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1.Transparenzgebot

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Das vergaberechtliche Transparenzgebot entstammt dem primären Unionsrecht (AEUV)1 und ist in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB normiert.2 Es fordert im Wesentlichen übersichtliche, nachvollziehbare Verfahren und vorhersehbare Entscheidungskriterien. Dem potenziellen Bieter soll von Anfang an klar sein, welche Anforderungen das konkrete Vergabeverfahren an ihn stellt und wie seine Chancen bei einer Teilnahme stehen. Die Transparenz des Vergabeverfahrens dient sowohl den Interessen des Auftragnehmers als auch denen des Auftraggebers. Eine transparente Vergabe gewährleistet Informationen der Bieter über den konkreten Beschaffungsbedarf und ermöglicht so die Erstellung passgenauer Angebote, sie stärkt zugleich das Vertrauen der Bieter in die Verlässlichkeit der öffentlichen Hand, mindert Missbrauch und Verschwendung von öffentlichen Geldern und Korruption. Sie dient zudem der Verwirklichung des Wettbewerbsgebots3: Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn potenzielle Bieter überhaupt Kenntnis von den nachgefragten Leistungen und den Ausschreibungsbedingungen erlangen können.

Das Transparenzgebot wird ex ante durch die öffentliche Ausschreibung und Öffentlichkeit verwirklicht; es stellt Anforderungen an die Leistungsbeschreibung in Bezug auf den Leistungsinhalt, die Veröffentlichung der Auswahl- und Zuschlagskriterien sowie der Auftragsbedingungen. Der Inhalt der Leistung und die Bedingungen des Auftrags müssen so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden, dass alle (potenziellen) Teilnehmer am Vergabeverfahren die Leistungsbeschreibung gleich verstehen und ihr entnehmen können, welche Erklärungen sie wann abzugeben haben. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz4 und das Transparenzgebot liegt vor, wenn nicht alle Bieter oder Bewerber zum Zeitpunkt der Angebotserstellung über die gleichen Informationen verfügen und damit die gleichen Chancen haben. Die Zuschlagskriterien müssen in den Vergabeunterlagen oder der Bekanntmachung zudem so gefasst sein, dass alle durchschnittlichen fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können. Insbesondere bei auslegungsbedürftigen Zuschlagskriterien ist anzugeben, welche Erwartungen der Auftraggeber an die zu erbringende Leistung hat.5 Der Auftraggeber muss sich während des gesamten Verfahrens an diese Auslegung der Zuschlagskriterien halten. Er darf die Beschreibung des Auftragsgegenstandes damit – auch im Verhandlungsverfahren – nicht mehr grundlegend ändern.

Die ex-post-Transparenz wird durch Informations- und Dokumentationspflichten des Auftraggebers geprägt. So sollen alle Bieter darüber informiert werden, wie die anderen Teilnehmer geboten haben, um ihnen Rückschlüsse zu geben, bestimmte Fehler in Zukunft zu vermeiden und die Teilnahme an Vergabeverfahren taktisch zu optimieren. Die im Vergabevermerk festgehaltene Begründung für die Entscheidung muss detailliert genug sein, um von einem mit dem Vergabeverfahren vertrauten Leser nachvollzogen zu werden. Insbesondere die für die Beurteilung des Bieters und des Angebotes erforderlichen Nachweise sind in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zu dokumentieren.

Auch die vom Europarecht zur Verfügung gestellten Rechtsschutzmöglichkeiten erfordern die Transparenz des Vergabeverfahrens, um anhand einer lückenlosen Dokumentation jeden einzelnen Schritt nachvollziehen zu können.6 Die in der Dokumentation enthaltenen Angaben und mitgeteilten Gründe für die getroffenen Entscheidungen müssen detailliert genug sein, um für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar zu sein.

Fall 1:Der unsichtbare Preisnachlass

Sachverhalt:

Die B-Stadt-Klinikum GmbH hat im Rahmen des Neubaus der Psychiatrischen Klinik B-Stadt mit dem Los 2 die Heizungsinstallation und mit dem Los 3 die Sanitärinstallation EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Preisgünstigste Bieterin war im Eröffnungstermin am 16.10.2009 die Firma Warm GmbH. In einem Schreiben vom 15.10.2009 hatte sie bei einer Gesamtauftragserteilung einen Gesamtpreisnachlass von 5 % angeboten. Sowohl das Originalangebot als auch das Schreiben wiesen keine Kennzeichnung auf. Auch das Submissionsprotokoll enthielt keinen derartigen Eintrag. Schließlich wurde der Zuschlag für beide Lose auf die Angebote der Firma Warm GmbH erteilt. Hiergegen legt die unterlegene Firma Heiß GmbH Rechtsbehelf ein. Mit Erfolg?

Lösung:

Um ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gewährleisten zu können, gibt § 14 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A vor, dass im Eröffnungstermin die Angebote geöffnet und in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet werden müssen. Durch die Kennzeichnung soll identifizierbar sein, welchen Inhalt das Angebot zum Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist hatte. Nachträgliche Änderungen sind verboten. Die Kennzeichnungspflicht besteht natürlich auch für alle Angaben, die den Preis betreffen. Die fehlende Kennzeichnung des Preisnachlasses sowohl im Originalangebot als auch im Anschreiben des Bieters sowie das Fehlen entsprechender Vermerke im Eröffnungsprotokoll machen einen eindeutigen Nachweis, dass der Preisnachlass bereits im Eröffnungstermin vorgelegen hat, unmöglich. Die Wertung eines nicht gekennzeichneten Preisnachlasses stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Transparenzgebot dar, der zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens und damit zur Begründetheit des Rechtsbehelfs führt.

Unterlegene Bieter haben in Vergabeverfahren, welche der EU-weiten Ausschreibungspflicht unterliegen, einen Anspruch darauf, vor Zuschlagserteilung über ihre Ablehnung informiert zu werden. Diese Informationspflicht als Ausdruck des Transparenzgebotes ist als Verpflichtung zur Vorabinformation in § 134 Abs. 1 GWB festgeschrieben. In einzelnen Bundesländern ist auch eine Vorabinformationspflicht in Unterschwellenvergaben geregelt.

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