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DIE TOILETTE

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Eine lästige Stunde ist immer die, welche man dem Anzuge widmen muss, was nur mit wenig Ausnahmen die Frauenzimmer nicht zugeben, indem sie einer, wie es heisst, ziemlich allgemeinen Beobachtung zufolge, nicht ungern vor dem Spiegel verweilen, er mag in Baden auch noch so klein und trüb sein, und die Zeit nie zu bereuen scheinen, welche ihnen auf den Putz zu wenden vergönnt ist. Die jungen und schönen bestreben sich, durch denselben ihre Reize zu erhöhen, die alten und hässlichen ihre Gebrechen damit zu bedecken. Der Zuschnitt des Feigenblattes unserer Stammeltern, das an den Sündenfall erinnern sollte, ist zu einem wichtigen Studium geworden, welches so lange getrieben werden wird, als noch ein Funke von Eitelkeit im menschlichen Gemüte glimmt. Und so dürfen wir auch hoffen, dass das löbliche Schneiderhandwerk immer grünen und blühen und Meister und Gesellen ernähren werde, bis einst unser Nebenplanet wie eine Sternschnuppe zerstieben wird.

In allen Bädern ist man gezwungen, die Kleider häufiger als sonst zu wechseln, und Notwendigkeit und Anstand fordern beträchtliche Opfer unwiederbringlicher Zeit. Indes ist es ein allgemeiner Badeglaube, weil man sich während einer Kur nicht ernsthaft beschäftigen dürfe, so sei die Tändelei des endlosen Ankleidens eher nützlich als schädlich, indem man dadurch vom Lesen, Schreiben und Studieren abgehalten werde. Und so mögen auch die Frauenzimmer sich in Baden etwas länger als zu Hause mit ihrer Toilette beschäftigen, was ihnen ohnehin vonseiten unseres Geschlechtes nicht zum Vorwurf gereichen darf. Schmücken die holden Wesen sich doch nur, uns zu gefallen, wie die Natur sich im Frühling mit Blüten bekränzt, auf welchen mit Bewunderung das Auge ruht. Auch den Herbst zieren ja buntere Blätter und den Schnee des Winters sogar überglüht nicht selten in stiller Mitternacht das funkelnde Nordlicht, und der weisse Reif umgaukelt dürres Reis wie Brüsseler Kanten und fein gestickte Batiststreifen die Hauben ehrenfester Matronen! Mich macht leider das Anziehen immer verdriesslich, zumal wenn ich in Baden auf ein einziges Zimmer beschränkt bin. Wie lange dauert es nicht, bis der Bart abgenommen, das Haar gebürstet oder gekämmt ist, die aufeinander geschichteten Hemden, Strümpfe, Kleider, Stiefel oder Gamaschen herausgelangt und Stück für Stück an den Leib gezogen, geschoben und gepasst sind! Im Zimmer herrscht um diese Zeit gewöhnlich ein unentwirrtes Chaos, das Rasiermesser liegt unter den Kaffeelöffeln neben Überbleibseln des Frühstücks, die Halsbinde auf dem feuchten Waschtuch, der Frack neben dem Badmantel, alle mitgebrachten Habseligkeiten hängen in bunter Verwirrung an allen Stühlen herum, und die ganze Wirtschaft gleicht einer Trödelbude. Das alles muss wieder aufgeräumt und beseitigt werden, damit wenn etwa ein Besuchender unvermutet eintreten sollte, er sich doch regen und in irgendeinem Winkel niederlassen könne. Ich atme erst wieder frei, wenn ich endlich den Hut ergreifen und mich aus diesem Labyrinth flüchten kann.

Die Badenfahrt

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