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2.Abgrenzung der Auftragsarten
ОглавлениеSchwierigkeiten in der Praxis bereiten bisweilen die Unterscheidung zwischen den einzelnen Auftragsarten und die daraus resultierende Anwendbarkeit der jeweiligen Vergabe- und Vertragsordnung. Grundsätzlich empfiehlt sich die folgende Prüfungsreihenfolge:
Zunächst ist zu prüfen, ob bei der Vergabe des Auftrages Sonderregelungen – wie das Sondervergaberecht der SektVO oder der VSVgV oder der KonzVgV – anzuwenden sind. Ist der Gegenstand der Vergabe keine Sektorentätigkeit i. S. d. § 102 GWB – dies sind sämtliche Aufträge, die im Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung (Elektrizitäts-, Gas- und Wärmeversorgung) oder des Verkehrs vergeben werden80 –, keine verteidigungs- oder sicherheitsspezifische Beschaffung i. S. d. § 104 GWB – z. B. der Beschaffung von BOS-Digitalfunkgeräten für die Landespolizei – und keine Konzession i. S. d. § 105 GWB – bei der das Entgelt bzw. ein wesentlicher Teil des Entgelts in der vorübergehenden Überlassung des Rechts zur eigenen wirtschaftlichen Verwertung der Leistung besteht und der Auftragnehmer das Betriebsrisiko übernimmt (z. B. Neubau eines Autobahnabschnitts gegen das Recht der Einziehung einer Maut für einen Zeitraum von 20 Jahren) –, so kommt das klassische Vergaberecht zur Anwendung.
Innerhalb des Vergaberegimes einer Vergabeverordnung ist zu prüfen, ob es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 GWB handelt und demgemäß im Wesentlichen die VOB/A anzuwenden ist. Ist das nicht der Fall, ist zu prüfen, ob ein Lieferauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB gegeben ist. Wird auch diese Frage verneint, liegt ein Dienstleistungsauftrag vor. Bei Dienstleistungsaufträgen ist u. U. weiter zu differenzieren zwischen „klassischen“ Dienstleistungen, sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen i. S. d. § 130 GWB, Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr i. S. d. § 131 GWB, Planungswettbewerben i. S. d. § 103 Abs. 6 GWB und Architekten- und Ingenieurleistungen i. S. d. § 73 Abs. 2 VgV.
a. Bauauftrag. Die Einordnung als Bauauftrag setzt die Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung einer baulichen Anlage voraus.81 Ein Bauauftrag liegt nach § 103 Abs. 3 GWB etwa dann vor, wenn der Vertrag entweder allein die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens bzw. eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber zum Gegenstand hat, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Ein Bauauftrag ist ferner dann gegeben, wenn das Bauwerk bzw. Bauvorhaben Ergebnis einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommenden Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen ist. Mit dieser Klarstellung will der Gesetzgeber rechtliche Unklarheiten beseitigen, die infolge der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf82 entstanden sind. Das Gericht hatte – in Überdehnung des Auftragsbegriffes83 – auch städtebauliche Verträge dem Vergaberecht unterworfen, mit denen eine Gemeinde ein Grundstück mit der Maßgabe verkauft hatte, dieses sei im öffentlichen Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu bebauen.84 Nach § 103 Abs. 3 GWB steht fest, dass ein Bauauftrag einen eigenen Beschaffungsbedarf des Auftraggebers voraussetzt, wobei allein die Verwirklichung einer von dem Planungsträger angestrebten städtebaulichen Entwicklung nicht als einzukaufende Beschaffung ausreicht. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass das Vergaberecht nicht die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben als solche betrifft, sondern ausschließlich die Ebene der Beschaffung von Ressourcen, welche die öffentliche Hand erst in den Stand versetzt, ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen.85 Andererseits soll die gewählte Formulierung klarstellen, dass auch der Begriff des Bauauftrags funktionell zu verstehen ist. Auf die Bezeichnung des Vertrages kommt es nicht maßgeblich an. Schließt der Auftraggeber mit einem Wirtschaftsteilnehmer einen „Mietvertrag“ über ein entweder noch zu errichtendes oder erheblich umzubauendes Gebäude und bestimmt er „wie ein Bauherr“ die Einzelheiten der Bauausführung, so erfüllt dieser Vertrag ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen eines Bauauftrages.