Читать книгу Der vergrabene Lebensbaum - Denise Remisberger - Страница 13
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ОглавлениеDas Gewitter war unaufhaltsam näher gekrochen, fühlte sich genau am Genfersee unheimlich wohl und entlud sich mit voller Pracht über all den Leuten und Dingen, die da auf der Erde unten weilten. Die lieblich diesige Abenddämmerung hatte sich verfinstert.
„Wir müssen die Sachen reinholen“, rief Prior Hans-Peter den drei Frauen zu, die in der Küche am grossen Tisch hockten und Tee Rum becherten. Nach all den Strapazen des heutigen Tages mit den Alkoholkranken hatten sie es bitter nötig.
„Welche Sachen?“, fragte Wanderpredigerin Rachilda.
„Ich hab meine Uhr und zwei Bücher auf dem Gartentischlein liegengelassen.“
„Du kannst nicht raus, Hans-Peter! Es hagelt!“, rief Selma dem Prior zu, der sich ein dünnes Schirmchen aus dem Ständer im Gang geschnappt hatte und auf die Gartenterrasse hinausstürmte. Als er wieder hereinkam, hielt er seine zerbrochene Uhr, zwei aufgeweichte Bücher und einen zerfetzten Schirm in den Händen, strahlte wie ein Maikäfer und schrie: „War das jetzt grossartig!“
„Die Natur hat ihre Kräfte“, meinte Heidrun lakonisch.
Auf dem Campingplatz waren sie alle irgendwo drunter oder in ihre Zelte oder Camper gesprungen. Pfarrer Jacques stand mit Pfarrer Sebastienne unter einem grossen Baum, der das Meiste, vor allem die Hagelkörner, abgefangen hatte und die sechs Gemeindemitglieder befanden sich alle in den Sanitäranlagen, beim Duschen, Wäsche Waschen oder auf der Toilette. Mehrere Zelte waren regelrecht aus den Angeln gehoben und weggeweht worden, unter anderen das Zweierzelt von Hans Heiden und Pit Singer.
„Äh, wo ist denn unser Zelt?“, staunte Hans Heiden und wankte von einem Fuss auf den anderen.
„Nein! Es ist weg!“, jammerte Pit Singer.
„Gib mir mal die Taschenlampe“, sprach Andreas Hard ins Dunkel und Thomas Wyler meinte: „Hier“, und drückte sie ihm, bereits eingeschaltet, in die Hand.
„Dort ist es“, zeigte Andreas auf ein anderes Stück Wiese, das er gerade beleuchtet hatte, und alle rannten zum flach darniederliegenden Tuch, wo sie auch mehrere Heringe, die sich aus dem Boden gelöst hatten, einsammeln mussten. Zurück auf dem ursprünglichen Platz, machten sie sich an die Arbeit. Ein paar wenige Heringe steckten noch im Erdreich. Unter Ächzen und Stöhnen und in recht trunkenem Zustand schoben Hans und Pit die Zeltstangen wieder ganz hinein, stellten das gute Stück dann erneut auf und befestigten das Ganze mit den Bodenankern, ordneten ihre durcheinander gewirbelten Sachen neu und schliefen dann sofort ein. Thomas und Andreas redeten noch eine Weile miteinander.
„Gehst du morgen wieder hin?“, erkundigte sich Andreas.
„Ja, ich zieh das durch“, antwortete Thomas.
Dann schliefen auch sie ein.
Wanderpredigerin Rachilda liess ihre Gedanken zur heutigen Gruppensitzung schweifen. Alle hatten eifrig erzählt, wo sie untergekommen waren. Lustigerweise alle am selben Ort, nämlich auf dem weiter vorne gelegenen Campingplatz, wo auch Hans-Peters Freund, Pfarrer Jacques, gerade weilte. Diesen Campingplatz würde sie genau inspizieren müssen, herausfinden, wie es allen so ging, dort im Freien.