Читать книгу Johann Heinrich Pestalozzi "Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts" - Dieter-Jürgen Löwisch - Страница 20
Tyrannei
ОглавлениеTyrannei ist Kränkung meiner Selbstständigkeit ohne und wider den gesellschaftlichen Zweck. Es gibt eine barbarische und eine zivilisierte Tyrannei. Unter der barbarischen blute, unter der zivilisierten schmachte ich; ihr Wesen ist in beiden Fällen das nämliche, Gebrauch der Macht ohne Respekt für ihre Bestandteile und ohne Rücksicht auf ihren Zweck. Sie ruhet allgemein auf dem Tiersinn meiner Natur, der im Vollgefühl unverhältnismäßiger Kräfte nicht anders kann, als die Schwäche meines Geschlechts zu erniedrigen und zu mißbrauchen.
Sie ist nichts anders als die Unterdrückung des bürgerlichen Rechts durch die Naturfreiheit der Macht.
Wer diese Unterdrückung leiden muß, ist Sklave.
Wer sie nicht leiden muß, ist frei.
Wer sie leiden macht, ist Tyrann.
Wer sie leiden machen kann, kann Tyrann sein.
Wer das nicht kann, kann nicht Tyrann sein.
Völker, deren Fürsten nicht Tyrannen sein können, haben ein Recht.
Völker, deren Fürsten Tyrannen sein können, haben kein Recht.
Fürsten, die Tyrannen sein können und nicht sind, sind Engel oder Schatten.
Der Anspruch an Tyrannei ist nicht Bosheit, er ist Menschennatur. Nur der Schafskopf spricht sie nicht an, wenn er kann. Der wahrhaft Reine, Tugendhafte freilich auch nicht – aber es ist von reiner Tugend nicht die Rede, wenn man vom gesellschaftlichen Recht und von der öffentlichen Einrichtung des bürgerlichen Verhältnisses als solchen spricht.