässlichkeiten schuld sein könnten, daran denkt niemand, und sowie man wieder nach Baden kommt, ermangelt man nicht, sich neuerdings tüchtig damit auszustopfen.
Ein Beobachter nahm sich kürzlich die Mühe, bei den in der Stadt an der Halde, in den Grossen und Kleinen Bädern befindlichen Bäckern nachzufragen, wie viele Spanischbrötchen sie wohl zusammen über eine Kurzeit verfertigen mögen. Sie konnten nur im allgemeinen ihren Verbrauch an feinem Semmelmehl angeben, welcher in 27 Wochen sich im Durchschnitt auf 4736 Viertel belief. Wäre nun dieses ganze Quantum Mehl bloss in dieses Gebäck verwandelt worden, so ergäbe sich, da jedes Viertel 240 Spanischbrötchen gibt, wovon das Stück für einen Schilling verkauft wird, eine Summe von 1 136 640 Spanischbrötchen, welche 28 416 Gulden gekostet hätten. Da aber ein starkes Drittel jenes Mehlverbrauchs zu anderem Backwerk dienen muss, so kann man nach der mässigsten Berechnung immerhin mit Gewissheit annehmen, dass im Laufe jedes Sommers in Baden 720 000 Stück Spanischbrötchen für die Summe von 18 000 Gulden verkauft werden. Es möchte vermutlich schwer halten, so viel Geld für wohltätige Zwecke zusammenzubringen!
Den Liebhabern dieses unwiderstehlichen Gaumenkitzels darf ich die Entdeckung nicht vorenthalten, welche ich vorigen Sommer machte, dass nämlich die Weibsleute, welche die Spanischbrötchen in den Bädern herumtragen, sich im Hinterhof einen ganz besonderen Schlupfwinkel auserkoren haben, um die Schachteln zu verwahren, in welchen die verlangten Portionen für die Abreisenden verpackt werden. Dieser wohlgewählte Behälter, in welchem jene Schachteln oft mehrere Tage liegen bleiben, ist nichts mehr und nichts weniger als der unter der grossen, vom Hofe gegen die Wirtsstube führenden Treppe angebrachte Hundestall. Und wer zu Hause neben den Spanischbrötchen noch eine Zugabe finden sollte, die nicht von Blätterteig gebacken ist, darf darüber nicht erschrecken, da bekanntlich in der alten Materia medica das Album Graecum keine unrühmliche Rolle spielte.