Читать книгу Candhun - Diana Klewinghaus - Страница 12

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5. Inszenierungen


Eine heiße Tasse Tee genießend saß sie etwas später am Morgen auf der Terrasse und profitierte von den vielen Gästen. Die Köchin hatte aus diesem Anlass eine erstaunliche Vielfalt an Köstlichkeiten gebacken, die das Stück Apfelkuchen vom vorherigen Tag noch übertrumpften.

Plötzlich ertönte ein Mark erschütternder Schrei. Ella zuckte zusammen, ihre Tasse klirrte, als sie auf dem Tisch aufschlug. Im allgemein losbrechenden Chaos ging das Geräusch unter. Ella befand sich parallel dazu in einer Schar aus Neugierigen, die zum Ort des Geschehens drängte. Da sie für eine Frau relativ groß war, hatte sie das zweifelhafte Glück, den Grund für die Panik rasch ausmachen zu können.

Es war Feruns starrer Blick, der sie erschauern ließ. Die Augen schreckgeweitet und blutunterlaufen, die Haut aschfahl und die Lippen von einem satten Blau durchtränkt, lag die junge Magd unterhalb der Terrasse in einem Margeritenbeet. Die blauen Flecken an ihrem Hals oberhalb der aufgerissenen Bluse ließen keinen Zweifel. Die Erkenntnis zwang Ella in die Knie. Sie wurde erwürgt, durchzuckte es sie. Ihre Hand fuhr unwillkürlich an ihre Kehle. Sie spürte Llews eisernen Griff aus der Vornacht. Ellas Beine zitterten, ihr Magen rebellierte. Wie konnte sie derart vertrauensselig sein. Dieser Cáeláne verhielt sich ihr gegenüber verdächtig, seitdem er angekommen war. Sein schönes Gesicht konnte darüber jetzt nicht mehr hinwegtäuschen. Er hatte sie ermordet. War es aus Eifersucht geschehen? Oder hatte das Mädchen etwas herausgefunden, das sie nicht wissen durfte? Langsam richtete Ella sich auf. Sie musste die Geschichte Grent erzählen. Was blieb ihr nunmehr übrig?

Da die Menschenmenge den Treppenabsatz versperrte, musste sie die Strecke durch das Haus zu Grents Arbeitszimmer nehmen. Den gesamten Weg über wünschte sie sich, es gäbe noch eine Erklärung und Llew wäre unschuldig. Als dieser plötzlich aus einem Seitengang auftauchte, wollte sie sich nicht darauf verlassen. Ella begann zu rennen. Sie blickte sich hektisch um. Wäre er unschuldig, hätte er keinen Grund, ihr zu folgen und wenn nicht – Sie hatte vergessen, wie verdammt schnell dieser Mann war. Llew packte Ella an beiden Schultern.

»Warte!«, rief er.

Ella fuhr herum, sie wollte ihm einen rechten Haken direkt unter das Kinn geben. Mühelos wehrte er ihre Attacke ab, hielt ihren Arm auf, drehte ihn mit einem Ruck vor ihre Brust und presste sie in dieser Haltung an die Wand des Flures.

»Ella, was soll denn das?«

Sein nüchterner Tonfall brachte sie in Rage. Wollte er nun den Ahnungslosen mimen?

»Ich habe euch heute Morgen streiten hören!«, zischte sie ihn atemlos an.

»Große Mutter! Du denkst, ich war das?«

Wütend versetzte er ihr noch einen Ruck, bevor er sie losließ. »Dann bist du noch dümmer, als ich anfangs dachte.«

»Und warum verfolgst du mich wieder, wenn du nichts damit zu tun hast?«, wollte sie sofort wissen.

Llew sah kurz den Flur hinunter, vermutlich um sich zu vergewissern, ob sie allein waren. Im Anschluss stellte er schlicht fest: »Du wirst mir vor Rodrik ein Alibi geben.«

»Und wenn ...«

Ihr vorgeschobenes Kinn und ihr schnippischer Tonfall verrieten ihm genug. Er unterbrach sie.

»Und wenn nicht, erzähle ich ihm von deinem kleinen Geheimnis. Wenn du überzeugt davon bist, dass ich ein Mörder bin, lass es darauf ankommen.« Seine entspannte Haltung und der betont gelassene Gesichtsausdruck, den er ihr präsentierte, weckten ihren Argwohn. Beides passte nicht im Geringsten zu der grässlichen Situation, die diesem Gespräch vorangegangen war.

»Was soll ich ihm sagen?«, fragte sie schließlich matt. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Und jetzt, da Llew in ihrer Nähe war, konnte sie nicht anders, als ihm seine Unschuld zu glauben.

»Dass du mit in mein Zimmer gekommen und bis zum Frühstück geblieben bist.«

»Wie klassisch«, bemerkte sie spitz und hob zweifelnd eine Augenbraue. Llew zuckte mit den Schultern.

»Es ist eine einfache Erklärung, die dir jeder abnehmen wird.«

»Ach? Und was macht dich so sicher, dass mir eine derart ausgefallene Aussage abgekauft wird?«

Er unterzog Ella einer Musterung, mit einer Intensität, die augenblicklich wieder ihre Knie weich werden ließ.

»Nun, warum sollten sie es denn nicht tun? Außerdem wird sich deine lautstarke Auseinandersetzung, bei der du dich gestern gegen ein Verlöbnis mit Rodrik gewehrt hast, zu meinen Gunsten auswirken.«

Dieses Detail schien ihm besonders zu gefallen, denn er hatte urplötzlich seine gute Laune wiedergefunden. Ein glühender grüner Blick gepaart mit einem spitzbübischen Lächeln kappte unerwartet Ellas roten Faden. Einen peinlichen Moment lang lächelte sie einfach nur zurück, ohne genau zu wissen weshalb.

Als sie sich wieder in der Lage für logische Überlegungen sah, fiel ihr ein: »Wenn du das mit der Heirat wusstest, warum hast du mich gestern Abend nach Rodrik gefragt?«

Seine Antwort kam nach einigem Zögern. Sie glaubte, dass er sich sehr genau zurechtlegte, welchen Teil seines Wissens er vor ihr preisgab.

»Da wusste ich noch nicht, um wen es sich handelte.« Natürlich nicht. Wie auch? Ella hatte zu diesem Zeitpunkt ja nicht einmal den Namen ihres potenziellen Heiratskandidaten gekannt. Er hatte sich ihr erst nach diesem obskuren Waschküchenintermezzo vorgestellt.

»Oh, aber Rodrik wird mir das nicht glauben.«

Llew sah sie auffordernd an.

»Ich habe mit ihm gesprochen, nachdem du gegangen bist.«

»Solange dich jemand gesehen hat, kannst du nicht bei mir gewesen sein. Bis dahin solltest du mit deiner Aussage bei der Wahrheit bleiben.« Er grinste sie kopfschüttelnd an, als wäre es das normalste der Welt, einem Inquisitor Lügen auftischen zu müssen.

Ella bekam allein durch die Vorstellung davon ein flaues Gefühl. Nervös bemerkte sie, wie Llew sich ohne weitere Worte zum Gehen wandte.

»Und wenn wir etwas erzählen, das nicht zusammenpasst?«

»Das wird nicht passieren«, merkte er gelassen an.

»Und warum nicht?«

»Ich habe nicht vor, etwas zu erzählen«, damit verschwand er zurück in den Seitengang, aus dem er gekommen war.

Nach einigem Grübeln wähnte sich Ella sicher, langsam eine Ahnung davon zu haben, was um sie herum geschah. Ob ihre Vermutungen in die richtige Richtung gingen, würde sie herausfinden, sobald Rodrik sie befragen würde. Allerdings blieb ihr strapaziertes Oberstübchen ihr die Antwort darauf schuldig, weshalb Rodrik sie befragen sollte, wenn Llew sie nicht als Alibi angeben wollte.


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