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Der Wecker schrillte grausam und riss Thomas Wyler aus einem Schlaf voller Alptraumfetzen, die hauptsächlich davon handelten, dass ihm jemand sein Bier wegnahm. Eine halbe Stunde später schlurfte er extra langsam oberhalb des Campingareals einher und bog, nach mehreren Kurven, in den Chemin de Sous-Caran ein, der ihn nach insgesamt einer guten Viertelstunde zum Seminarort brachte.

Wanderpredigerin Rachilda hielt den Bogen mit den Anmeldungen ungläubig in den Händen und sagte: „Das gibt’s doch nicht!“

„Was denn?“, erkundigte sich Prior Hans-Peter.

Sie standen in der Küche, wo Rachilda gerade die Vorbereitungen für den Mittagsimbiss der ganzen Gruppe traf.

„Ach nichts“, winkte sie ab. „Ich bin nur falsch angezogen.“

Und damit verschwand sie hinauf in ihr Zimmer, zog ein oranges Piratentuch, mit kleinen goldfarbenen Plättchen verziert, aus der Schublade und band es um ihren Kopf. Dann streifte sie das schwarze Kleid ab und ersetzte es durch breite herbstfarbig gemusterte Leinenhosen und ein langärmeliges Hippie-Oberteil. Zum Schluss setzte sie eine grosse halbgetönte Brille auf. So würde sie ganz bestimmt niemand erkennen. Wieder unten, gesellte sie sich zu den beiden Therapeutinnen, die im Gruppenraum standen und mit dem Prior scherzten.

„So, ich glaube, wir sind alle vollzählig“, sprach Hans-Peter und forderte die Anwesenden auf, sich auf die runden Meditationskissen, die im Kreis aufgestellt worden waren, zu setzen. Hans-Peter stellte kurz sich, die Psychotherapeutinnen und die freiwillige Helferin vor.

„Ich kenne dich! Ich kenne dich! Ich weiss nur nicht mehr, woher!“, rief eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren und zeigte quer durch den Raum auf die alarmierte Rachilda, die nur mit den Schultern zuckte und sich dann auch gleich freundlich lächelnd verabschiedete, um in der Küche nach dem Rechten zu sehen.

„Vielleicht verwechselst du unsere Wanderpredigerin. Stell dich doch als Erste der Teilnehmenden vor“, ermunterte Selma, eine der beiden Therapeutinnen, die bewegte Frau.

„Also ich heisse Sabrina und ich trinke eigentlich nicht so viel.“

Ein befreites Lachen machte die Runde, einige nickten und Thomas Wyler rief: „Das sage ich auch immer.“

„Der erste Schritt, den wir gehen müssen, heisst ‚zugeben‘“, schmunzelte Heidrun, die andere Therapeutin. „Wir müssen Verantwortung für unser Tun übernehmen und uns selber eingestehen, dass wir ein ernst zu nehmendes Problem haben. Erst dann können wir damit beginnen, es zu lösen.“

„Darum machen wir jetzt eine kleine Übung“, sagte Selma. „Ihr beginnt eure Vorstellung mit ‚ich heisse‘, in deinem Fall“, zeigte Selma auf Sabrina, „‚Sabrina und trinke‘. Dann könnt ihr weiterfahren mit eurer Vorstellung.“

Der vergrabene Lebensbaum

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