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a) Pflichtberichte und freiwillige Berichte
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Jenseits der gesetzlichen Verpflichtungen zur umgehenden Veröffentlichung von kapitalmarktrelevantem Wissen[36] bestehen für jedes in Deutschland gewerblich tätige Wirtschaftsunternehmen des privaten und des öffentlichen Sektors Verdachtsanzeigepflichten gem. § 11 GwG und § 138 StGB, Aufarbeitungs- und Berichtigungspflichten gem. § 153 AO und – branchenabhängig – Pflichten zur Unterrichtung der Aufsichtsbehörden bei Erkenntnissen, die in die jeweiligen Informationspflichten gegenüber diesen Behörden fallen. So können bspw. individuelle Regelungen zur (verwaltungspolizeilichen) Gefahrenabwehr (bspw. Produktsicherheit nach dem PSG (früher GPSG)) bestehen, aber auch Anforderungen, die einer Insolvenzgefahr (bspw. Unterrichtung bei hälftigem Kapitalverlust) vorgelagert sind oder einer gefährlichen Kettenreaktion einer für die Versorgung wichtigen Produktions- und Lieferkette vorbeugen sollen. Zielt der Auftrag zur Internal Investigation auf die Prüfung derartiger Vorgaben ab, dann ist eine sorgfältige aber auch zügige Projektdurchführung und Schlussberichterstattung geboten.
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Der Inhalt eines solchen Pflichtberichtes muss – wenn er von der mit der Investigation beauftragten Projektgruppe erstellt wird, auf alle berichtspflichtigen Details eingehen und vernünftige, rational nachvollziehbare, willkürfreie und der geltenden Rechtslage entsprechende Schlussfolgerungen enthalten. Um dies zu gewährleisten, sollte frühzeitig im Projekt entsprechendes fachliches Know-how gesichert werden. Weiter sollte das Projekt frühzeitig auf die Erkennbarkeit solcher Berichtspflichten ausgerichtet sein.
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Für Ad-Hoc-Berichte werden bspw. folgende meldepflichtige Vorgänge angeführt:[37]
– | Manipulation von Finanzinformationen, |
– | Corporate Misconduct, |
– | Vermögensdelikte mit im Vergleich zur Unternehmenstätigkeit erheblichem finanziellen Schaden, |
– | erhebliche Reputationsschäden bei anderweitigem Bekanntwerden, |
– | kriminelles Verhalten von Mitgliedern des Führungskreises. |
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Als freiwillige Berichte werden hier allerdings sämtliche Fälle der freiwilligen, unternehmensinternen Klärung von Kapitalmarktdelikten, Korruptionsdelikten, Mitarbeiterschädigungen, Produkthaftungsfällen, IT-Angriffen etc. behandelt. Dass sich eine Unternehmensleitung u.U. durch eine pflichtwidrige Unterlassung einer gebotenen Investigation auch schadensersatzpflichtig und ggf. auch strafbar machen kann,[38] führt noch nicht zu einer uneingeschränkten vorbeugenden Berichtspflicht an Behörden. Das Unternehmen muss auch dabei sorgfältig Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen einer Preisgabe von derartig konzentriert zusammengetragenen Unternehmensinformationen abwägen. Nicht ohne Grund bestehen bspw. auch keine Veröffentlichungspflichten für den Prüfungsbericht von Abschlussprüfern. Wenn bspw. die Gewerbeaufsichtsämter produkt- und arbeitssicherheitsrelevante Untersuchungen anstellen, muss ein Unternehmen nur die dafür relevanten Informationen auf Anforderung (§ 95 Abs. 1 StPO). Das Recht des Unternehmens zu eigenen Nachforschungen besteht jedenfalls parallel zu derartigen Ermittlungen und darf sich – auch ohne eine Herausgabepflicht – auf weitergehende Inhalte beziehen. Dem Unternehmen nutzen solche Berichte im behördlichen Verfahren allerdings nur, wenn sie die Beweislage klären, eine etwaige Haftung eingrenzen oder beseitigen können oder – zumindest – auf eine mildere Sanktionierung oder Strafzumessung hinwirken können. Der Rechtsgedanke des § 46 StGB, der auch im Beurteilungs- und Ermessensraum des OWiG (vgl. § 17 OWiG) anzusiedeln ist, können für das Unternehmen sowohl eine Begrenzung der Ermittlungen als auch einen Strafnachlass bedeuten. Obgleich in der Anfangssituation eines Ermittlungsverfahrens viel dafür spricht, eine solche kooperative Haltung zum Nutzen des Unternehmensvermögens, seiner Reputation und seiner Mitarbeiter einzunehmen, sollte auch diese Entscheidung sorgfältig abgewogen und ausreichend dokumentiert sein. Wenn Unternehmen sich auf den Standpunkt stellen, mit Ermittlungsbehörden nicht kooperieren zu wollen, dann ist dies jedenfalls eine freie Ermessensentscheidung. Eine zwangsweise durchsetzbare Rechtspflicht zur Kooperation mit Behörden, die Strafen und Sanktionen gegen den Berichtenden aussprechen können, besteht nicht („nemo-tenetur se ipsum accusare“).[39]
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Ob ein Unternehmen im Zuge von Straf- oder Bußgeldverfahren mit der ermittelnden Behörde kooperiert und an diese Berichte über die Internal Investigation herausgibt, wird in der Praxis stark motiviert durch informelle Zusagen der Behörden über Strafnachlässe und sonstige Milderungen der Umsetzung von Besserungs- und Selbstreinigungsmaßnahmen, die den Anforderungen oder Auflagen der Behörden genügen. Solche Maßnahmen können allerdings nur erzwungen werden, wenn eine förmliche Bindung des Unternehmens an solche Auflagen eingetreten ist oder das Unternehmen – nach wohlüberlegter Abwägung der Vorteile und Nachteile für das Unternehmen – aus eigener Überzeugung sich zur Umsetzung solcher Maßnahmen entscheidet (auch im Vorgriff oder zur Vermeidung verbindlicher Auflagen). Auf vage Zusagen der Behörden hin muss sich das Unternehmen nicht festlegen. Es kann nach in- und ausländischen Vorgaben mit der Investigation einen eigenen Kurs wählen und damit (zunächst) autonom über die Verwendung der Ergebnisse der Internal Investigation bestimmen. Das gilt auch bei Anwendung der sog. US-amerikanischen SEC-Verhaltensempfehlungen (sog. „Sentencing Guidelines“) oder vergleichbarer kartellrechtlicher Vorgaben von EU-Behörden und des BKartA. Vielfach empfiehlt es sich daher, möglichst förmliche Zusagen zu verabreden oder – wenn die Behörde sich nicht selbst binden will – eine Dokumentation der Gespräche mit den Behörden anzulegen, um ggf. später bei Versuchen der Behörden, sich von diesen Zusagen zu distanzieren („Erinnerungslücken“, „Dezernatswechsel“) die Gesprächssituationen dokumentieren zu können.