Читать книгу Johann Heinrich Pestalozzi "Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts" - Dieter-Jürgen Löwisch - Страница 17
Adel
ОглавлениеMeine tierische Natur bindet mich durch meine Ehre wie durch mein Gut an mein Kind – ich muß, vermöge derselben, notwendig dahin lenken, jeden Lebensgenuß, den ich in meine Hand gebracht, in der Hand meines Kindes fortdauernd zu machen – also liegt Anspruch an erbliche Ehre in dem Grundgefühl meiner tierischen Natur wie der Anspruch an erbliches Eigentum.
Der Grad der Kultur und des Bedürfnisses, die wesentlichste Eigenheit des Besitzstands – kurz, der bestehende Fuß aller Dinge entscheidet an jedem Ort und in jedem Zeitalter über die Schicklichkeit oder Unschicklichkeit eines jeden Mittels, unser Geschlecht dem Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung näher zu bringen.
Der Adel war in der Feudalform der Vorzeit als der Mittelpunkt des allgemeinen Besitzstands ein Mittel zu diesem Zweck: Es ist wahr – das Mittel fraß den Zweck – der Adel stellte den Fortschritt des Menschengeschlechtes still wie die Priester – er haßte das Recht der Welt wie die Könige – er war selbstsüchtig wie die Reichen und gewalttätig wie die, die Gewalt haben. Aber sein Unrecht lag offen und schreiend vor den Augen der Welt. Es ward ihm selbst zur Last und geriet ihm selbst zum schnellen Verderben – da hingegen das Unrecht der Könige und Großreichen, in deren Händen das Unrecht, in deren Seelen die Irrtümer des Adels hinüber gegangen, ihnen nicht so leicht selber zur Last fallen und nicht so leicht zum schnellen Verderben gereichen werden.
Die Welt wird große Mühe haben, über das Unrecht und die Ungesellschaftlichkeit unserer Souveränitäts- und Finanzanmaßungen das zu gewinnen, was sie über das Unrecht und die Ungesellschaftlichkeit des Feudaleinflusses wirklich gewann. Die Welt, die in der Feudalform der Vorzeit wie in eisernen Banden still stand – ist jetzt durch die Koalition der Gewaltsrechte des Throns mit allen Schlüpfrigkeiten des Geldeinflusses zu einer Tontine gemacht worden, wo endlich niemand und nichts bleibt, was es ist und was es war.
Indessen hat die Handlung, die jetzt auf den Trümmern des Adels und durch die Finanzlücken der Höfe ihr allmächtig gewordenes Haupt emporhebt, nirgends als in England einen in das Wesen der Regierung eingewobenen großen Geist, wie das Feudalsystem der Vorzeit einen solchen hatte.
Jetzt ist die Welt in der Hand der Hofjuden, und die Hofjuden in der Hand der Minister, deren Volk einen wesentlichen Kredit hat. Indessen flattert der Besitzstand, vom Boden losgemacht – wie ein verscheuchter Vogel auf demselben herum. Vor altem saß der Adler in seinem Nest, und wenn er sich ungebührlich hielt, so fand ihn der Jäger, so hoch auch sein Nest war; jetzt glauben die Kabinetter, die kleinen Vögel legen mehr Eier, und zerstören alle großen Nester, um das ihrige, das allein heilige – das allein freie – in das Gold der Welt einzufassen. Aber dieses Gold wird verschwinden, und wir werden nach einigen Erfahrungen, die nahe sind, wieder froh sein, unser Eigentum, wie vor Alters, an Grund und Boden anzuketten. Wenn man indessen die Formen der Vorzeit für den Geist unserer Tage zu eng findet, so werfe man dennoch kein Mittel, das unser Geschlecht einmal wirklich weiter gebracht hat, mit unbedingter Sorglosigkeit weg.
Der Barbar lebt nur unter der willkürlichen Gewalt gesellschaftlich – und welche Form der Besitzstand auch immer in einem Staat haben mag, so ist dieses gewiß, wenn der Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung in demselben erzielt werden soll, so muß man dem Bürger in demselben immer einen seinem Eigentum verhältnismäßigen gesetzlichen Wert und Einfluß erteilen.
Das Eigentum regiert immer besser als der Mensch.
Ich glaube wenigstens, es sei nur durch den Geist von Gesetzen, die diesen Gesichtspunkt zum Fundament haben, möglich, den alternden Weltteil vor der gedoppelten Gefahr zu bewahren, in allen seinen Abteilungen entweder von den Anmaßungen der Krone verschlungen – oder den Anmaßungen des Sansculottism zerrissen zu werden.
So lebhaft uns auch die Irrtümer und das Unrecht des Adels vor Augen stehen, so sollen wir doch nicht vergessen, daß das Eigentum immer der Fuß unseres gesellschaftlichen Daseins ist und sein muß – und daß also der Naturkampf zwischen dem Eigentümer und dem Nichteigentümer im gesellschaftlichen Zustand ewig nicht aufhören kann. – Wir dürfen das alte Heiligtum des Pflugs und seinen ewigen Vorzug vor allem Judenwesen ohne Gefahr für die Pflanzschule aller Staatskräfte und für die gute Beschaffenheit des Volks nicht aus den Augen verlieren. Man mache einen Unterschied zwischen dem Recht des Adels als Eigentümer und den Anmaßungen dieses Stands, die keinen Grund im Recht des Eigentums haben; man überlasse die letztern dem Zahn der Zeit, der so kraftvoll an ihrem Irrtum nagt, und unterwerfe die ersten den Grundsätzen, ohne welche das Eigentum kein gesellschaftliches Recht sein kann; so scheint mir der Streit gehoben, der, indem er in unsern Tagen ohne Edelmut und ohne großen gesetzgeberischen Geist geführt worden ist, nicht anders konnte, als das Wohlwollen des Menschengeschlechts unter einander, weit mehr als es gut und nützlich gewesen ist, zu stören.