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Ich will hier raus!

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Thorn Park, Lusaka, 11th October

Dear Nele, ich schreibe Dir heute, weil ich Deine Hilfe brauche. Bitte, schmeiß den Brief nicht gleich weg! Hör mich an! Vielleicht denkst Du, was will der noch! Aber ich kann doch wirklich nichts dafür, dass das mit Dickie damals passiert ist. Ich habe meinen kleinen Bruder immer geliebt. Ja, und ich habe auch Dich sehr geschätzt und habe zu Dir gehalten, damals, als er so viel Mist gebaut hat – erinnerst Du Dich?

Nele, Du bist jetzt die einzige Frau dort in Europa, der einzige Mensch, der mir noch helfen kann. Bitte lass mich nicht hängen!

Sieh mal, jetzt sitze ich wieder hier zu Hause bei Mum. Okay, es ist mein Zuhause, meine Heimat. Meine Landsleute. Es ist ja gut, bei meinem Volk zu sein. Ich wäre freiwillig nie fort gegangen. Aber ich kann nicht mehr hier leben, hier hat sich so vieles geändert, und ich habe mich auch verändert. Sie nennen mich M’sungu, Weißer, und sie haben Recht. In den fünf Jahren, während ich im M’sunguland gelebt habe, bin ich ein bisschen weniger schwarz geworden, ich meine, innerlich! Ihr Weißen habt Regeln, und Ihr versucht, sie zu halten, das finde ich gut. In Afrika hatten wir früher auch Regeln, Stammesregeln, aber das war, bevor der Weiße Mann kam. Jetzt gelten die nicht mehr, jedenfalls in der Stadt. Gar nichts gilt hier mehr, nur noch, Geld haben, an sich selber denken und ums Überleben kämpfen. Wo noch Stämme sind, ziehen sie aus, um sich gegenseitig tot zu schlagen. Statt dass sie gemeinsam was auf die Beine stellen, wie die M’sungus, machen sie alles kaputt und sich selbst am meisten.

Es ist der Alkohol, Nele, der Alkohol macht uns kaputt. Sogar intelligente Leute werden dumm, wenn sie saufen. Und ich bin sicher, wenn ich hier bleibe, werde ich nicht mehr lange leben.

Ich weiß genau, wie das läuft, denn ich habe es bei meinem Vater und bei vielen Freunden gesehen. Die Leute hier sterben wie die Fliegen, Nele. Ihr im M’sunguland meint, sie sterben an Aids. Aber es ist der Alkohol, der ruiniert die Immunzellen, dann kriegt man schnell jede Art von Krankheit. Und weil alle saufen und sich damit schwächen, breiten die Seuchen sich aus. Ich will so nicht mehr leben. Darum bitte ich Dich, Nele, Du bist doch meine Schwägerin, auch wenn Du Dich von Dickie getrennt hast. Und die Mutter meiner Neffen, die Tante meiner eigenen Kinder. Du trägst unseren Familiennamen! Hilf mir BITTE, hier herauszukommen!!!

Ich brauche eine Einladung, um das Einreisevisum zu bekommen. Du kennst das doch. Mit Deiner Einladung gehst Du zum Ausländeramt und füllst das Formular aus. Wo Du jetzt in Belgien wohnst, ist das kein Problem. Nach Deutschland kann ich offiziell nicht wieder einreisen. Ich lege Dir hier die Daten von meinem Reisepass bei. Wegen Geld brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, ich habe noch ein Sparbuch, das Berna damals für mich angelegt hat. Da haben wir Geld aus den Garten-Jobs eingezahlt. Es liegt bei Dick noch irgendwo, ich hatte es ihm zum Aufbewahren gegeben, vielleicht hast Du es schon gefunden. Wenn ich erst mal da bin, kann ich das Geld für Dich abholen und kann alles regeln. Ich kann Dir auch mit Deiner neuen Praxis helfen, wenn Du was zu arbeiten hast. Und ich werde Dir nicht lästig, Nele, ich will dann woanders hin, ich bleib nicht da. Ich möchte dann nach Holland gehen, wo ich immer hinwollte. Nur muss ich erst mal aus Afrika raus sein.

Denk nicht, dass ich gerne hier weggehe, ich liebe doch mein Land. Aber Mum ist krank, sie ist jetzt ganz gelähmt, und sie kann nicht mehr arbeiten. Doreen muss sie betreuen, aber Doreen hat selber zwei Kinder, und sie hat einen Job. Molly geht auch arbeiten. Sie teilen sich die Kosten, aber es ist hart für meine Schwestern. Um Mum zu pflegen, müssen wir eine Frau bezahlen. Zur Zeit mache ich das selber, schlecht und recht.

Sie brauchen hier vor allem Geld, und das müsste ich als ältester Sohn verdienen, aber in Sambia kann ich das nicht, hier gibt es keinen Job für mich. Und wenn es einen gäbe, ist da immer noch der Alkohol, von dem komme ich hier nicht los. Und darum muss ich weg von hier. Bitte, bitte, Nele, schick mir die Einladung!

Ich grüß Dich!

Dylan

Containerprinz

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