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2.Wettbewerbsgrundsatz

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Das Gebot des fairen Wettbewerbs (§ 97 Abs. 1 GWB7) fordert, dass jedes in der EU ansässige Unternehmen unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe hat. Das Wettbewerbsgebot entspringt damit den Grundfreiheiten des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs (Art. 34 und 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Die Auftragsvergabe muss in allen Phasen des Vergabeverfahrens einen möglichst wirksamen Bieterwettbewerb um die Aufträge gewährleisten. So soll bereits bei der Wahl der Verfahrensart dasjenige Verfahren bevorzugt werden, das den größeren Wettbewerb schafft. Verboten sind vermeidbare rechtliche und/oder faktische Maßnahmen, durch die ein Unternehmen an der Teilnahme ge- bzw. behindert wird, sowie offensichtliche Wettbewerbsverzerrungen wie Subventionen. Absprachen der Bieter mit dem Ziel, Wettbewerb durch Ausgleichszahlungen oder Einigungen über die Abgabe bzw. Nichtabgabe von Angeboten etc. auszuschalten, sind bereits nach § 1 GWB unzulässig. Nachträgliche Preisabsprachen und anderweitige Verhandlungen über den Auftrag sind nur im Verhandlungsverfahren möglich. Schließlich kann ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot auch darin liegen, dass ein Auftraggeber absichtlich eine Aufhebung des Verfahrens herbeiführt, um den Auftrag anschließend im Verhandlungsverfahren zu vergeben, oder die Leistungsbeschreibung und -anforderungen ohne triftigen Grund soweit einengt, dass sie nur bestimmten Herstellern oder einem kleinen Kreis von Bietern eine Teilnahme am Vergabeverfahren erlaubt. Eine Umgehung des Vergaberechts durch „Flucht ins Zuwendungsrecht“, d. h. eine den Wettbewerb ausschließende Tarnung einer Direktvergabe als Zuwendungsbescheid, ist ebenso ausgeschlossen.8

Dagegen ist es nicht per se unzulässig, wenn ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber berät oder anderweitig unterstützt, soweit der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.9

Das Wettbewerbsgebot fordert zudem einen Geheimwettbewerb zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Aufgrund dessen kann dasselbe Unternehmen nicht sowohl als einzelner Bieter als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft an einem Vergabeverfahren beteiligt sein.

Fall 2:Aus Alt mach Neu

Sachverhalt:

Die Stadt H hat die Lieferung von Kopiertechnik für die Schulverwaltung beschränkt ausgeschrieben. Dabei wurden fünf Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Firma „Aus Alt mach Neu“ GmbH legte ein Angebot über sogenannte „Rebuild-Geräte“ vor, die sich dadurch auszeichneten, dass Teile der Geräte bereits in einem vorherigen Produktionsverfahren hergestellt worden waren, so dass bei ihnen nicht der vollständige Erzeugungsaufwand realisiert werden musste und die Produktionskosten somit geringer ausfielen als bei Neugeräten. Die Mitbewerber boten hingegen allesamt fabrikneue Geräte an. Die Abgabe von Nebenangeboten war ausgeschlossen worden. Bei der Vergabeentscheidung wurde das Angebot über die Rebuild-Geräte nicht berücksichtigt. Zu Recht?

Lösung:

Eine Gegenüberstellung der Rebuild-Geräte mit den neuen Geräten der anderen Anbieter ergibt, dass es sich hier um einen evidenten Unterschied handelt, der eine Vergleichbarkeit der Angebote i. S. v. § 23 Abs. 1 UVgO nicht zulässt. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Wettbewerbsbeeinflussung. Das Angebot hätte lediglich als Nebenangebot berücksichtigt werden können. Gem. § 25 UVgO muss der Auftraggeber allerdings Nebenangebote ausdrücklich zulassen; tut er dies – wie im vorliegenden Fall – nicht, sind Nebenangebote unzulässig. Das hat zur Folge, dass ein dennoch abgegebenes Nebenangebot gem. § 42 Abs. 1 Nr. 6 UVgO zwingend auszuschließen ist. Die Nichtberücksichtigung erfolgte somit zu Recht.

Fall 3:Kein Auftrag trotz Wissensvorsprungs

Sachverhalt:

Die Stadt V möchte ihren Flughafen ausbauen und beauftragt die Anlagenbau GmbH mit der Ausschreibung eines ersten Bauabschnittes. Vor Submission besichtigte einer der Bieter, die Großbau GmbH, den betroffenen Teil des Flughafens in Begleitung eines Vertreters der Anlagenbau GmbH sowie eines Vertreters der auf einem Teil des Flugplatzes ansässigen Bundeswehr. Letzterer erklärte, dass eine bestimmte Erdaufschüttung im Rahmen der Bauarbeiten zur Errichtung der Befeuerungsanlagen beseitigt werde und die Kosten hierfür nicht in das Angebot einzubeziehen seien. Die Auftraggeberin und der Mitbieter, die Grundbau GmbH, wurden vom Ergebnis der Besichtigung nicht informiert. Bei Submission stellte sich heraus, dass das Angebot der Grundbau GmbH i. H. v. 1.200.000 € auch die Beseitigung der Erdaufschüttung umfasste, das Angebot der Großbau GmbH i. H. v. 1.050.000 € hingegen nicht. Daraufhin wurde entschieden, beide Angebote ohne die besagte Position zu werten, was dazu führte, dass nun das Angebot der Grundbau GmbH preisgünstiger war und schließlich den Zuschlag erhielt. Die Großbau GmbH beantragte hiergegen ein Nachprüfungsverfahren. Ist dieses begründet?

Lösung:

Die hier erteilte Auskunft bzgl. der Erdaufschüttung ist eine wichtige Aufklärung, da sie den Leistungsumfang bestimmt und somit unerlässliche Kalkulationsgrundlage ist. Sie hätte somit auch der Grundbau GmbH unverzüglich mitgeteilt werden müssen. Das Unterlassen dieser Mitteilung stellt zugleich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, denn die Grundbau GmbH verfügte nicht über die gleichen Informationen für die Angebotserstellung. Auch die anschließende Herausnahme der betreffenden Position war unzulässig, da die Angebote im Rahmen der Angebotswertung mit ihren Inhalten verbindlich sind. Sie stellen eine Willenserklärung i. S. von § 145 BGB dar. Die Vergabe war somit in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Der Antrag erweist sich als begründet.

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