Читать книгу Luki Luna - Didi Bleck - Страница 8
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Paula
Während seine Schwestern wieder in ihre neuen Zimmer hinaufstiegen, ging Luki in den Garten zurück. Er blickte zum Nachbarhaus hinüber. Das Mädchen, das noch immer auf der Schaukel saß, übte eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf ihn aus. Langsam ging er näher.
»Hallo!«, rief er dem Mädchen zu.
»Hallo! Komm doch her!«, rief das Mädchen zurück und winkte mit beiden Händen.
Luki betrat das Nachbargrundstück.
»Ich bin Luki«, stellte er sich vor, als er bei der Schaukel war.
»Ich bin Paula«, sagte das Mädchen und schaute ihn an. Paula hatte faszinierende Augen, in einem Grünblau, wie ein Gebirgssee, tief und unergründlich.
Dieses Mädchen war etwas Besonderes, das spürte er.
Schließlich sagte er:
»Nett, dich kennenzulernen. Wir sind ja jetzt Nachbarn und vielleicht können wir auch Freunde werden.«
»Ja, das wäre schön.« Paula deutete auf den Platz neben sich. »Setz dich doch!«
Luki setzte sich neben Paula und sie schaukelten ein paarmal hin und her.
»Wo kommt ihr her?«, fragte sie.
»Aus Bozen, das ist in Südtirol«, erzählte Luki. »Wir sind hergezogen, weil mein Papa jetzt in Klerstadt arbeitet. Er ist Italiener, meine Mama ist von hier.«
»Deine Mama ist sehr hübsch«, meinte Paula, »und jung. Wie alt bist du eigentlich?«
»Im März zehn geworden. Und du?«
»Auch zehn. Seit dem 5. Mai.«
»Ist ja super. Da könnten wir im Herbst, wenn die Schule wieder anfängt, in dieselbe Klasse gehen.«
»In welche Schule wirst du denn kommen?«
»Papa meinte, ich soll ins Gymnasium in Klerstadt.«
»He, da werde ich auch hingehen!«
»Toll«, freute sich Luki, »es ist schön, wenn man schon jemanden kennt, überhaupt, wenn man komplett neu ist. Sofia ist zwölf, sie kommt in die Siebente. Und Carina, unsere Kleine, wird die Grundschule in Siebenwald besuchen, sie ist erst sechs.«
»Magst deine Schwestern?«
»Ja, sehr. Auch wenn sie mir manchmal tierisch auf die Nerven gehen.«
»Das ist schön«, meinte Paula, »ich mag meine Geschwister auch.«
»Wie viele hast du denn?«, wollte Luki natürlich wissen.
»Da gibt es Benni, meinen kleinen Bruder, ein richtiger Wirbelwind, die meiste Zeit fröhlich und lustig. Er ist sechs und wie Carina ein Schulanfänger.«
»He, dann sind die zwei ja auch gemeinsam in einer Klasse. Hoffe, sie vertragen sich.«
»Ach, weißt du, Benni hat noch nie Probleme mit anderen Kindern gehabt, er spielt mit jedem.«
Paula machte eine kurze Pause.
»Und dann gibt es noch Mia, meine große Schwester, sie ist schon fünfzehn. Aber sie lebt nicht hier bei uns.«
»Wo dann?«, fragte Luki.
»Bei Papa in Klerstadt. Meine Eltern sind geschieden. Aber Mia ist oft da, an manchen Wochenenden und auch sonst einmal ein paar Tage. Mia ist cool.«
Luki blieb eine Weile still und überlegte.
»Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass meine Eltern sich trennen«, sagte er schließlich. »Wie war das für dich? Tut es noch weh?«
»Jetzt nicht mehr«, meinte Paula, »es ist jetzt schon ungefähr vier Jahre her. Am Anfang war’s schon schlimm. Aber mit der Liebe ist das eben so eine Sache, hat mir Mama damals gesagt.«
Wieder schwiegen die Kinder.
Plötzlich hörten sie Antonios Stimme: »Luki, bist du da irgendwo?«
Luki schaute zu ihrem neuen Haus hinüber und sah seinen Vater vor der Garage stehen.
»Ich bin hier, Papa!«, rief er.
»Mama hat Spaghetti gekocht!«, rief sein Vater zurück. »Komm essen!«
Luki schaute Paula an und fragte: »Ist deine Mama eigentlich da?«
»Nein«, antwortete sie, »sie ist mit Benni in der Stadt. Die beiden kommen erst später heim. Ich bin es gewohnt, öfters allein zu sein.«
»Hast du Hunger?«
»Ja, schon ein bisschen.« Paula dehnte das Ja ziemlich aus.
»Magst du Spaghetti?«
»Jaa.« Dieses Ja war noch gedehnter als das vorhin.
Luki nahm Paulas Hand und zog sie von der Schaukel.
»Dann komm mit! Mama kocht leckere Spaghetti, und es gibt immer genug davon.«
»Meinst du, das geht? Was wird deine Familie sagen, wenn du gleich am ersten Tag jemanden zum Essen mitbringst?«
»Ah, das ist kein Problem, meine Leute sind ganz easy. Du wirst sehen, sie werden dich alle mögen.«
Hand in Hand, so, als würden sie sich schon ewig kennen, gingen die beiden Kinder zum Luna-Haus.
Als Luki und Paula die Küche betraten, war seine Mutter gerade dabei, den Tisch zu decken.
»Wen hast du denn da mitgebracht?«, fragte sie, als sie die beiden Kinder bemerkte.
»Ich bin Paula Silberstein«, sagte Paula höflich und gab Lukis Mama die Hand. »Ich wohne mit meiner Mutter und meinem Bruder im Haus nebenan.«
»Oh, das ist ja schön, Nachbarn zu haben, wo es auch Kinder gibt«, meinte Lukis Mutter fröhlich. »Wir haben drei. Ich heiße übrigens Gabi.«
In diesem Moment betrat Lukis Vater die Küche. Als er Paula bemerkte, machte er ein erstauntes Gesicht und sagte:
»Oh, Luki Luna, ti si perde un attimo di vista e gia torni con una bella ragazza!«
»Papa, stai zitto, prego!«, rief Luki.
Paula schaute Antonio an.
»Das war jetzt italienisch, oder? Hört sich so an wie bei unserem letzten Urlaub in Bibione.«
»Ja, war es«, hörte sie ein Mädchen sagen, das unbemerkt in die Küche gekommen war. »Hallo, ich bin Sofia, die große Schwester. Und Papa hat gesagt, dass Luki sofort ein nettes Mädchen mitbringt, kaum, dass man ihn aus den Augen lässt.«
»Na ja, ist doch wahr«, grinste der Vater. Er trat zu Paula und schüttelte ihr die Hand. »Willkommen im Hause Luna. Ich bin Lukis Vater, du kannst Antonio zu mir sagen. Und diese freche junge Dame«, er deutete auf Sofia, »ist unsere älteste Tochter.« Er blickte sich suchend in der Küche um. »Carina, unsere Jüngste, scheint noch nicht hier zu sein. Obwohl sie sonst immer die Erste ist, wenn es etwas zu essen gibt.«
»Antonio, sei impossibile«, sagte Gabi und strich ihrem Mann liebevoll über die Wange. »Willst du mit uns mitessen, Paula?«
»Gern, wenn ich nicht störe«, meinte Paula.
»Aber überhaupt nicht, wir freuen uns«, sagte Gabi. »Luki, hol noch ein Gedeck!«
Luki holte Teller und Besteck und stellte alles auf den Tisch. Im Vorbeigehen flüsterte er Paula ins Ohr: »Mama hat vorhin gemeint, Papa sei unmöglich.«
Die beiden Kinder grinsten übers ganze Gesicht.
Die Mutter teilte die Spaghetti aus.
Sofia ging zur Tür und rief:
»Carina, wir essen!«
»Komme gleich!«, tönte es von oben.
Wenige Augenblicke später stürmte Carina wie ein kleiner Wirbelwind in die Küche.
»Bin schon da, bin schon da«, sang sie und drehte sich im Kreis. Plötzlich hielt sie inne, sie hatte Paula entdeckt. »Wir haben uns vermehrt«, stellte sie fest.
»Ja, da staunst du, was?«, sagte Luki. »Das ist Paula, sie wohnt im Nachbarhaus.« Danach wandte er sich zu Paula und deutete auf Carina. »Und das ist unsere Jüngste, meine anstrengende, aber trotzdem liebe kleine Schwester Carina, wie du siehst, immer in Bewegung.«
Carina drehte sich noch einmal im Kreis, machte dann einen Knicks und sagte mit verstellter Stimme:
»Ich bin hocherfreut, deine Bekanntschaft zu machen.«
Paula stand auf und verbeugte sich tief.
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Darf ich mich verstellen: Ich bin Paula Silberstein.«
»Und ich Carina Luna.«
Dann lachten die beiden Mädchen laut und alle lachten mit.
»Jetzt esst aber eure Spaghetti«, mahnte Gabi schließlich, »sonst sind sie kalt, bevor ihr überhaupt angefangen habt.«
Eine Weile war es still und der Nudelberg auf jedem Teller wurde rasch kleiner.
»Wohnen noch mehr Kinder in eurem Haus?«, wollte Carina von Paula wissen.
»Ich habe eine große Schwester, sie heißt Mia und ist fünfzehn, aber sie ist die meiste Zeit in Klerstadt bei meinem Vater. Meine Eltern sind nämlich geschieden.« Sie schaute kurz zu Lukis Eltern. »Aber mein kleiner Bruder Benni lebt mit Mama und mir nebenan, er ist so alt wie du. Ihr werdet im Herbst gemeinsam in der Siebenwalder Schule anfangen. Benni ist lieb, zumindest meistens, fröhlich und immer zu Späßen aufgelegt. Ich denke, ihr werdet euch gut vertragen.«
»Cool«, sagte Carina. »Ist Benni zu Hause?«
»Im Moment nicht, er ist mit Mama in die Stadt. Aber morgen kannst du ihn besuchen, wenn du magst.«
»Klar mag ich. Papa, Mama, darf ich morgen rübergehen und mit Benni spielen?«
»Nichts dagegen einzuwenden«, meinte Antonio.
»Im Gegenteil«, fügte Gabi hinzu, »es wäre doch toll, wenn ihr hier schnell Freunde finden würdet. Etwas Besseres kann euch doch gar nicht passieren.«
»Mir fällt gerade etwas ein«, sagte Antonio. »Ihr müsst noch eure restlichen Sachen aus dem Auto holen und in eure Zimmer tragen.«
»Okay, machen wir«, meinte Sofia.
»Kann ich helfen?«, fragte Paula, als sie vor dem Haus neben dem Auto standen.
»Eh, das wär super!« Luki griff in den Kofferraum und holte einen speziell geformten Koffer heraus.
»Eine Gitarre!«, rief Paula.
»Ja, das ist mein Baby«, sagte Luki und legte den Koffer in Paulas Hände. »Pass gut darauf auf!«
Paula trug die Gitarre ins Haus. Gabi, die gerade aus der Küche kam, schaute sie erstaunt an.
»Luki hat dir tatsächlich seine Gitarre zum Hinauftragen gegeben? Die gibt er nur selten aus der Hand, das ist ein großer Vertrauensbeweis. Er muss dich gleich ins Herz geschlossen haben.«
Paula lächelte, sagte aber nichts und ging mit der Gitarre nach oben. Im oberen Stock traf sie Sofia, die auch ein wenig überrascht war, als sie Paula mit dem Instrumentenkoffer auf den Armen sah.
»Da ist Lukis Zimmer«, sagte sie und deutete auf eine der vier Türen.
Paula trat ein und sah sich um. Ihr gefiel der Raum auf Anhieb, er hatte eine sehr gemütliche Ausstrahlung. Sie legte den Gitarrenkoffer vorsichtig auf den Boden, setzte sich auf den Drehsessel und betrachtete das leere Bücherregal. Sie war ganz in Gedanken versunken, als Luki in sein Zimmer kam.
»He, träumst du?«, fragte er mit einem Grinsen im Gesicht.
Paula schaute auf.
»Dein Zimmer ist super, das würde mir auch gefallen.
Das Hochbett ist erste Sahne.«
»Ja, so eines hab ich mir schon lange gewünscht, es ist schön breit. Und unten drunter ist jede Menge Platz.«
»Und wer ein so riesiges Bücherregal hat, besitzt wahrscheinlich auch jede Menge Bücher«, meinte Paula. »Ich selbst hab auch viele, weil ich so gern lese, schon seit der ersten Klasse.«
»Meine Bücher kommen zusammen mit den noch fehlenden anderen Sachen morgen mit der letzten Lieferung der Spedition«, erklärte Luki. »Sie hatten keinen Platz in unserem Auto.«
»Du spielst Gitarre?«, fragte Paula.
»Ja, schon lange. Musik ist eines meiner größten Hobbys. Ich hab auch schon versucht, Lieder zu komponieren, aber das ist nicht so einfach. Und du?«
»Was, Lieder komponieren?«
Luki lächelte. »Nein, ich meine, wie hast du es mit der Musik?«
»Oh, ich liebe Musik.« Paula lächelte zurück. »Und ich hab mal Flöte gespielt. Und ich singe gern. In der Grundschule war ich drei Jahre im Schulchor.«
»Vor ein paar Monaten hab ich versucht, ein Lied für den Muttertag im Mai zu schreiben. Aber ich hab’s nicht hingekriegt. Vielleicht nächstes Jahr.«
Paula legte kurz ihre Hand auf Lukis Schulter.
»Das nächste Mal schaffst du’s bestimmt. Manche Dinge brauchen eben seine Zeit.«
Die Kinder schwiegen eine Weile. Plötzlich hörten sie den Motor eines vorbeifahrenden Autos. Paula ging zum Fenster und schaute hinaus.
»Ah, Mama ist zurück«, sagte sie, »ich muss heim.« Sie schaute Luki an. »Hast du Lust, morgen was gemeinsam zu unternehmen?«
»Klar doch«, antwortete Luki.
»Dann also bis morgen«, sagte Paula und verließ das Zimmer.
»Paula ...!«, rief ihr Luki nach.
Sie kam zurück und steckte ihren Kopf durch die Tür.
»Jaaa?«
»Ich finde es schön, dass wir uns kennengelernt haben.« Er schaute in ihre grünblauen Augen.
Sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Ich auch«, sagte sie. Dann war sie weg.